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Die Lehren aus dem Fall Tschernobyl

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Die Strahlung aus Tschernobyl scheint abzuklingen. Noch wird vor dem Genuß von Freilandgemüse, vor dem Spielen im Freien gewarnt. Wie lange kann es noch dauern? Sind wir noch einmal davongekommen?

Schwamm drüber? Kehren wir zur Tagesordnung zurück? Oder wäre es nicht höchste Zeit, Folgerungen aus dem Reaktorunfall zu ziehen, Maßnahmen zu überlegen, die uns im Wiederholungsfall besser gerüstet erscheinen ließen?

Die Alarmklingel der Wissenschaftler in den Meßstellen hat rechtzeitig angeschlagen. Die Kärntner reagierten als erste, die andern Länder folgten in unterschiedlichem Tempo.

Der radioaktive Staub aus der Ukraine wurde für Österreich zum unerwarteten Probefall des Katastrophenschutzes. Wozu man sich bisher, seit Jahren ermahnt, nicht aufraffen konnte, mußte nun, mitunter improvisiert, durchgezogen werden. Wenn es geklappt hat, umso besser - doch dürfte man sich nicht darauf verlassen, daß es auch ein anderes Mal klappen wird, wenn nicht noch weitergehende Maßnahmen getroffen werden.

Dazu gehört vor allem eine intensive Aufklärung über die Möglichkeiten einer radioaktiven Verstrahlung — auch ohne daß in einem Krieg die Atombomben gefallen sind — und über die Maßnahmen, sich zu schützen, und wenn es nur durch den Aufenthalt im eigenen, etwas hergerichteten Keller ist.

Dazu gehört weiter die Erarbeitung eines Alarmplanes, der alles einschließt, was in solchen Fällen vonnöten sein wird — und der zunächst mit der höchsten Stufe, auf die größte zu erwartende Gefahr abgestellt, ausgerufen werden sollte, um dann schrittweise zurückgenommen zu werden, sobald klar wird, daß die Gefahr geringer geworden ist.

Dazu gehört schließlich die Anlage von Vorräten an Lebensmitteln als Ersatz für plötzlich ungenießbares Frischgemüse, für Frischmilch, von Vorräten an Medikamenten, die bei Verstrahlung vermehrt benötigt werden.

Die Versorgung mit Dosimetern, wie sie bereits im Bundesheer und in Forschungsinstituten im Einsatz sind, müßte für alle sichergestellt werden, die auch bei stärkerer Verstrahlung gezwungen sind, außerhalb von Schutzräumen tätig zu sein.

Einer der wichtigsten Punkte wird wohl die Bewußtseinsbildung bleiben — sie ist erschwert durch die Unheimlichkeit der Strahlung, durch die Unmöglichkeit, sie ohne Geräte zu erkennen. Sie ist aber wohl auch erschwert durch die Skepsis der Bürger gegenüber den Politikern, ob diese auch wirklich wahrheitsgetreu informieren — ohne Hysterie und ohne Beschwichtigung. Aber diese Skepsis beschränkt sich ja nicht auf den Fall Tschernobyl.

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