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Die Mahnung für die Nachwelt

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Zum 100. Male jährt sich der Geburtstag Friedrich Funders. Sein Name ist wenigstens unter den Zeitgenossen, und wahrscheinlich auch unter der nachfolgenden Generation der Katholiken in Österreich und vielfach auch im Ausland noch lebendig. Seine Persönlichkeit ist ein integrierender Faktor der österreichischen Geschichte Unseres Jahrhunderts, aber auch im Leben der Kirche Österreichs. Hat Friedrich Funder Spuren hinterlassen, die noch heute wirksam sind, oder ist er vergessen? Wirkt sein Geist noch fort? Dies ist keine rhetorische Frage, die einen Panegyrikus einleiten soll.

Das geistige und religiöse Profil unserer Heimat macht den Eindruck, als ob Friedrich Funder und mit ihm viele andere, wie etwa Karl Maria Stepan, nicht die geringste Spur hinterlassen hätten. Woher mag das kommen? Haben diese Männer wirklich nur ein paar Jahre gelebt und gewirkt und keinerlei Erbe hinterlassen, oder will nur unsere Gegenwart von diesem Erbe einfach nichts wissen? Eher scheint uns das zweite der Fall zu sein. Wir leben in einer Zeit, die kein Traditionsbewußtsein zu halben vorgibt. Tradition ist für den heutigen Menschen eher belastend als beglückend. Er will nicht zurückschauen, ihn bedrängt die Zukunft, in die er schreiten muß, und er glaubt, je freier und je weniger belastet von Vergangenheit er dies tun kann, desto sicherer werde ihm der Schritt in die Zukunft gelingen. In die Vergangenheit zurückzuschauen, gilt ihm als verlorene Zeit und Hemmschuh der freien Ideenentfaltung. Deshalb ist er auch geneigt, alle Schuld an gegenwärtigen Krisen der Vergangenheit anzulasten. Er ist erfüllt von Ressentiments gegen die Tradition. Was in der Vergangenheit geleistet worden ist, alle Ideen und Kräfte, die Volk und Kirche gestaltet haben, sind für ihn uninteressant. Also hat Friedrich Funder für die Nachwelt umsonst gelebt.

Natürlich hat Friedrich Funder für seine Zeit gelebt, war auch seiner Zeit verhaftet. Was ihn und andere große Männer aber ausgezeichnet hat und was unserer Gegenwart wohl etwas zu sagen hätte, ist das Tiefste seiner Persönlichkeit. Sein Lebenswerk ist die Frucht einer durch keine Enttäuschungen gebrochenen Liebe zur Kirche und zu seiner Heimat. Diese Liebe war die Triebfeder seines Lebens, sie hat ihn bis in die letzten Tage seiner Krankheit verzehrt. Man könnte über die Geschichte seines Lebens schreiben:

In Liebe geleuchtet, in Liebe verloschen. Diese Liebe konnte auch leiden, ohne daß sie dabei innerlich zum Verlöschen gebracht wurde. Mit dieser Liebe war gepaart sein tiefer Glaube an die Kirche und an seine Heimat. In dieser Liebe ist er immer mehr gereift und immer weiteren Herzens geworden, bis an sein Lebensende. Sollte dieses Beispiel vergessen werden, so hätte Friedrich Funder wenigstens für die unmittelbare Nachwelt umsonst gelebt. Dann belastet aber die negative Bilanz nicht Friedrich Funder, sondern die Nachwelt.

Deshalb darf die Persönlichkeit Friedrich Funders nicht vergessen werden. Er darf nicht umsonst gelebt haben. Er ist ein Mahner, gerade für die Nachwelt. Der Geist einer nur negativen, zersetzenden Kritik, Lieblosigkeit, Intrige und Verlogenheit prägen den Geist vieler Intellektueller. Sie tun jene, die nicht ihrer Meinung zustimmen, als die „Gestrigen“ ab. Weil nicht mehr echter Glaube und echte Liebe zu Kirche und Heimat die Triebfedern des Handelns sind, geht man auf den Gegner mit moralischem Terror los. Der physische Terror, der im politischen Leben herrscht, ist ein Spiegelbild des Meinungsterrors, der im geistigen und oft auch im kirchlichen Leben praktiziert wird. Das klingt vielleicht hart. Es soll aber auch nicht behauptet werden, dies alles geschehe bewußt und in böser Absicht. Aber man läßt sich nur allzu leicht unbewußt vom Geist des Meinungsterrors leiten. Dieser Geist tötet den Glauben und die Liebe zu Kirche und Heimat. Er kann keine guten Früchte bringen. Er führt zum Chaos und zur Auflösung. Man hat Friedrich Funder nach 1945, im Gegensatz zu seinem früheren Leben, einen Ireniker genannt. Dieser Irenismus war eine Frucht seines im Leiden gereiften Glauibens und der geläuterten Liebe.

Deshalb darf das Licht Friedrich Funders in unserer Zeit nicht verlöschen, das Licht eines unerschütterten Glaubens und einer ungebrochenen Liebe zu Kirche und Heimat. Nur dieses Licht vermag die positiven Kräfte zu wecken, gibt uns die Kraft, mit Kirche und Heimat zu dulden und zu leiden, ohne daran zu scheitern. Nur aus diesem Glauben und aus dieser Liebe heraus kann die christliche Persönlichkeit wachsen und reifen. Nur sie vermögen echte Gemeinschaft aufzubauen, nur sie wecken Hoffnungen und Begeisterung.

Unsere Zeit ist eine andere geworden, fordert neue Ideen und neue Wege im kirchlichen und im politischen Leben. Wir können nicht dort stehen bleiben, wo Friedrich Funder einst sein Ziel erreichte. Das Leben bleibt nie stehen. Den Geist Friedrich Funders in Kirche und Heimat bewahren, heißt nicht, seine Ideen kritiklos übernehmen, heißt auch nicht, der Vergangenheit nachtrauern, sondern heißt, den Geist des Glaubens und der Liebe, die das Tragende seiner Persönlichkeit waren, nicht vergessen.

Ein altes Sprichwort, das man nur allzu gerne und voreilig auf den Sexus bezieht, sagt: „Wenn die Jugend nur wüßte und das Alter nur könnte!“ Tat ohne Wissen steht da gegen Wissen ohne Tat; letztlich aber steht die Un-Tat mit ihren bitteren Früchten gegen die Weisheit.

Unsere Zeit vertraut zu sehr auf Programme — man programmiert auch den Menschen —, auf Statistiken und Meinungsumfragen und liefert den Einzelnen mehr und mehr der Manipulierung aus. Friedrich Funder, als einer unter vielen, lehrt uns, daß Reife und Weisheit der Persönlichkeit entscheidender sind. Der Mensch ist Gestalter seiner Zeit. Der Geist lebendiger Menschen — wir würden besser sagen: das Herz, das die eigentliche Mitte des Menschen bezeichnet — ist wirkmächtiger als der anonyme Geist der abstrakten Ideen und des Computers. Lebendige Persönlichkeit, erfüllt von unüberwindlichem Glauben und unzerstörbarer Liebe, das ist es, was unsere Zeit braucht.

Der Mensch Friedrich Funder hat nicht umsonst gelebt, wenn wir seinen Geist nicht vergessen, wenn wir von ihm lernen, uns ein katholisches und österreichisches Herz, ein offenes und liebendes Herz zu bewahren.

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