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Die Miliz stirbt nicht im Kasino
Das Verteidigungsbudget tritt auf der Stelle, der Hee- resausbau verzögert sich, Stimmen werden laut, die das Milizsystem überhaupt in Frage stellen. Wie geht’s weiter?
Das Verteidigungsbudget tritt auf der Stelle, der Hee- resausbau verzögert sich, Stimmen werden laut, die das Milizsystem überhaupt in Frage stellen. Wie geht’s weiter?
FURCHE: Herr Generaltruppeninspektor, wiederholt haben Sie įas .ßeamtensoldatentum“ in Frage gestellt. Wollen Sie Ihre Berufssoldaten aus dem Beamtendienstrecht herausnehmen?
OTHMAR TAUSCHITZ: Seit wir mit finanziellen Restriktionen größeren Umfangs kämpfen, ist der Beamte zum Angstfaktor der Budgetpolitik geworden. Jede Stunde, die er über die Dienstzeit hinaus leistet, muß gesondert vergütet werden.
Ich kann mir daher durchaus vorstellen, daß wir eine Kategorie von Soldaten schaffen, die mit der Truppe direkt verknüpft sind und die denselben Dienstrahmen wie die Grundwehrdiener haben. Dafür sollen sie mit einer Mehrdienstzulage entschädigt werden. Daneben könnte es auch Soldaten mit Beamtenstatus und Normdienstzeit ohne Überstunden geben.
Mir schwebt als Idealbild aber vor, den beamteten Soldaten überhaupt abzuschaffen. In den USA wird nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst eine Pension bezahlt. Mit diesem Geld kann sich der ehemalige Soldat weiterbilden und einen anderen Beruf anstreben. Nur: Wir sind dafür noch nicht reif. Job rotation, der Berufswechsel, ist in Amerika eine Selbstverständlichkeit — nicht
, bei uns.
FURCHE: Angesichts der starken Personalvertretung werden Sie mit diesen Vorstellungen in Österreich auf Granit beißen.
TAUSCHITZ: Das ist der Grund, warum ich meine Idealvorstellungen als Utopie qualifiziere.
FURCHE: Seit einiger Zeit werden tiefgehende Auffassungsunterschiede — auch in den höheren
Sundesheerdienststellen — über den Sinn der milizartigen Struktur unseres Bundesheeres kolportiert. Kommt vielleicht gar ein Berufsheer?
. TAUSCHITZ: Diese Frage kann ich nur mit einem entschiedenen Nein beantworten.
FURCHE: Warum dann das ganze öffentliche Gerede?
TAUSCHITZ: Seit Jahren denke ich darüber nach, in den letzten Monaten noch intensiver, weil es jetzt offenbar schlimmer geworden ist. Aber außer einem übersensiblen Verdacht in bestimmten Kreisen kann ich nichts finden, was auf eine Änderung unseres Milizheeres hindeutet.
Alle meine Mitarbeiter, auch der immer wieder verteufelte Divisionär Erich Eder, stehen voll Und ganz zur Miliz. Vielleicht spielen persönliche Rivalitäten eine Rolle, aber die kann man nun wirklich nicht ausschalten. Wenn ? sich um Gespräche im Offi- ejskasino handelt, bei denen in gehobener Stimmung in die Gegenrichtung gedacht wird, dann at dieser Tratsch auf unsere Ent- cheidung für das Milizheer keinerlei Auswirkung.
FURCHE: Der Verteidigungs- _fnister hat sich selbst Lob ge- Pendet, weil er dem Sparappell get nzTninistrs für das Bud~ 1988 am diszipliniertesten ^gekommen ist.
TAUSCHITZ: Ich habe meine Zweifel, daß mein Minister der Disziplinierteste unter seinen Regierungskollegen ist. Nach seinen Aussagen mir gegenüber - allerdings vor dem Budgetgipfel am 6. Juli — wollte er mit Vehemenz zusätzliches Geld für das Jahr 1988 verlangen, das uns wenigstens den geringfügigen Ausbau des Bundesheeres erlaubt.
FURCHE: Was bedeutet die Budgetsituation konkret für die Truppe?
TAUSCHITZ: Das, was wir haben, muß arrondiert werden. Es bleibt alles bestehen - ohne Substanzverlust. Deshalb muß beim Bundeshaushalt 1988 für uns zumindest so viel Geld zusätzlich herausschauen, daß wir nicht unseren Munitionsbestand angreifen.
Ein echter Substanzverlust hätte die Auflösung von vorhandenen Einheiten, die Schrumpfung der Miliz zur Folge. Das wird hoffentlich nicht eintreten.
FURCHE: Seit einiger Zeit verfolgen Sie die Idee einer Wehrersatzsteuer.
TAUSCHITZ: Jeder Österreicher partizipiert an allen Leistungen der öffentlichen Hand, so auch an der Sicherheit—ob die Sicherheit nun durch die Exekutive produziert wird oder durch das Bundesheer nach außen.
