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Die Mühlen von Maria Luggau klappern und mahlen wieder

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Uber den Anlaß der kürzlich in Maria Luggau stattgefundenen Mühlenfeier mögen uns vorerst folgende Verse eines dort vorgetragenen Gedichtes Auskunft geben:

In die leschtn Jahr ham mir, wie berichtet die .Luggauermühlen schean hergerichtet.

Des war das Wichtigste von alln, sischt warnt se uns wohl zsammeg- falln.

Und zum Schluß hieß es dann:

Mir dankn allen fleißgn Händn, de gholfen hant, es zu vollenden, und de mit Arbat und mit Gabn so selbstlos mitgeholfn habn.

Das Lesachtal war früher seiner vielen mit Wasserkraft betriebenen Mühlen wegen weit bekannt. Jeder Hof besaß seine eigene Mühle, am nahen Bach oder im Graben, die oft in großen Gruppen beisammen standen. Deren ungewöhnlich dichte Streuung verlieh diesem Kärntner Hochgebirgstal eine höchst originelle und charakteristische Note; von überall her tönte das Plätschern des Wassers, das über die Schaufelräder der Mühlen rann und die Blicke magisch anzog, als fließe dort unaufhörlich die zerrinnende Zeit über ein hölzernes Uhrwerk.

Viele Jahrhunderte waren die klappernden oberschlächtigen Radmühlen das Wahrzeichen des Lesachtales. Erst nach den Weltkriegen, als die Industrialisierung und mit -ihr die Neuzeit auch dort einzog, begann das große Mühlensterben, da nun moderne elektrische Mühlen in den Städten das mühsame Mahlen rascher und billiger besorgten. Bauemmühlen, die nicht niedergerissen wurden, verfielen immer mehr und vermorschten, bis ein Hochwasser oder die Schneemassen eines strengen Winters ihnen den Garaus machten.

Zu Beginn der siebziger Jahre standen im Lesachtal nur noch sehr wenige Bauernmühlen. Da längst nicht mehr in Betrieb, waren sie alle stark vom Zahn der Zeit angenagt. Darunter freilich auch das allerletzte Ensemble von vier Mühlen in Maria Luggau, das nach dem verheerenden Hochwasser von 1966 einen höchst traurigen Anblick bot. Die Wasserräder der Mühlen waren längst auseinandergefallen, die Urschen (Wasserzufuhrrinnen) großteils zerstört und die Blockwände sowie die moosbedeckten Schindeldächer der Gebäude wiesen beträchtliche Schäden auf. Als mit Beginn der Bachregulierungsarbeiten diesen Mühlen auch noch die Wasserzuleitung abgeschnitten wurde, begann für sie die letzte Stunde zu schlagen. Wer dieses in eine grandiose Gebirgslandschaft gestellte Mühlenensemble von Maria Luggau noch von früher kannte, dem wurde bei diesem Anblick klar, was hier bald geschehen werde. Zumal auch die Mühlenbesitzer längst keinerlei Interesse an der Erhaltung bekundeten.

Daß Werke alter Holzbaukunst, anonyme bäuerliche Volksarchitekturen einen großen, unersetzlichen künstlerischen und kulturhistorischen Wert besitzen, war noch bis vor kurzem der breiten Masse des Volkes kaum bewußt. Eine behördliche Unterschutzstellung solcher „Baudenkmäler” kam früher fast gar nicht oder nur in den seltensten Fällen zustande, da dem stets stark unterdotierten Bundesdenkmalamt die Mittel dazu fehlten.

Dieses letzte Lesachtaler Mühlenen- semble konnte damals - 1970 - nur noch eine sofort eingeleitete Eigeninitiative vor der Vernichtung retten. Mit Zeitungsaufrufen und Bildreportagen versuchte ein einzelner die Öffentlichkeit aufzurütteln und über den kulturhistorischen Wert des bedrohten Bauensembles zu informieren. Bittbriefe um Spenden für die Renovierung der Bauemmühlen folgten. Nach schier endlos scheinendem verzweifeltem Warten zeichnete sich ein erster Hoffnungsschimmer am Horizont ab. Der Landesinnungsmeister der Kärntner Zimmerleute, Gottfried Ortner, meldete am 1. April 1973, daß die Innung finanziell zu helfen bereit sei. Fast zur gleichen Zeit bot auch die Raffeisenkasse von Maria Luggau einen Geldbetrag für die Erhaltung der Mühlen an. Zur Besichtigung der Objekte, Feststellung der Schäden und Aufstellung eines Kostenvoranschlags für deren Instandsetzung wurde zwischen den bereitwilligen Spendern und dem Initiator der Rettungsaktion in Maria Luggau ein Treffen vereinbart. Die Beteiligten, die sich persönlich noch gar nicht kannten, trafen erstmals am 18. Juni 1973 in

Maria Luggau zusammen. Ein Arbeitsplan wurde aufgestellt und die Gründung eines Vereins angeregt, der an Ort und Stelle die Arbeiten leiten und überwachen sollte. Die Zimmer- manns-Innung versprach 10.000 Schil-, ling, die Raika Maria Luggau 2000.

