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Die Moslems zwischen allen Stühlen

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Weder Kroaten noch Serben nehmen die vor zwei Wochen von der EG ausgesprochene Anerkennung der Integrität Bosnien-Herzegowinas zur Kenntnis. In der früheren zentraljugoslawischen Republik tobt ein Propagandakampf und ein Krieg zur Sicherung von Machtsphären.

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Weder Kroaten noch Serben nehmen die vor zwei Wochen von der EG ausgesprochene Anerkennung der Integrität Bosnien-Herzegowinas zur Kenntnis. In der früheren zentraljugoslawischen Republik tobt ein Propagandakampf und ein Krieg zur Sicherung von Machtsphären.

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Seit der Anerkennung betrachten die Moslems Bosniens die jugoslawische Armee als Besatzungstruppe. Die Bundesarmee will „bloß" die serbische Minderheit (32 Prozent der bosnischen Bevölkerung) schützen. Kroatische Freischärler, vorallem Frei willigenverbände des Großkroaten, ehemaligen Dissidenten und Theologen Dobroslav Paraga. des Vorsitzenden der „Partei des Rechts", suchen die Gegend um Kupres zu destabilisieren. Wie die Moslems (40 Prozent der Einwohner Bosniens) ihr Ziel von einem „unteilbaren Bosnien" durchsetzen wollen, ist völlig offen.

Kroatiens Präsident Franjo Tudj-man bestreitet, daß sich Kroatien in den Krieg im Nachbarstaat Bosnien einmische. Alle serbischen Medienberichte darüber nennt er „Lügen". Die Schlagzeilen der kroatischen Presse sprechen aber für sich: „Kroatische Kämpfer halten Stellung in Kupres", „Kroatische Verteidigungsarmee schlägt serbischen Aggressor in Neum", „Erbitterter Kampf um das neue Vukovar". Selbst das regierungsnahe Tagblatt „Vjesnik" spricht an keiner Stelle von bosnischen Verteidigungskräften, in denen Moslems und Kroaten gegen die Bundesarmee und serbische Freischärler den Kampf aufnehmen. Liest man diese kroatische Zeitung, hat man das Gefühl. Teile Bosniens seien „kroatisches

Territorium", das es zu „befreien" gelte. In der ideologischen Berichterstattung stehen kroatische Medien denen Serbiens in nichts nach.

Für die kritische Belgrader Tageszeitung „Borba" ist es klar, daß Zagreb wie Belgrad ein Interesse haben, eigene Truppen nach Bosnien zu verlegen. Die meisten serbischen Enklaven Kroatiens liegen an der Grenze zu Bosnien. Könnte man von bosnischer Seite her diese Enklaven von der Außenwelt ab-schirmen, so könnte man selbst wieder einen erneuten Angriff auf die „autonome Republik Krajina" wagen. Gedankenspiele, die in den Köpfen hoher Militärs trotz der Stationierung von UNO-Blauhelmen in diesen Krisenregionen noch nicht ausgeträumt sind.

Belgrad wiederum liegt daran, die serbischen Enklaven an der kroatisch-bosnischen Grenze „militärisch abzusichern" („Borba"). Nach Meinung der Zeitung sind die Kämpfe in Bosnien noch lange nicht zu Ende: „Zu viele Interessen sprechen für Krieg und keine für Frieden."

Die große Frage ist, wird sich die Mehrheitsbevölkerung der Moslems zwischen beide Stühle setzen oder mit einer der beiden Seiten eine militärisch-politische Koalition eingehen. Derzeit ist es so, daß Kroaten und Moslems auf der einen gegen die Serben auf der anderen Seite kämpfen.

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