In anderen Ländern, vor allem auch in der Schweiz, geht man davon aus, daß jeder, der an diesen Leistungen partizipiert, auch seinen Teil beizutragen hat. Der
Wehrdiener leistet seinen Beitrag durch seinen Wehrdienst. Warum sollte derjenige, der dazu nicht befähigt ist, weil sein Körper einen ohnehin nur kleinen Schaden hat, ansonst aber voll arbeits- und erwerbsfähig ist, nicht auch seinen - in diesem Fall finanziellen - Beitrag zur Sicherheit des Landes leisten?
FURCHE: Um beim Beispiel der Schweiz zu bleiben: Dort geht die Bereitschaft der Bevölkerung, für das Militär auch finanzielle Opfer zu bringen, weit über die hierzulande üblichen Lippenbekenntnisse hinaus.
TAUSCHITZ: Die Schweiz kann auf ein gewachsenes, ungebrochenes Traditionsreservoir hinsichtlich der militärischen Sicherheit zurückgreifen. Wir Österreicher müssen noch zwei Traumata bewältigen.
Zunächst einmal hat unser Land den 1. Weltkrieg begonnen - und verloren. Nach dem 2. Weltkrieg mußten wir dann erkennen, daß es nicht richtig war, sich 1938 kampflos zu ergeben, denn der Krieg hat trotzdem über 200.000 Menschenopfer gefordert.
Nach diesen zwei Traumata kann sich eine selbstverständliche Verpflichtung zum persönlichen Beitrag für die Sicherheit nur schwer entwickeln.
FURCHE: Die Kluft zwischen den Sonntagsreden der Politiker und der politischen Praxis fällt jedenfalls auf.
TAUSCHITZ: Wir leben seit eh und je in einem Zustand der Vorläufigkeit. Damit muß jetzt Schluß gemacht werden. Wenn es die Politiker nicht verantworten können, mehr Geld für das Bundesheer bereitzustellen, dann sollen sie dies bekennen.
Das Interesse für die Sicherheit
nach außen muß das Interesse der Staatspolitik bleiben. Das Bundesheer ist bloß Vollzieher dieses Wollens.
FURCHE: Die Praxis der Rüstungsproduktion in Österreich, aber auch die Handhabung des Waffenexportgesetzes steht wiederholt unter Beschuß. Sie selbst haben in diesem Zusammenhang von einem „Gezanke über Moralität“ gesprochen.
TAUSCHITZ: Gebraucht werden Rüstungsprodukte vor allem in Krisenregionen. Und genau dorthin dürfen wir nicht liefern. Darin liegt die Unlogik.
Andererseits bringt unsere Industrie zwar hervorragende Produkte auf den Markt, allerdings zu einem hohen Preis. Und wenn die Produkte dann nicht absetzbar sind, müssen wir sie zum nor-
malen Preis aufkaufen. So ging’s uns bei den Kürassier-Panzern, und ähnliches droht uns jetzt bei der Voest-Kanone.
FURCHE: Rentiert sich in Österreich überhaupt eine eigene Rüstungsproduktion?
TAUSCHITZ: Ich denke zum Beispiel an die Entwicklung von spezifischen Verteidigungswaffen wie die „denkenden Minen“. Ein solches Projekt läuft bereits. Wo man in der Technologie an der Spitze liegt, gibt’s auch mit dem Absatz keine Probleme.
FURCHE: Immer häufiger treten Heeresangehörige mit kritischen Meinungen und Informationen an die Öffentlichkeit. Ist
das ein gutes Zeichen für eine demokratische Armee?
TAUSCHITZ: Unser System ist offen genug, um jeden Verbesserungsvorschlag eines Bundesheerangehörigen aufzunehmen, zu prüfen und zu verwirklichen. Bei jenen, die den Weg in die Medien suchen, handelt es sich zumeist um uninformierte Menschen oder solche, die bewußt falsche Informationen verstreuen. Wir haben das zum Beispiel im Fall Draken erlebt. Das Wissen um den Vertrag konnte nur eine kleine Gruppe haben - und aus dieser hat niemand den Weg in die Öffentlichkeit gesucht
Auf der anderen Seite wird man zur Kenntnis nehmen müssen, daß eine Armee nicht alles offenlegen darf. Sie macht sich sonst vor der ganzen Welt lächerlich. Wenn jeder Soldat ausplaudert, wo sein Bataillon oder Regiment liegt, dann kann auch jeder anhand von Zeitungsausschnitten unser Einsatzdispositiv nachvollziehen. Eine solche öffentlichkeitsorientierte Haltung nenne ich „moralische Desertion“.
Mit dem Generaltruppeninspektor des Österreichischen Bundesheeres, General Othmar Tauschitz, sprach Tino Teller.
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