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Die Lager sind gespalten

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In der Vergangenheit wurden amerikanische Präsidentschaftswahlen mit den Vorwahlen im Staat New Hampshire eingeleitet. In diesem kleinen New-England-Staat erlebte die Wählerschaft jeweils die erste Parade der Kandidaten und durfte erste Kostproben politischer Wahlkampf-Rhetorik über sich ergehen lassen.

Anno 1980 ist das etwas anders: Das Rennen um die US-Präsidentschaft ist praktisch schon seit Monaten im Gang, nicht zuletzt weil die Wahlkampfstrategen aus den Ereignissen rund um den Kandidaten Jimmy Carter im Wahljahr 1976 abgeleitet haben, daß dessen Erfolg durch den frühzeitigen Aufbau seiner Organisation bedingt war.

So hat der in der großen Politik bis dato fast unbekannte Republikaner George Bush (unter Nixon CIA-Direktor und Botschafter in Peking) bereits im Sommer 1979 seine Vertrauensmänner ausgeschickt. Bei den Demokraten hatte sich Senator Kennedy auch relativ früh als Herausforderer Carters deklariert, stand der Präsident bis vor kurzem innenpolitisch noch derartig schlecht im Kurs, daß durchaus mit einem Verzicht auf die Wiederwahl im Falle einiger krasser Vorwahl-Niederlagen gerechnet werden konnte.

Daß heute die Dinge anders liegen, hat der Präsident vor allem dem Geiseldrama in Teheran und dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan zu verdanken. Denn in Krisen vergattern sich die Amerikaner hinter ihrem Präsidenten. Und ein Großteil der US-Bürger ist mit Carters Verhalten in der derzeitigen schwierigen weltpolitischen Situation einverstanden.

Der lang aufgestapelte Unmut über eine Kette außenpolitischer Rückzüge kam Carter zu Hilfe und überdeckte die problematische wirtschaftliche Situation mit der fast 20prozentigen Inflationsrate. So konnte der Präsident im Weißen Haus den Staatsmann hervorkehren, dem das Wohl des Landes über die Sorge um seine Wiederwahl gehe.

Während also Carter ein beispielloses politisches Comeback erlebte, sackte sein Rivale Senator Edward Kennedy, den man mit Vorschußlorbeeren überhäuft hatte, dramatisch ab. Kennedys Rhetorik war noch konfuser als jene Carters, er verstieß gegen patriotische Tabus, seine Haltung während des Unglücks von Chappaquidick hat man ihm vielfach noch immer nicht verziehen.

Bei den Vorwahlen von New Hampshire - vor allem in Iowa -mußte Kennedy denn auch eine fast vernichtende Niederlage einstecken. In Maine, wo er Carter nur knapp unterlag, konnte er sich wieder etwas erholen. In New Hampshire siegte Carter jedoch wieder mit Abstand. Der Präsident registrierte 49 Prozent der abgegebenen demokratischen Stimmen, Kennedy nur 38 Prozent. Mußte man ihn nach Iowa praktisch schon abschreiben, werden Kennedy nach Maine und New Hampshire wieder leichte Uberlebenschancen eingeräumt.

Früher oder später muß Carter in die offene Wahlschlacht, wo er schon bei früheren Gelegenheiten so manchen Schnitzer gemacht hatte. Die Befreiung der Geiseln läßt auf sich warten und einige fragen bereits, ob Carter die afghanische Krise nicht mit einer Uberreaktion beantwortet habe.

Schließlich steht die Debatte über den Ursprung all der jetzigen Krisen noch bevor. Und in diesem Fall wird auch die Wirtschaftskrise wieder stärker in den Vordergrund rücken, was Kennedy mit seinem starken

Anhang in den Städten und bei den minderbemittelten Schichten nur gelegen kommen würde.

Die Republikaner hoffen von diesem Zerwürfnis im demokratischen Lager profitieren zu können. Aber auch sie sind gespalten - derzeit noch in mindestens sechs Lager. Zwar sieht es momentan so aus, ob das Rennen zwischen dem ehemaligen Gouverneur von Kalifornien, Ronald Reagan, und George Bush entschieden wird. Aber noch sind Howard Baker, Führer der republikanischen Opposition im Senat, John Connally, Finanzminster unter Nixon und Ex-gouverneur von Texas, sowie der linksliberale Abgeordnete Anderson ebenfalls mit von der Partie. Zu guter Letzt bietet sich auch noch Expräsi-dent Gerald Ford als Kompromißkandidat an.

Zunächst schien Reagan, der Ford 1976 im Kampf um die Nominierung nur knapp unterlegen war, ohne Gegner. Doch in Iowa lag Bush überraschend voran. In New Hampshire drehte Reagan den Spieß allerdings wieder um, Bush erhielt nur 20 Prozent der abgegebenen republikanischen Stimmen, Reagan'50 Prozent. Alle anderen müssen derzeit unter „ferner liefen" registriert werden.

Im republikanischen Lager zeichnet sich also wieder der alte Kampf der Konservativen gegen die Liberalen ab. Er hat bisher zumeist zur Nominierung des konservativeren Kandidaten, aber ebenso zur Wahl eines Demokraten geführt.

Reagan sieht momentan jedenfalls stark als der republikanische Kandidat aus, zumal sein relativ hohes Alter sich in New Hampshire nicht als Nachteil ausgewirkt hat. Ob er aber zuletzt auch nominiert wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie seine Chancen gegenüber Carter oder Kennedy eingeschätzt werden.

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