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Die Medien haben verabsäumt zu informieren

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Die mit Spannung erwarteten, vielbeachteten Gespräche des südafrikanischen Premierministers Vorster mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Mondale in Wien zeitigten kein spektakuläres Ergebnis. Skeptiker hatten befürchtet, das Wiener Treffen könnte die Linie der Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam am Ende des Zweiten Weltkrieges fortsetzen. Es ist anders gekommen. Die Zusammenkunft von Wien ist als eine Episode, vielleicht als ein Markstein auf einem langen Weg anzusehen, der die beteiligten Mächte hoffentlich zusammenführen wird.

Vizepräsident Mondale hatte schon vor der Konferenz erklärt, er wolle in Wien „viel zuhören“. Man kann, wenn man will, aus dieser Formulierung herauslesen, daß er sich nicht nur darüber im klaren war, einem über das Thema weitaus besser informierten Gesprächspartner gegenüberzusitzen, sondern daß er auch bereit war, dessen Darlegungen ernst zu nehmen, damit der amerikanische Standpunkt nach und nach mit dem südafrikanischen koordiniert werden könne.

Man sprach zuerst über Rhodesien und kam überein, daß sich die Vereinigten Staaten und die Republik Südafrika gemeinsam mit Großbritannien um eine Lösung des Problems bemühen sollten.

Der zweite Punkt betraf Südwestafrika. In dieser Frage knüpfte man an die Gespräche an, die eine Delegation der fünf derzeit im Sicherheitsrat vertretenen Westmächte an Ort und Stelle mit den betroffenen Parteien geführt hatte. Vorster referierte über die erfolgreiche Arbeit der verfassungsgebenden Konferenz der Vertreter der elf Nationen des Territoriums in der Windhuker Turnhalle und machte deutlich, daß ein „Fallenlassen“ dieser Konferenz für ihn nicht in Frage komme. Man einigte sich, die Gespräche über Südwestafrika ehestens unter. Beiziehung aller, ..westlichen .Sicherheitsratsmitglieder wiederaufzunehmen.

Keine Annäherung gab es in der Frage der südafrikanischen Innenpolitik. Die Zeit - es standen nur eineinhalb Stunden dafür zur Verfügung - war viel zu kurz, um überhaupt eine Diskussion an die grundsätzlichen Darlegungen der beiden Delegationsführer anzuschließen. Aber diese Klarstellungen allein waren wichtig genug.

Mondale erklärte in der den Sitzungen folgenden Pressekonferenz, die Republik Südafrika könne nicht mit amerikanischer Unterstützung rechnen, wenn sie Schwierigkeiten mit ihren schwarzen Bürgern hätte. Es ist falsch, aus diesen Worten eine Drohung herauszulesen. Die Regierung in Pretoria denkt nämlich nicht daran, wegen innenpolitischer Schwierigkeiten ausländische Hilfe anzufordem. Zu dem Fall einer möglichen Invasion durch ausländische Streitkräfte sagte Mondale nichts ...

Carter und seine Mitarbeiter sind noch nicht in der Lage, den fundamentalen Unterschied zwischen den amerikanischen und den südafrikanischen Verhältnissen zu sehen. Ausgehend von dem Prinzip der Gleichheit und der Menschenrechte fordern sie die Aufhebung der Rassentrennung und volle politische Mitbestimmung nach dem Grundsatz „ein Mann - eine Stimme“.

Demgegenüber legte Vorster dar, daß die Vereinigten Staaten wohl gemischt-rassisch seien, Südafrika aber ein Vielvölkerstaat. Der amerikanische Neger sei ein schwarzer Amerikaner, er habe seine Ursprünglichkeit,

Sprache, Kultur und Tradition längst eingebüßt. Der Schwarze in Südafrika aber sei nie Sklave gewesen, er bekenne sich mit Stolz zu einer bestimmten Nation, er habe seine eigene Sprache, seine Heimat in einem selbstgewählten Landstrich, seine Siedlungsweise, seine Lebensweise. Es gebe acht schwarze Nationen innerhalb der Grenzen Südafrikas. Wie die Völker Europas jedes seinen eigenen Staat aufgebaut hätten, so sei es am besten, wenn auch die südafrikanischen Völker eigene Staaten bildeten. Es sei das Ziel seiner Regierung, ihnen dabei zu helfen.

Um die Amerikaner daran zu erinnern, daß ihre moralische Position nicht unerschütterlich ist, verabsäumten die Südafrikaner es nicht, dezent auf das Schicksal der Indianer hinzuweisen; mit dem gebotenen Takt, denn sie wollten Carters Sendboten nicht verärgern, sondern überzeugen.

In seiner Pressekonferenz betonte Vorster, die Politik seiner Regierung sei in vollem Bewußtsein der Verantwortung konzipiert und entspreche den in seinem Lande herrschenden Verhältnissen. Unter Anspielung auf sein Alter erklärte er, wenn er vor seinen Schöpfer hintreten werde, müsse er ein gutes Gewissen haben.

Den Einwand des Vertreters einer großen Agentur, die südafrikanische Regierung habe es versäumt, die Welt richtig und ausreichend zu informieren, beantwortete Vorster mit der Replik: „Sie haben dieses Versäumnis begangen, in Ihren Händen sind die Medien!“

Die weitere Entwicklung wird in der Tat stark davon abhängen, ob es den Südafrikanern und den Kräften, die mit ihnen sympathisieren, gelingt, den enormen Informationsrückstand aufzuholen. Dann erst wird die öffentliche Meinung, zum mindesten in den westlichen Ländern, eine Änderung der Politik gegenüber Südafrika ermöglichen.

UN-Generalsekretär Waldheim be- zeichnete die Lage rund um Südafrika vor wenigen Tagen als „äußerst ernst und sehr gefährlich“; das südliche Afrika habe den Nahen Osten als „Krisengebiet Nummer eins“ abgelöst, sagte er. Damit bezog er sich nicht auf mögliche neue Straßenkrawalle in südafrikanischen Städten oder auf Verschärfung der Guerrilla, sondern er sieht die Gefahr großer weltpolitischer Verwicklungen heraufziehen.

Die gereizte Reaktion der „Tass“ auf die Wiener Gespräche läßt erkennen, daß man in Moskau diese Kontakte mit einer gewissen Nervosität registriert. Der Kreml fürchtet, die Felle könnten ihm doch noch davonschwimmen. Offenbar ist Südafrika der Pfeiler, durch dessen Bersten das Gebäude der freien Welt zum Einsturz gebracht werden soll.

In politischen Kreisen Südafrikas ist man sich längst im klaren darüber. „Sollten die freien Nationen uns letztlich doch im Stich lassen“, kann man dort hören, „dann werden wir sein wie Simson: selber fallend, werden wir das ganze Gebälk miteinreißen.“

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