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Die malerische Stadt am sagenhaften Goldfluß
Um seine Gäste zu beeindrucken, ließ Kaiser Karl IV. Sonderprägungen des Prager Groschens -fünf Zentimeter im Durchmesser und einen Zentimeter dick - an sie verteilen. Geprägt aus reinstem böhmischen Gold, gewonnen aus der Wottawa.
Um seine Gäste zu beeindrucken, ließ Kaiser Karl IV. Sonderprägungen des Prager Groschens -fünf Zentimeter im Durchmesser und einen Zentimeter dick - an sie verteilen. Geprägt aus reinstem böhmischen Gold, gewonnen aus der Wottawa.
„Menschen, die über dunkle
Brücken gehn
Vorüber an Heiligen
mit matten Lichtlein.
Wolken, die über grauen
Himmel ziehn
Vorüber an Kirchen
mit verdämmernden Türmen.
Einer, der an der Quaderbrüstung
lehnt
Und in das Abendwasser schaut die Hände auf alten Steinen."
Franz Kafka hat dieses Gedicht geschrieben, voll wehmütiger Erinnerung an die königliche Stadt Pisek. Die Brücke existiert heute noch. Sie ist die älteste noch erhaltene Steinbrücke Böhmens, älter noch als die Karlsbrücke in Prag. Die Pfseker Brücke wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im frühgotischen Stil erbaut.
Die Brücke überspannte ursprünglich in sechs Bögen den Fluß Wottawa (Otava). Besonders in der Abenddämmerung bietet das steinerne Bauwerk einen faszinierend-unheimlichen Eindruck. Weicht die Dämmerung der Finsternis, buckelt der dunkle Stein wie ein Fabeltier aus einer Erzählung Edgar Allan Poes oder Gustav Meyrinks.
Die heute siebenbögige Steinbrük-ke, ein zusätzlicher Bogen wurde 1768 nach einer verheerenden Überschwemmung angefügt, stellt ein -allerdings von Touristen viel zu wenig beachtetes, weil unbekanntes -nationales Denkmal dar. Einst hatte sie den S alzf Uhrwerken über den Goldenen Steig den Weg von Prachatitz nach Prag verkürzt, heute - längst vom Verkehr befreit - lädt sie nur noch zum Lustwandeln ein oder dient als Motiv für Maler und Fotografen. Unter der Brücke fließt träge die Wottawa dahin, um wenig später nur in die (aufgestaute) Moldau zu münden.
Die Wottawa war einst der Goldfluß Böhmens. Hans Watzlik schrieb 1940: „Auf den Mooren östlich des Rachelstockes (Bayerischer Wald, Anm. d. Verf.) wird die schwarzbraune Wottawa geboren, der sagenhafte Goldfluß, den die zurückgebliebenen Sandhalden einstiger Goldwäscher begleiten." Noch zu dieser Zeit glaubten die älteren Bewohner des Ottawatales, daß die Tannen am Ufer „sein rinnendes Gold trinken und es durch Wurzeln und Verästelungen hoch ins Kronicht leiten, wo es als eitel goldene Kugel ausblüht und den armen Flösser, der das Glück hat, die Goldblüte zu finden, unendlich reich macht." Am und im Fluß wurde schon seit keltischer Zeit Gold gesucht und gefunden.
Ansehen auf „Sand" gebaut
Der goldhaltige Sand verleiht auch Pisek den würdigen lateinischen Namen „Arena". Später, im 8. Jahrhundert übernahmen die Slawen die alte Bezeichnung und nannten die Ansichtung „Pisek" (was ebenfalls „Sand" bedeutet). Zahlreiche Ortschaften lebten jahrhundertelang von der Goldgewinnung und errangen Reichtum und Ansehen. Bergreichenstein (Kasperske Hory), Schüttenho-fen (Suäice), Strakonitz (Strakonice), Pisek, um nur einige zu nennen. In Schallers „Topographie" wird berichtet, daß schon zu Zeiten König Johanns hier dreihundert Goldmühlen gezählt wurden, mit dermaßen vielen Bergknappen, daß der König „sechshundert für die Belagerung der Festung Landshut ausheben hatte lassen können, ohne daß das Goldwaschen einigermaßen unterbrochen wurde".
Karl IV., der für seine Reichsreformen immens viel Geld brauchte, ließ das Goldwaschen noch ausbauen und beschützte Wäscher und Knappen mit seiner Burg Karlsberg.
Umrundet man die Stadt - ausgehend von der Steinernen Brücke -dem Wottawa-Ufer entlang, über den ehemaligen Burggraben, kommt man auf den Marienplatz (Marianske nämesti) auf dem die gleichnamige Kirche (Dekanalkirche Maria Geburt, frühgotisch) steht. Sie wurde von der gleichen königlichen Bauhütte errichtet wie die Brücke und die Burg, deren Reste (Palas) neben dem zweitürmi-gen Rathaus ein sehenswertes Stadtmuseum (mit Goldgewinnungs-Geschichte) aufweist. In der fälschlich als Basilika bezeichneten Marienkirche hängt die gotische „Madonna von Pisek", ein Tafelbild vom Ende des 14. Jahrhunderts, das allerdings nur während des Gottesdienstes (oder kurz davor) zu sehen ist. Das Herumgehen während eines Gottesdienstes ist streng verpönt. Und die Chance, einen Schlüssel zu einer gottesdienstfreien Zeit zu bekommen, besteht kaum.
Von Pfsek geht es weiter nach Stra-konice (Strakonitz). Hier gründeteBa-vor I. im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts auf einem Hügel über der Mündung der Wolinka (Volynka) in die Wottawa eine Burg. Und dort steht sie auch noch heute, mächtig, dunkel, dräuend - wie eine Gewitterwand über glitzerndem Wasser.
Burg Strakonice wurde 1243 dem Johanniterorden übereignet. Die Johanniter richteten auf der Burg Konvent und Kommende ein. Bis zum Jahre 1694 blieb das Ordenshaus von Strakonitz der Hauptsitz in Böhmen (heute in Prag „Johanniter mit dem Stern"). Seit 1930 beherbergt die Burg ein Museum für Archäologie und Kunst. Später kam ein Motorrad und ein Fes-Museum hinzu. In Strakonitz wurden schon zu Zeiten der Monarchie Motorräder erzeugt (heute Motorradwerk CZM), hier entstand auch ein Monopol auf orientalische beziehungsweise arabische Kopfbedeckungen (Textilfabrik Fezko).
Wenige Kilometer entfernt findet man auf einer leichten Erhebung Schloß Strahl (Stfela), das väterliche Anwesen Franz Kafkas: „Nun sah er oben das Schloß deutlich umrissen in der klaren Luft. Im ganzen entsprach das Schloß, wie es sich hier von Ferne zeigte, K.'s Erwartungen. Es war weder eine alte Ritterburg noch ein neuer Prunkbau..."" Der große böhmische Dichter Franz Kafka hat in seinem Roman „Das Schloß" dem väterlichen Stfela einen ewigen Platz in der deutschen wie tschechischen Literatur gesichert.
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