Am 28. Oktober folgte die Gründung des „Vereins zur Erhaltung alter Wassermühlen” in Maria Luggau, dessen Mitglieder sich vorwiegend aus dortigen Bauern und Mühlenbesitzern rekrutierten. Von den ersten Spendengeldern wurde Holz gekauft und die dringend notwendig gewordenen Dachreparaturen in Angriff genommen. Die Bauern und Mühlenbesitzer waren baß erstaunt und zugleich freudig überrascht, als sie erfuhren, daß man ihren Mühlen ein so großes Interesse entgegenbrachte und daß die primitiven technischen Einrichtungen ihrer Väter jetzt urplötzlich einen so hohen Wert besitzen sollten. Mächtig stolz darauf, taten sie nun alle freudig und bereitwillig mit. Ohne zu zögern, opferten sie bald jede freie Stunde, um die Schäden an den Radmühlen so rasch als möglich zu beheben.

Was in Maria Luggau vor sich ging, konnte der Öffentlichkeit nicht lange verborgen bleiben. Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen verbreiteten die Kunde dieser bisher größten selbstlosen denkmalpflegerischen Initiative. Bald begannen weitere Spenden für die Aktion zu fließen. Die Innung stellte sich mit weiteren 23.000 Schilling ein, die Landesregierung spendete 8000, das Bundesdenkmalamt 20.000, die Raiffeisenkasse Maria Luggau weitere 3000, die Gemeinde Lesachtal 5000 Schilling, kleinere Beträge kamen von Firmen und Sommergästen.

Unter der tatkräftigen Leitung des Mühlenvereinsobmanns Leopold Lugger (selbst Besitzer einer Mühle) konnten mit den eingegangenen Beträgen nicht nur das Ensemble von vier Mühlen am Trattenbach, sondern auch noch eine fünfte Mühle, die im Gemeindegebiet von Maria Luggau stehende doppelradige Wachterbach- mühle an der Landesgrenze von Kärnten und Osttirol, wiederinstandgesetzt werden. Die Arbeiten erforderten rund tausend Arbeitsstunden, wobei 40 Festmeter ausgesuchtes Lärchenholz sowie weitere 15 Festmeter Fichtenholz verarbeitet wurden. Die wiederhergestellten Wasserzuleitungen, die Wasserbassins und die Schaufelräder konnten anschließend behördlich kommissioniert und die Hänge nach erfolgter Bachregulierung und Verbauung neu begrünt werden.

Im Frühjahr 1977, noch bevor aŲe Arbeiten beendet waren, beschloß man, das glücklich verlaufene Vorhaben mit einem volkstümlichen Fest unter freiem Himmel zu feiern, auf der Hangwiese vor den wieder wie in alten Zeiten laufenden oberschlächtigen Radmühlen mit ihrem typischen hochgestellten Mühlgerinne, und zur Musik der klappernden, wasserum- rauschten Schaufelräder. Am Sonntag, den 19. Juni, fast auf den Tag genau vier Jahre seit Beginn der Rettungsaktion, fand die Mühlenfeier statt.

Das Wichtigste, Wesentlichste und Schönste an der ganzen Sache ist die Tatsache, daß die Mühlen nach erfolgter Wiederinstandsetzung keineswegs zu toten Museumsobjekten degradiert wurden. Wie in früheren Zeiten werden sie jetzt von den Bauern und Müh- lenbesitzem voll wirtschaftlich genutzt. Es wird in ihnen wieder gemahlen: Roggen und Weizen fürs tägliche Brot sowie Hafer und andere Futtermittel fürs Vieh. Als Beweis hiefür wurden während der Mühlenfeier Säckchen mit frischgemahlenem Mehl und daraus gebackenen Bauernkrap- jfen an die Festgäste verteilt. In Maria Luggau wurde ein Idealfall gut verstandener und angewandter Denkmalpflege vorexerziert, der uns lehrt, wie die schleichende Verschandelung und Selbstzerstörung schön gewachsener Ortsbilder bekämpft werden sollte. Gezielte Aufklärungsarbeit, gepaart mit beharrlicher Eigeninitiative müßte überall dort angewendet werden, wo die Behörden zu langsam oder kaum mehr imstande sind, helfend einzugreifen.

Erfreulich ist, daß das Verständnis für die noch vor nicht allzulanger Zeit verpönt gewesenen Denkmäler alter anonymer Volksarchitektur, der man sich bisher vielfach schämte und die man systematisch zu vernichten trachtete - um die uns aber gleichzeitig die ganze Welt beneidete -, heute endlich von immer größeren Kreisen der Bevölkerung verstanden, anerkannt und gewürdigt werden.

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