6837426-1975_23_01.jpg
Digital In Arbeit

Die man vergaß.

19451960198020002020

Seit ihrer Gründung vor nuirnel balo 30 Janhen ist „DIE FURCHE“ für die Rehabilitierungnund Ehrung der Opfer des NS-Regimes in. Österreich eingetreten^ Vor allem aber für die „Repatriierung“ >der bedeutensteh Forscher und Künstler. Wir haben auch in unserem Kulturteiaüber De Kongresse zur internationalen zur Erforschung der Exilliteratur von 1933—1945 in 'Stock-Fkdih Ufrff Kopenhagen, die auf Unermüdliches Betreibeiii des Nestors auf diesem Gebiet, Walter Berendsohn, stattfanden, ausführlich Berichtet. Nun wird, endlich, in Wien, und zwar im Europahaus im 14. Bezirk, eine solche Tagung abgehalten-, ihren Teilnehmt! gilt unser Gruß.

19451960198020002020

Seit ihrer Gründung vor nuirnel balo 30 Janhen ist „DIE FURCHE“ für die Rehabilitierungnund Ehrung der Opfer des NS-Regimes in. Österreich eingetreten^ Vor allem aber für die „Repatriierung“ >der bedeutensteh Forscher und Künstler. Wir haben auch in unserem Kulturteiaüber De Kongresse zur internationalen zur Erforschung der Exilliteratur von 1933—1945 in 'Stock-Fkdih Ufrff Kopenhagen, die auf Unermüdliches Betreibeiii des Nestors auf diesem Gebiet, Walter Berendsohn, stattfanden, ausführlich Berichtet. Nun wird, endlich, in Wien, und zwar im Europahaus im 14. Bezirk, eine solche Tagung abgehalten-, ihren Teilnehmt! gilt unser Gruß.

Werbung
Werbung
Werbung

Als Veranstalter und Vorbereiter dieser Tagung, die unter dem Ehrenschutz des Bundeskanzlers, der Minister für Unterricht und Kunst sowie für Wissenschaft und Forschung und des amtsführenden Stadtrats für Kultur steht, zeichnen das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ und die „Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur“. Die beiden Institute zeigen auch eine Exilausstellung, die im Bürgersaal des Alten Rathauses eröffnet werden wird. Sie soll die Leistungen des österreichischen Exils auf den Gebieten von Kunst und Wissenschaft in den einzelnen Gastländern dokumentieren und das vielfältige Schicksal der. Exilierten in der Zeit zwischen 1934 und 1945 zeigen.

Eine Ausstellung „österreichische Autoren im Amerika. Geschick und Leistung der österreichischen literarischen Emigration ab 1938 in den Vereinigten Staaten“, die von der „Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur“ gemeinsam mit dem „Amerikahaus“ 1970 veranstaltet worden ist, hat im Gegensatz zur großen Ausstellung „Exilliteratur 1933 bis 1945“, die die „Deutsche Bibliothek“ in Frankfurt am Main 1965 veranstaltet hat und die dann auch in Wien zu sehen war, fast überhaupt keine Wirkung gehabt. Während die deutsche Ausstellung den entscheidenden Durchbruch für eine intensive Aufnahme der Exilforschung in der Bundesrepublik zur Folge hatte — in der DDR wurde eine solche seit dem Entstehen der „Ostzone“ im Jahre 1945 konsequent in Angriff genommen und bis heute fortgeführt, wenn auch im Sinne der dort herrschenden Staatsideologie, so hat man die Exilierten „hier-lands“ drei Jahrzehnte lang konsequent vergessen oder — besser gesagt — verdrängt. Von einer wissenschaftlichen Erforschung des Gesamtphänomens kann — trotz mancher hoffnungsvoller Ansätze durch;

die Vertreter der Zeitgeschichte — noch gar keine Rede sein, am allerwenigsten durch die österreichische Literaturwissenschaft, die die Exilautoren ebenso tabuisiert und verdrängt hat wie die deutsche Germanistik bis in die Mitte der sechziger Jahre.

