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Die Milch und ihre Ordnung

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In der derzeitigen Diskussion um die Marktordnungsgesetze prallen Für und Wider, aufeinander. Im folgenden soll der Problemkreis der Marktordnung auf dem Sektor Milch von ihrer Funktion her sachlich dargestellt werden.

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In der derzeitigen Diskussion um die Marktordnungsgesetze prallen Für und Wider, aufeinander. Im folgenden soll der Problemkreis der Marktordnung auf dem Sektor Milch von ihrer Funktion her sachlich dargestellt werden.

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Die Agrarmarktordnung trägt der Sonderstellung der gesamten Landwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft Rechnung:

Die landwirtschaftliche Produktion kann nicht einmal annähernd mit der industriellen Produktion verglichen werden.

Die Ernteerträge auf der ganzen Welt hängen von Voraussetzungen ab, die in keiner sonstigen Wirt- schaftssparte gegeben sind (Wetter). In guten Erntejahren wäre ein totaler Preisverfall unvermeidbar, würde man die Preisbildung dem völlig freien Wettbewerb und somit ausschließlich dem Marktmechanismus überlassen.

Daher ergibt sich die Notwendigkeit, die wichtigsten Agrarprodukte einer Preisregelung zu unterwerfen. Damit sind die Preisstabilität, der Schutz inländischer Produktion sowie ein geordneter Markt für die Konsumenten garantiert.

Eine Preisregelung an sich muß aber ohne ‘Koppelung mit einer gewissen Marktordnung bzw. Markt- lenkung wirkungslos bleiben. Dies kommt jedoch nicht einer Marktplanung oder Maßnahmen einer Zentralverwaltungswirtschaft gleich!

Die Marktordnung ist insonderheit bei Milch, Fleisch und Getreide notwendig, zumal besonders bei der Milch infolge deren mangelnder Lagerfähigkeit die befriedigende Beschickung der Märkte nicht so wie bei jedem anderen Produkt garantiert wäre.

Die Milchproduktion erfolgt in Österreich bekanntlich unter regional völlig verschiedenartigen Bedingungen. Ebenso ist die Verwertung der Milch äußerst unterschiedlich. Einesteils wird sie als Trinkmilch konsumiert, andernteils wird sie zu Produkten verarbeitet. Dem Landwirt ist er gleich, ob seine Milch für die Trinkmilchversorgung herangezogen wird oder ob sie verarbeitet wird. Er will nur selbstverständlich seinen fixen kostendeckenden Preis, da die Produktionskosten von der späteren Verwertung unabhängig sind.

Auch die Kostengestaltung bei der Bearbeitung beziehungsweise Verarbeitung der Rohmilch ist wieder von verschiedenen Faktoren abhängig: zum Beispiel von der Entfernung vom Konsumzentrum, von der allgemeinen Transportsituation, den spezifischen Kosten der jeweiligen Produktionssparte und den Besonderheiten der regionalen Milchanlieferung.

So entstehen je nach örtlicher Lage und Art des Betriebes unterschiedliche Kosten in der Bearbeitung beziehungsweise Verarbeitung sowie auf dem Transportsektor.

Um nun sowohl dem Landwirt den Milchpreis ih einer gesetzlichen Mindesthöhe zu sichern als auch dem Konsumenten einen Fixpreis zu garantieren, schuf man das Marktordnungsgesetz und damit den Milchwirtschaftsfonds.

Die eingangs genannten Faktoren machen es — will man ein einheitliches Preisgefüge schalten — notwendig, mit Hilfe des sogenannten Ausgleichswesens die Niveauunterschiede innerhalb der Sparte Milchwirtschaft auszugleichen. Dies ist auch die erste wesentliche Zielsetzung:

a) einheitlicher Preis für den Landwirt,

b) einheitlicher Preis für den Konsumenten.

Diese Ausgleichsfunktion in ihrer ursprünglichen Bedeutung wird vom Milchwirtschaftsfonds auf Grund der Bestimmungen des Marktordnungsgesetzes (in der Folge MOG abgekürzt), in der letztgültigen Fassung vom 21. Dezember 1971, wahrgenommen.

Die zweite Zielsetzung ist die ausreichende und einheitliche Versor gung der Bevölkerung mit Milch und Milchprodukten nicht nur zu einheitlichen Preisen, sondern auch — als dritte Zielsetzung — in bester Quali- . tat.

Zu dieser Versorgungssicherung ist jedem Bearbeitungs- beziehungsweise Verarbeitungsbetrieb ein sogenanntes Einzugs- und ein Versorgungsgebiet zugeordnet. Das heißt, der einzelne Landwirt darf nur an die ihm vorgeschriebene Molkerei beziehungsweise den Verarbeitungsbetrieb anliefern und der betreffende Betrieb darf wieder nur Milch aus seinem zugeteilten Einzugsgebiet übernehmen, allerdings mit Ausnahme entsprechender Dispositionen des Milchwirtschaftsfonds im Sinne eines notwendigen Mengenausgleiches von Betrieb zu Betrieb.

Die gesetzliche Bestimmung des MOG betreffend die Einzugs- und Versorgungsgebiete bringt dem Müchproduzenten unter anderem auch den Vorteil, daß infolge der gesetzlichen Übernahmspflicht (bei entsprechender Qualität) die von ihm angelieferte Milch von der Molkerei beziehungsweise vom zuständigen Verarbeitungsbetrieb übernommen werden muß.

