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Die Last der Lust

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Peter Michael Lingens hat recht: ,JDie katholische Kirche ist zu wichtig, um sie alleine den Katholiken zu überlassen.“

Deshalb hat der „profil“-Herausgeber auch Anspruch auf Reaktionen auf dessen mehrfache Stellungnahmen zur Ernennung des künftigen Wiener Erzbischofs, auch wenn eine solche auf knapperem Kolumnenplatz, als er ihn zur Verfügung hat, allzu apodiktisch ausfallen muß. Um Relativierung wird gebeten, auch im Hinblick auf den bekenntnishaften Charakter der Aussage.

Es stimmt: Die meisten Katholiken leben an der Sexuallehre ihrer Kirche vorbei. Aber nicht an der (wichtigeren) theologischen Aussage, daß im Zweifelsfall die Gewissensentscheidung eines Katholiken Vorrang vor einer Kirchenvorschrift hat.

Dieser Grundsatz galt immer schon — auch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Deshalb lebt niemand „gegen“ die Kirche, wenn er aus Gewissensgründen die künstliche Empfängnisverhütung praktiziert.

Lingens hat aber recht, daß ein solcher Zustand für die Regelverhänger gefährlich ist: Wenn sich Millionen Katholiken damit abfinden, daß Papst und Theologen in einer Fundamentalfrage der

menschlichen Existenz irren, werden sie immer weniger Schwierigkeiten haben, einen solchen Irrtum auch in anderen Fragen anzunehmen. Deshalb darf man als Katholik in diesem Punkt nicht „genießen und schweigen“, sondern muß reden. Die FURCHE tut es.

Weniger, das sei zugegeben, tut sie es in der Frage des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, obwohl hier ähnliche Voraussetzungen zutreffen. Daß man heute einander lieben kann, ohne Kinder zu zeugen, erfordert in der Tat eine Neuauslegung des Dekaloggebots ,JJu sollst nicht ehebrechen!“

Die Kirche hätte ungeheuren Zuspruch vor allem junger Menschen, wenn sie (was viele Priester ohnehin längst tun) das Hauptgewicht ihrer Morallehre auf die Maxime legte, Sünde in der Sexualität sei vor allem Egoismus jeder Art. Auf den zu verzichten, wäre dann allemal noch schwer genug. (Dies für jene, die immer meinen, mit zeitgemäßen Sexregeln würde jungen Leuten die Chance genommen, sich in Verzicht und Opfer zu bewähren.)

Bei der Abtreibung hat Kollege Lingens freilich mit seiner Ahnung recht, daß hier die Kompromißgrenzen für Katholiken anders als bei ihm verlaufen. Wenn das Einschläfern eines geliebten Hundes mehr Kummer als Fötustötung bereitet, möchten wir, damit der Mensch nicht auf den Hund kommt, das Bewußtsein, nicht die Verbotsregel ändern.

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