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Die Maus, die brullte

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Der Kahlenberg kreißte und gebar — wie dies unter besseren Bergen nun schon einmal üblich ist — eine Maus. Immerhin hat sie eine so dröhnende Stimme, daß man — wollte man nach der Resonanz in der österreichischen Presse und in den Massenmedien urteilen — glauben müßte, daß ein veritabler Löwe gebrüllt habe.

Worum es geht, ist das „Sparbudget 1977“, ist die rigorose Sparsamkeit, welche Bundeskanzler Kreisky persönlich für das kommende Jahr versprochen hat, seine Ankündigung, welche in der letzten Woche ein gewaltiges Rauschen im österreichischen Blätterwald verursacht hat.

Zweifellos hat die Regierung damit einen bemerkenswerten Schritt getan: Zum ersten Mal wendet sie sich vom Prinzip ab, die Ausgaben konstant zu vergrößern und deren Finanzierung ausschließlich durch Steuer- und Tariferhöhungen oder durch vermehrte Schulden zu bewerkstelligen. Zweifellos wird diese Art der Finanzierung im kommenden Jahr zwar noch immer dominieren, aber die Notwendigkeit der Einsparung ist zumindest im Prinzip anerkannt.

Die Opposition macht es sich zweifellos zu leicht, wenn sie der Regierung, ohne auf die einzelnen Vorschläge näher einzugehen, Konzept-losigkeit vorwirft. Man kann ihr mit Recht vorwerfen, daß sie zu spät zu sparen beginne und viel zu wenig spare, aber im Prinzip ist das neue Konzept zweifellos richtig.

Allerdings — ist das, was nunmehr beabsichtigt ist, auch genug? Wäre die Regierung schon im Jahre 1970 mit derartigen Vorschlägen zum Abbau des damals noch relativ bescheidenen Budgetdefizits auf den Plan getreten, man hätte rückhaltslos applaudieren können. Diese Vorschläge, heute gemacht, lassen hingegen zwangsläufig an den vielzitäerten Tropfen auf den heißen Stein denken.

Sicherlich hat der Bundeskanzler recht, wenn er darauf hinweist, daß man keine spektakulären Mbnster-kürzungen bei einigen wenigen Positionen auf der Ausgabenseite machen könne, sondern daß sich die Einsparungen aus Hunderten kleinen Posten zusammensetzen müßten. Nur gar so klein sollten sie aber auch nicht sein, sonst ergeben selbst viele hundert noch immer keinen spürbaren Effekt.

Die größten Posten sind die geplanten Einsparungen auf dem Personalsektor und die Kürzungen der Subventionen — beides richtig und sicherlich notwendig, aber sogar die optimistischen Regierungsschätzungen erwarten sich davon nicht mehr als 800 oder 500 Millionen an Ausgabenreduktionen. Die meisten Einsparungen bleiben sogar unter 1 Million.

Was ist das, im Vergleich zu einem für dieses Jahr präliminierten Defizit von 45 Milliarden und einem nächstjährigen von — angeblich „nur“ 40 Milliarden, was ist das bei einem Budget 1977, welches bei äußerster Sparsamkeit noch immer 235 bis 240 Milliarden an Ausgaben vorsehen soll? Wir haben es eben doch nur mit Mäusen zu tun, welche zwar — da publizistisch perfekt geschult — granddos zu brüllen verstehen, aber letzten Endes Mäuse sind.

Wenn man die Proportionen vergleicht, dann kommen Zweifel, ob das, was im Prinzip so richtig ist und vollen Applaus verdient, de facto ernst zu nehmen ist. Reduzierung der Personalausgaben und der Subventionen — sowohl für bestimmte Waren als auch für diverse Vereine — sind goldrichtig und zweifellos, dafür hat der Kanzler immer den richtigen Instinkt, auch populär. Nur wenn man dann hört, daß die Subventionen insgesamt um sage und schreibe 5 Prozent gekürzt werden sollen, fühlt man sich einigermaßen gefoppt.

Beispielsweise kostet die Milchpreisstützung gegenwärtig nicht weniger als 1,1 Milliarden Schilling im Jahr. 5 Prozent davon wären ganze 55 Millionen. Auf diese Weise beseitigt man kein 40-Miliiarden-Defi-zit, auch wenn man bei einigen Positionen etwas mehr reduziert, um bei anderen um so weniger reduzieren zu müssen.

Aber will man überhaupt das Defizit beseitigen? Die für nächstes Jahr anvisierten 40 Milliarden Defizit würden um 5 Milliarden unter dem für dieses Jahr erwarteten Pas-sivum liegen. Dies sei ein beachtlicher Erfolg, versichert uns der Finanzminister, der Ausdruck eines echten Sparwillens.

Was schamhaft verschwiegen wird, ist die Tatsache, daß im Budgetvorschlag für das laufende Jahr nur 35 Milliarden Defizit prälimi-niert waren, daß uns der Finanzminister auch im letzten Herbst versichert hat, das Budget für dieses Jahr sei ein ausgesprochenes Spar-budget. Als Beweis für diese Behauptung mußte das Präliminare für 1976 herhalten, dessen Passivum etwas unter dem tatsächlichen Defizit von 1975 geigen ist. Hingegen wurde das seinerzeit präliminierte Defizit für 1975 vom Defizit des Präliminare 1976 bereits gewaltig überschritten.

Daß das tatsächliche Defizit des laufenden Jahres nun massiv über dem tatsächlichen Defizit des Vorjahres liegen wird, heuer daher von einem Sparbudget nicht die Rede sein kann, läßt man — im Vertrauen auf das kurze Gedächtnis der Bevölkerung — unter den Tisch fallen. Wird im kommenden Jahr das gleiche Spiel wiederholt werden?

Sodann behauptete die Regierung, das Monsterdefizit des Vorjahres sei bloß das Resultat antizyklischer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der unvermeidliche Preis für die hohe Beschäftigung gewesen. Gegenwärtig aber verweist die gleiche Regierung auf den neuen Konjunkturaufschwung und erwartet für das kommende Jahr — ob zu Recht oder nicht, sei hier n!cht untersucht — eine neue Hochkonjunktur. Hätte also das zusätzliche Defizit des Vorjahres wirklich nur der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gedient, so müßte es ein leichtes sein, es bereits in diesem Jahr wieder zu reduzieren und im nächsten Jahr wieder auf das Niveau früherer Jahre mit 10 bis 20 Milliarden Passivum zu kommen.

Davon ist aber keine Rede. Das Defizit schwankt weiter um das einmal erreichte Rekordniveau, von dem es anfänglich geheißen hat, es sei nur die konjunkturbedingte Ausnahme. Nun scheint es doch die Regel zu werden — und das trotz angeblicher Austerity-Politik.

So richtig also die geplanten Einsparungsmaßnahmen im Prinzip sind, das wahre Ausmaß der Reduktionen ist so minimal, daß gravierende Zweifel am ehrlichen Wollen zur Budgetsanierung erwachen. Wenn wieder Vertrauen zur Finanzpolitik der Regierung entstehen soll, sind Einsparungen in ganz anderen Dimensionen als die bisher angekündigten notwendig.

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