Für die Molkerei beziehungsweise den Verarbeitungsbetrieb bringt das geregelte Einzugsgebiet den Vorteil, mit einer mehr oder minder konstanten täglichen Anlieferung rechnen zu können, was zum Beispiel im Hinblick auf eine entsprechende Kapazitätsauslastung vorteilhaft ist.

Die Molkereibetriebe sind in Österreich zu rund 80 Prozent genossenschaftliche Betriebe, die übrigen sind Gewerbebetriebe. Die Landwirte liefern die Rohmilch in der Regel direkt an die Molkerei oder über eine Milchsammelstelle.

Die Versorgungsaufgabe in der Milchwirtschaft spielt sich auf mehreren Ebenen ab. Die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung in den einzelnen Versorgungsgebieten wird faktisch über die Betriebe und den Handel durchgeführt. Die bereits großräumige Versorgung auf Landesebene besorgen die genossenschaftlichen beziehungsweise gewerblichen Verbände. Die gesamte Überschußverwertung, das heißt jene Mengen an Milchprodukten (hauptsächlich Hartkäse, Schnittkäse, Dauermilchprodukte und Butter), die dem Export zugeführt werden, liegt in den Händen des „österreichischen Molkerei- und Käsereiverbandes” (ÖMOLK) beziehungsweise für Hartkäse bei der „Bundesorganisation der Österreichischen Hartkäseexportwirtschaft Ges. m. b. H. (ÖHEG). Der Milchwirtschaftsfonds sorgt also im Sinne des MOG als zentrale Dispositions- und Verrechnungsstelle im direkten Wege über die Betriebe beziehungsweise über die Verbände für

1. einheitliche Produzenten- beziehungsweise Konsumentenpreise (durch das Ausgleichssystem),

2. ausreichende und einheitliche Versorgung der Bevölkerung mit Milch und Milchprodukten, und zwar

3. in bester Qualität.

Alle Verrechnungen von Ausgleichsbeträgen, Zuschüssen, Zuschlägen erfolgen über den Fonds. In den einzelnen Bundesländern verfügt der Fonds über sogenannte Landesstellen.

Der ursprüngliche Zweck des Ausgleiches hat also, wie bereits dargelegt, mit Subventionen oder Stützungen nichts zu tun. Erst der Eingriff des Staates in diesen Preismechanismus brachte den Begriff „Stützung” als den staatlichen Zuschuß zum Produzentenmilchpreis, die staatliche „Milchpreisstützung”. Sie ist eine wesentliche Komponente des staatlichen Beitrages auf dem Milchsektor. Diese Stützung ist bereits im Jahre 1952 eingeführt worden, um gesteigerte Gestehungskosten für den Landwirt abzugelten, ohne dabei den Verbraucherpreis erhöhen zu ‘müssen.

Zur Belebung und Förderung des Inlandabsatzes von Milch und Milchprodukten wurde nach Erreichung der Vollversorgung im Jahr 1953 be gonnen, Werbemaßnahmen für Milch und Milchprodukte durchzuführen. Seit diesem Jahr hat die Molkereiwirtschaft einen entsprechenden Groschenbetrag je Liter Milch und zusätzlich seit 1968 die Milchproduzenten, die Bauern, einen Groschen je Liter abgelieferter Milch für Werbemaßnahmen zur Verfügung gestellt. Diesen Maßnahmen ist es u. a. auch zuzuschreiben, daß der Absatz von Milch und Milchprodukten seit 1953 sehr wesentlich gesteigert werden konnte und daß in den letzten Jahren — seitdem im übrigen Europa der Milchabsatz rückläufig ist — der Absatz von Milch und Milchprodukten in Österreich nicht nur lange gehalten, sondern zum Teil sogar gesteigert werden konnte.

Zusammenfassend kann also fest- gestellt, werden:

Die große Bedeutung der Milchwirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft geht schon daraus hervor, daß sie mit einem jährlichen Umsatz von rund zehn Milliarden Schilling etwa dem Umsatz gigantischer Stahl- konzerne entspricht.

Die Marktordnung trägt nicht nur zur Existenzsicherung der rund

170.000 Milchbauern sowie etwa

11.000 Molkereiarbeiter und Angestellten bei, sondern sichert allen Konsumenten Milch und Milchprodukte zu gleichen Preisen und in bester Qualität.

Die Preisbildung auf dem Agrarsektor kann nicht dem völlig freien Wettbewerb und damit ausschließlich dem Marktmechanismus überlassen werden. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, die wichtigsten Agrarprodukte einer Preiseregelung zu unterwerfen. Damit sind die Preisstabilität, der Schutz der inländischen Produktion sowie ein geordneter Markt für die Konsumenten garantiert. Eine Preisregelung muß aber ohne Koppelung mit einer Marktordnung oder Marktlenkung wirkungslos bleiben. Die Marktordnung ist insonderheit bei Milch, Fleisch und Getreide notwendig, zumal besonders bei der Milch infolge deren mangelnder Lagerfähigkeit die befriedigende Beschickung der Märkte nicht so wie bei jedem anderen Produkt garantiert wäre. Von der Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten gar nicht zu reden!

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