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Die Medizin als Patient

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Wie krank ist unsere Medizin?” lautete der Titel des 11. vom ORF-Landesstudio Salzburg veranstalteten Humanismusgesprächs vom 20. bis zum 23. September. Zwölf Referenten, davon leider nur einer aus Österreich, aber elf aus der Bundesrepublik Deutschland (allein vier aus Heidelberg) versuchten, dem Unbehagen mit dem heutigen Gesundheitswesen auf den Grund zu gehen.

Erster Angelpunkt der Kritik: die Ubertechnisierung, die zum Teil Folge der Eitelkeit mancher Klinikvorstände sei (man wolle unbedingt die gleichen sündteuren Apparaturen wie die Nachbarklinik haben) und zum Teil mit dem — überholten — rein naturwissenschaftlichen Denken zusammenhänge. Zu letzterem fiel das Zitat: „Während die Physiker schon längst wieder an den lieben Gott glauben, glauben die

Mediziner noch immer an die Physiker.”

In einem vieldiskutierten Referat analysierte der Konstanzer Soziologe Prof. Horst Baier den modernen Sozialstaat mit seiner „kollektiv organisierten Daseinsvorsorge”, die den einzelnen Bürger entmündige. Gesundheit werde als herstellbare, beherrschbare und berechenbare Sache angesehen.

Aber ist das heutige Sozialversicherungssystem überhaupt noch finanzierbar? Nach Ansicht der meisten Redner nur, wenn die Eigenverantwortung des Patienten gestärkt und mehr leistungsorientiert abgerechnet wird. Ein Selbstkostenbeitrag des Patienten kündigte sich an, es wurde aber auch der Wunsch laut, wahlweise ein totales „Aussteigen” aus dem Sozialversicherungssystem anzubieten.

Eingehend, den . ethischen Aspekt besonders betonend, wurde die Rolle des Arztes im Spannungsfeld zwischen Patient, Krankenkasse und Pharma-In-dustrie beleuchtet. Der Wiener Psychiater Prof. Erwin Ringel verlangte eine bessere Ausbildung der Mediziner zum Gespräch mit dem Kranken. Der Patient müsse als Person und Subjekt angesprochen werden, es seien nicht Krankheiten, sondern Kranke zu behandeln.

In diese Kerbe schlug auch der Ulmer Mediziner Prof. Wolfgang Wesiack mit seiner Forderung nach einer ganzheitlichen Heilkunde, die den Menschen als Wesen mit Körper, Geist und Seele auffasse und behandle.

Leider fand in Salzburg keine Konfrontation zwischen neuen (alten) medizinischen Richtungen (etwa der Homöopathie, die durch Primarius Mathias Dorcsi, Wien, vertreten war) und der „Schulmedizin” statt, leider fehlten die großen Kliniker und Vertreter des Krankenhausperso-näls. Leider fehlte auch den meisten Referenten dieser öffentlich zugänglichen Veranstaltung eine klare, allgemein verständliche Sprache. So klagte ein frustrierter Student am Ende über zuviel „akademisches Blabla” und zu wenig „Wege aus det Krise”, wie sie der Untertitel des Humanismusgespräches verheißen hatte.

Und so schnell werden diese Wege auch nicht beschritten werden, wir müssen noch eine Weile mit dem derzeitigen System leben.

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