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Die Milch ist „hoffähig“

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Die Vorstellungen für eine mögliche Vollmitgliedschaft sind aus der Natur der Sache heraus gesehen, bei den einzelnen Produktionssparten sehr differenziert. Wenn sich Industrie, Handel und Gewerbe, der Dienstleistungsbereich und andere einen Vorteil bei einer Teilnahme am gemeinsamen Markt errechnen, so gibt es andere Sparten, zu denen auch die Landwirtschaft zählt, die mit gewisser Skepsis in die Zukunft blicken. Wie immer es aber auch kommen mag, wenn Österreich zur EG kommt gibt es keine Teilung, es ist damit die gesamte Staats- und Privatwirtschaft eingebunden.

Die österreichische Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten durch die sogenannten Marktordnungsgesetze eine sehr strenge Reglementierung im Vermarktungsbereich gehabt. Die größte hat es natürlich im Bereich der Milch- und Molkereiwirtschaft gegeben. Die vier Sozialpartner im Milchwirtschaftsfonds haben so gesehen eine Gesamtrechnung der Milchwirtschaft verwaltet, aber auch eindeutig bestimmenden Einfluß auf das Gesamtgeschehen ausgeübt. Dieses System hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich bewährt, ist aber relativ teuer gewesen und hat kaufmännische Initiativen bei den einzelnen Molkereibetrieben weitgehendst eingeengt.

Die letzte Marktordnungsnovelle im Milchbereich hat nun einen ersten Schritt in Richtung

„Ab 1990 volle Verantwortung für die Molkereibetriebe“ freier Marktwirtschaft und größerer Konkurrenz gesetzt (FURCHE 26/1988). Die einzelnen Molkereibetriebe werden in voller eigener Verantwortung ab 1990 ihr Betriebsgeschehen gestalten und auch damit das Bilanzergebnis selber voll beeinflussen können. Dies wird dazu führen, daß der Gedanke der Rationalisierung und der kostengünstigen Be- und Verarbeitung einen enorm hohen Stellenwert gewinnen wird. Bereits mit 1. Jänner 1989 wird in Österreich eine neue Steuergesetzgebung in Kraft treten, die an den Betrieben nicht ebenfalls spurlos vorübergehen wird. Die Devise in der Molkereiwirtschaft kann daher nur lauten, europareif zu werden, um bei einem Eintritt in die Gemeinschaft gerüstet zu sein.

Von den derzeitigen 200 österreichischen Molkerei- und Käsereibetrieben haben nur wenige eine Größenordnung, die mit den Molkereibetrieben in der Bundesrepublik vergleichbar sind. Die Betriebe in Holland und den nordi-. sehen Staaten sind noch weit größer. Man muß aber dabei f esthalten, daß die Größe eines Unternehmens nicht das einzige Kriterium ist, um in einem großen europäischen Markt bestehen zu können.

Durchflußgröße, Qualität der Produkte, optimaler Einsatz von Arbeitskräften und Kapital, hohe Ausstattung durch Eigenmittel, umsichtiges und wendiges Management und persönliches Engagement der Mitarbeiter — um nur einige Fakten aufzuzählen — werden die Wettbewerbsfähigkeit der zukünftigen Molkereibetriebe prägen. Man kann heute schon sagen, daß die österreichischen Milchbauern den ihnen zustehenden Milchpreis nicht nur brauchen, sondern er wird in Zukunft möglicherweise verbessert: werden müssen. Es sei denn, durch die Annäherung an die Gemeinschaft können die Produktionskosten beachtlich gesenkt werden.

Der Konsument ist immer wieder verhalten, Preisvergleiche bei Lebensmitteln im benachbarten Ausland anzustellen. Derzeit sind in Österreich zum Großteil schlechtere Rahmenbedingungen vorhanden. Hoher Produzentenpreis und möglichst niedriger

Konsumentenpreis sind nur erreichbar, wenn unter vertretbaren Voraussetzungen eine Konzentration der Be- und Verarbeitung im österreichischen Molkereibereich eintritt. Man kann der Molkereiwirtschaft und damit ihren Mitgliedern, den Bauern, nicht zumuten, daß sie diese finanziellen Lasten alleine tragen. Vergleiche mit der Gemeinschaft zeigen deutlich, daß dort Strukturbeihilfen im benachbarten Ausland gegeben werden.

Die österreichischen Bauern werden also nicht umhin können.

„Regionale Förderung hat es in der EG immer gegeben“ sich auf den großen Markt vorzubereiten. Gerade in Österreich, einem landschaftlich so schönen Land mit florierendem Fremdenverkehr, muß es der Gesamtheit wert sein, Beiträge für die Erhaltung dieser Umwelt und der Pflege der Landschaft zu geben.

Regionale Förderungen der Landwirtschaft in den einzelnen

Mitgliedsländern der Gemeinschaft hat es bisher schon immer gegeben, und sie haben gerade in der letzten Zeit zum Teil beachtlich zugenommen. Österreich wird sich also hier ein Beispiel nehmen müssen, um seine Landwirte auch als Mitgliedsbetriebe der Gemeinschaft weiterhin national zu fördern.

Der Autor ist Obmann der österreichischen Milch-Informationsgesell schaft.

Europas Milchseen trocknen aus

Die. berühmten „Butterberge“ und „Milchseen“ — lange Zeit plastisches Symbol für die fehlgeleitete EG-Agrarpolitik — gehören bald der Vergangenheit an. Die Butter-Bestände sind innerhalb von zwei Jahren auf weniger als ein Drittel zurückgegangen, die von Magermilchpulver sogar auf knapp ein Zwanzigstel geschrumpft. Dabei spielten Verkäufe von Lagerbeständen — zum Beispiel Butter an die Sowjetunion — nicht die Hauptrolle. Entscheidend war vielmehr die drastische Verringerung der Lagerankäufe von Butter und Magermilchpulver. Diese wurden durch die Interventionsstellen auf die Zeit jeweils vom 1. März bis 31. August beschränkt und können zudem bei Überschreitung bestimmter Höchstmengen ausgesetzt werden. Diese Regelung gilt für jedes Wirtschaftsjahr. Dagegen kommt der Lagerabbau bei Getreide und Rindfleisch bislang kaum voran; teilweise sind die Bestände sogar noch gestiegen.

(Quelle: iwd — Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Köln, Nr. 36/1988)

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