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Die Lebensversicherung hat nicht ausgedient

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Hat es seit Jahrzehnten in ganz Österreich nur drei oder vier "Be-triebspensionskassen" gegeben, die im Dornröschenschlaf dahindäm-merten, sind allein in den letzten fünf Monaten gleich neun (!) be-triebliche oder überbetriebliche Pensionskassen gegründet worden (siehe Seite 17). Entsprechend ruhrig sind auch die Werbestrategen der neuen Unternehmen. Vom Ver-kaufsleiter, der "bei der Konkurrenz unterschreibt", weil er dort eine Betriebspension erhält, ist die Rede, bis zum Appell an den Ar-beitnehmer, "Vorsorgelohn statt Barlohn" zu verlangen. Beim Kon-sumenten, und zwar Arbeitgeber und Arbeitnehmer, könnte der Eindruck entstehen, als ob Europareife und zukünftiges Überleben in einem EG-Markt nur dann gesichert seien, wenn das Unternehmen ein Pensionsstatut der "Pensionskasse X" einführt. Jahrzehntelang bewährte andere Vorsorgealternativen, wie zum Beispiel Rückstellungen, private oder betriebliche Lebensversicherungen und so weiter sind plötzlich "out", riskant, unwirtschaftlich et cetera.

Die Übertragung der Ansprüche auf einen potenten, außerbetriebli-chen Partner, sei es auf eine Pen-sionskasse, sei es auch auf betrieb-liche Lebensversicherungen, ist aus der Sicht des Dienstnehmers sehr zu begrüßen. Für den Unternehmer hat sie allerdings einen entscheidenden Schönheitsfehler: sie kostet Geld, Geld und nochmals Geld. Und zwar in zweifacher Hinsicht

• erstens benötigt ein außerbetrieb-licher Partner natürlich 100 Prozent der Rückstellung um 100 Prozent der Ansprüche abzudecken (eine innerbetriebliche Rückstellung muß nur zu 50 Prozent mit festverzinslichen Wertpapieren gedeckt werden),

• zweitens jedoch sind die Rück-stellungen, aufgrund einer jahr-zehntelangen, verfehlten Steuerpo-litik in den Unternehmen viel zu wenig aufgebaut worden.

Die Übertragung von Anwart-schaften in eine Pensionskasse ist beispielsweise im Gesetz klar fest-gelegt: Zur Erleichterung für das Unternehmen kann die Zahlung -steuerlich wirksam - über zehn Jahre verteilt erfolgen. Der notwendige Gesamtbetrag wird allerdings meist deutlich über dem derzeitigen Rückstellungserfordernis liegen.

Pensionskassenprodukte, aber natürlich auch Direktzusagen der Betriebe haben - das liegt in ihrer Konzeption - selbstverständlich kollektiven Charakter. Somit kann auf die individuellen Erfordernisse der einzelnen Dienstnehmer natur-gemäß nur sehr eingeschränkt Rücksicht genommen werden. So wird es möglicherweise eigene Regelungen für Ledige und Verhei-ratete, Personen mit Kindern oder ohne Kinder, mit Berücksichtigung einer Arbeitsunfähigkeitsleistung oder nicht, geben. Die Einschränkung der Witwenversorgung auf ein Minimum, weil die Ehefrau etwa doppelt so viel verdient wie der Mann und daher voll selbsterhal-tungsfähig ist, die Erhöhung der Waisenleistungen, weil etwa ein älteres Ehepaar noch einen "Nachzügler" hat und so weiter, sind aber Probleme, die kollektiv nicht gelöst werden können. Hier empfiehlt sich die private Lebensversicherung oder die betriebliche Vorsorge in der Art, daß eine individuelle Lebensversicherung vom Betrieb finanziert wird.

Private Lebensversicherungen oder auch betrieblich finanzierte, individuelle Lebensversicherungen haben den Vorteil, daß - wenn zwischen Dienstgeber und Dienst-nehmer Einvernehmen besteht -das Gestaltungsinstrumentarium der Lebensversicherung zumindest eingeschränkt zur Verfügung steht:

Bezugsrechtsänderungen (zum Beispiel für den Überbringer, wenn kein Partner nominiert wird), Be-lehnungen, auch Anpassungen bei Karrieresprüngen sind - da es keine zehn Prozent Begrenzungen von der Lohnsumme gibt - in jedem Fall problemlos. Andererseits muß natürlich auch gesagt werden, daß die Möglichkeit der Mitfinanzie-rung durch den Dienstnehmer, wie im Pensionskassengesetz vorgese-hen, eine außerordentlich wichtige psychologische Komponente hat: wofür man selbst bezahlt, das ist auch mehr wert und wird mehr geschätzt.

Allein diese kurze Darstellung zeigt, daß die Probleme der betrieb-lichen Altersvorsorge sehr viel-schichtig sind, je nachdem, ob man sie aus der Sicht des Dienstgebers oder Dienstnehmers sieht, ob sie für ein liquiditätsstarkes oder kre-ditfinanziertes Unternehmen, einen großen Produktionsbetrieb oder den kleinen Handwerksbetrieb gestaltet werden soll.

Entscheidend wird es sein, sich ausführlich über alle Möglichkei-ten, die der Markt bietet, zu infor-mieren. Beratung und Information bieten insbesondere die großen Versicherer, aber auch die Banken, die eigens Fachleute zu diesem Zweck ausgebildet haben.

Selbst wenn diese Beratung unter Umständen etwas kostet - man sollte sie in Anspruch nehmen, da eine falsche Entscheidung in diesem Bereich teurer als jedes Honorar kommen kann.

Der Autor ist Generaldirektor der Raiffeisen-Versicherungs AG.

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