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Die Landesverfassung muß geändert werden
Auf dem politischen Spiplplan des Landes Vorarlberg stehen im Frühjahr 1981 zwei große Stücke: Die Änderung der Landesverfassung und der Geschäftsordnung des Landtages. Beide Reformen sind für die weitere landespolitische Entwicklung von entscheidender Bedeutung. '
Dabei wird sich zeigen, ob die Mehrheitspartei im Lande bereit ist, dem Wunsch der Vorarlberger Bevölkerung nach einer Zusammenarbeit der politischen Kräfte zu entsprechen. Eine solche Zusammenarbeit würde voraussetzen, daß der Wille des Vorarlberger Volkes, ausgedrückt in den Stimmanteilen der letzten Landtagswahl, auch bei der Zusammensetzung der Landesregierung respektiert wird, wie das in allen anderen Bundesländern der Fall ist.
Der Wiener Vizebürgermeister Bu- sek sagt, er könne sich eine Regierungsbeteiligung der Wiener ÖVP nur als verfassungsmäßig verankertes, Recht vorstellen und der Salzburger Landeshauptmann Haslauer meint, die Zusammenarbeit der Salzburger Parteien sei ein wohlbegründetes Gebot der Landesverfassung. Die Vorarlberger SPÖ befindet sich also mit ihrer Forderung nach einer diesbezüglichen Änderung der Landesverfassung in bester Gesellschaft.
Die Reform von Verfassung und Geschäftsordnung wird aber vor allem zu einer zentralen Auseinandersetzung um die Frage, wie die politische Macht in Vorarlberg wirksam kontrolliert wer
den kann. Diese Diskussion gibt es nicht erst, seit die Sozialisten in die Opposition gedrängt wurden, also seit 1974. Ich erinnere nur an die Auseinandersetzungen um das Demokratie-Konzept der Vorarlberger SPÖ aus dem Jahr 1972.
Seit 1974 aber steht die Diskussion um die Kontrolle der politischen Macht in Vorarlberg ununterbrochen auf der Tagesordnung. Wollte man alles aufzählen, was die Vorarlberger SPÖ in den sechs Oppositionsjahren an Kontrollfeindlichkeit im Vorarlberger Landtag erlebt hat, könnte man viele
Zeitungsseiten damit füllen. Ich möchte mich nur auf zwei wesentliche Punkte beschränken:
Die anhaltende Weigerung der Vorarlberger ÖVP, das Untersuchungsrecht in die Landesverfassung aufzunehmen. Dieses Untersuchungsrecht stellt nach übereinstimmender Meinung aller gelehrten Häupter der Republik, von den Professoren Adamovich und Welan bis zur übereinstimmenden Auffassung aller drei Nationalratsparteien, das einzige Mittel für eine Opposition dar, unmittelbar Einsicht in das Verwaltungsgeschehen zu nehmen.
Das Recht, aufklärungsbedürftige Sachverhalte zu untersuchen, hatte der Nationalrat schon zu Kaiser-Franz-Josefs-Zeiten, der Vorarlberger Landtag hat es 1981 noch immer nicht.
Es gibt in anderen Bundesländern, die keine Opposition im Landtag haben, eigene Kontrollämter, die von der Landesregierung unabhängig sind. Zum Beispiel in Niederösterreich, im Burgenland und in Kärnten. Die Steiermark und Salzburg planen sogar die Einrichtung eigener Landesrechnungshöfe. In Vorarlberg will man das alles nicht. Hierzulande glaubt man, es genüge, die ohnedies nur aus sieben Mann bestehende Innenrevision des Amtes der Landesregierung um einen Beamten aufzustocken und für Aufträge des Landtages weisungsfrei zu stellen.
Das ist sicher die einfachste und sparsamste Lösung: Diejenigen, die kontrolliert werden sollen, kontrollieren sich gleich selber. Wie effizient diese Kontrolle durch die eigenen Beamten sein wird, kann man sich ausmalen, wenn man weiß, daß die Vorarlberger Landesregierung sogar dem Rechnungshof die vollständige Einschau in Personalakte verweigerte. Der Rechnungshof mußte sich sein Recht erst beim Verfassungsgerichtshof erkämpfen, ein einmaliger Vorgang in der Kontroll-Geschichte der Zweiten Republik.
Wer sich so konsequent gegen jede wirksame Kontrolle seiner Macht gewehrt hat, wie die Vorarlberger ÖVP in den letzten Jahren, der wird seine Haltung nicht über Nacht ändern. Um so weniger, wenn diese Haltung von der heimischen Presse auch nicht annähernd so kritisiert wird, wie es in Wien der Fall wäre.
So macht es der Mehrheitspartei im
Lande auch wenig aus, daß sie mit ihrer kontrollfeindlichen Haltung im Widerspruch zu ihrer Bundespartei steht und daß sie in Vorarlberg Forderungen der SPÖ ablehnt, die in anderen Bundesländern von der dortigen Landes-ÖVP längst erfüllt worden sind.
Wenn es bei dem bleibt, was die ÖVP bisher an Vorschlägen für die Reform
von Landesverfassung und Geschäftsordnung vorgelegt hat, dann wird es zwar einige notwendige Retuschen geben, aber keine substantiellen Verbesserungen der Kontrollrechte. Ich meine, daß das für ein Land wie Vorarlberg, das zu Recht stolz ist auf seine demokratische Tradition, zu wenig ist.
Der Autor ist Klubobmann der Sozialistischen ¦Fraktion im Vorarlberger Landtag.
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