Bei uns hält dieser Prozeß — trotz der Dissertationen, die etwa über Hermann Broch, Felix Braun, Elias Canetti, Robert Musil, Franz Wer-fel, Martina Wied und Stefan Zweig vergeben worden sind — noch immer an, vor allem aus Scheu vor den politischen Implikationen, die eine echte Exilforschung nun einmal enthält. Die Arbeiten zeigen auch, daß sie noch immer mit den Methoden der reinen Geistesgeschichte oder der bloßen werkimmanenten Interpretation in Angriff genommen worden sind, ohne sich über die vielfältige Problematik der Exilliteratur, wie sie auf den Kongressen von Stockholm, Kopenhagen, auf den Symposien von Kentucky, Ma-dison und St. Louis in den USA und der von ihnen inaugurierten und befruchteten Fachliteratur bereits dargestellt worden ist, auch nur von ferne Rechenschaft zu geben.

Wenn die Exilliteratur schon von der literaturwissenschaftlichen Forschung ausgeklammert wird, darf man sich nicht wundern, daß die breite Allgemeinheit von den Zurückgekehrten kaum und von den im Exil Verstorbenen oder in der Fremde Verbliebenen gar keine Kenntnis genommen hat. Für die jungen und jüngsten Generationen sind sie bereits „/terra incognita“.

Unter diesen Umständen darf es einen wahrhaftig nicht erstaunen, wenn selbst ein Blatt wie „DIE PRESSE“ in ihrer Nummer vom 1. Februar 1975 unwidersprochen die Meinung vertreten kann: „Zum ersten, gestehen wir es uns ein, ist selbst für den Freund der Literatur die Forschung zur deutschen Exilliteratur wirklich kaum mehr als ,ein

Berg von Karteileichen.'“ So bereitet man jenen, die man drei Jahrzehnte lang vergaß, die man — soferne sie damals noch lebten — 1945 nicht in die Heimat zurückgerufen hat, den zweiten Tod: Raoul Auernheimer, Richard Beer-Hofmann, Franz Blei, Hermann Broch, Albert Ehrenstein, Jakob Haringer, ödön von Honrath, Oskar Jellinek, Robert Musil, Alfred Polgar, Josef Roth, Ernst Waldinger, Ernst Weiß, Franz Werfel, Arthur Zanker, Guido Zernatto, Stefan Zweig.

Späte Renaissancen bestimmter Autoren, wie die von Horväth, Musil und Roth, die übrigens auch nicht von Österreich ausgegangen sind, die Gründung einer internationalen Mu-sil-Gesellschaft, die Heimholung des Musil-Nachlasses, der nun in einer eigenen Arbeitsstelle entziffert und geordnet wird, ja selbst die bevorstehende Heimholung der Gebeine Franz Werf eis — dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß der bevorstehende Kongreß zur Erforschung des österreichischen Exils, erst die „Grundlagen“ für eine gedeihliche Entwicklung der Exilforschung in Österreich wird legen müssen — vor allem für die Vertreter der Hochschulgermanistik und österreichischen Literaturwissenschaft, die sich — trotz jahrzehntelangen Sträubens — auf die Dauer dieser brennenden Problematik nicht entziehen werden können.

Wenn auf diesem Kongreß Germanisten aus der Bundesrepublik, der DDR, aus Holland, “Frankreich, Polen, Ungarn, aus Australien und den Vereinigten Staaten durch ihre Beiträge ihr wissenschaftliches Interesse an Österreichs Emigrationsliteratur bekunden werden, so wollen wir nur hoffen, daß am nächsten Kongreß die Ordinarien für österreichische und deutsche Literaturwissenschaft, die heuer durch ihre Abwesenheit glänzen, um so zahlreicher vertreten sein werden. Sollten sie dann auch noch so beharrlich schweigen wie bisher, dann würde uns aus dieser unheimlichen Stille von drei Jahrzehnten der „Schrei der Vergeblichkeit“ des Werkes jener entgegenschallen, die sie nicht nur unbewußt „verdrängt“, sondern ganz bewußt verleugnet haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung