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Die nächste Wende kommt bestimmt

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Das Friedrich-Funder-Institut und die Konrad-Ade-nauer-Stiftung hatten zu einem Lokalaugenschein nach Bonn, Berlin und Hamburg geladen: Was blieb von der „Wende“?

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Das Friedrich-Funder-Institut und die Konrad-Ade-nauer-Stiftung hatten zu einem Lokalaugenschein nach Bonn, Berlin und Hamburg geladen: Was blieb von der „Wende“?

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Drei Jahre nach der sogenannten Wende fällt die Bilanz neutraler bundesdeutscher Gesprächspartner überraschend einmütig aus: Eigentlich habe sich kaum etwas, zumindest nichts Wesentliches im Politik-Alltag verändert.

Das überrascht, waren doch 1982 nach fast 13 Jahren der sozialliberalen Koalition von SPD und FDP vor allem die christdemokratischen Unions-Parteien CDU und CSU angetreten, dem Land ein neues Gesicht zu geben; zuallererst in der Wirtschaftspolitik, dann aber auch gesellschaftspolitisch-moralisch.

Die Schlagzeilen der bundesdeutschen Medien präsentieren ein anderes Bild. Ministersekretärinnen werden als Ost-Agenten enttarnt, und die Arbeitslosen sind auch nicht weniger geworden, die Zahl der Arbeitssuchenden pendelt sich bei knapp zwei Millionen ein, das sind rund zehn Prozent der Erwerbstätigen.

Und in der CDU/CSU-FDP Regierungskoalition jagt ein interner Konflikt den anderen. Bundeskanzler Helmut Kohl geht es da nicht viel besser als seinem Amtsvorgänger Helmut Schmidt von der SPD.

Aber die in der Regierungsverantwortung einst heillos zerstrittenen Sozialdemokraten spüren in der Oppositionsrolle plötzlich kräftigen Rückenwind. Würde am kommenden Sonntag gewählt, die SPD wäre stärkste Partei im Bundestag, die konservativ-liberale Koalition müßte sich mit einer knappen Mehrheit zufrieden geben. Dieses Stimmungsbild zeichnen jedenfalls die Meinungsforscher.

Dennoch ist heute vieles auch anders als vor 1982. Der kleine Koalitionspartner, die Freidemokraten, brauchen nicht mehr ständig um ihre Existenz als Bundestagsfraktion zu bangen. Der neue FDP-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Martin Bangemann macht's möglich. Die Liberalen marschieren in der Wählergunst eher in Richtung zehn Prozent als unter die Fünf-Prozent-Klausel.

Die einstmals so mächtige Friedensbewegung, die Helmut Schmidt in den letzten Jahren seiner Kanzlerschaft das Leben schwer gemacht hat, ist aus der Öffentlichkeit so gut wie verschwunden. Der NATO-Nachrü-stungsbeschluß wurde von der Regierung Kohl exekutiert, die Raketen stehen auf deutschem Boden — die Friedensbewegung bewegt seither nichts mehr.

Und wenn nicht alle Anzeichen täuschen, dann haben die Grünen seit ihrem Einzug in etablierte politische Institutionen wesentlich an Anziehungskraft verloren. Ihr linker Flügel ist offenbar auf dem Weg zurück in die SPD, die ihr eher rechtes Bad Godesberger Programm bald durch ein neues, mit starken linkssozialistischen Akzenten verbrämtes Programm ersetzen wird.

Die Politik in der Bundesrepublik steht innerhalb weniger Jahre erneut an einer „Wende“.

Die christdemokratisch geführte Regierungskoalition bittet den Bürger um Geduld, verweist auf die drückende „Erblast“ der sozial-liberalen Ära und stellt die ersten Erfolge, etwa bei der Sanierung des Staatshaushalts, sowie das stabile Wirtschaftswachstum von über drei Prozent bei einer Inflationsrate von nur zwei Prozent ins Schaufenster.

Die SPD-Opposition wiederum geißelt die hohen Arbeitslosenzahlen und fordert gleichzeitig ein, was ihr allerdings in der Regierungsverantwortung auch nicht gelungen ist, zum Beispiel größere Einsparungen im üppig wuchernden öffentlichen Subventionswesen.

Die Grünen hoffen indes auf eine neue Sympathiewelle, die ihnen zumindest das Uberleben in den Parlamenten sichern soll.

Ende Jänner 1987 sind die Bundesbürger wieder zu den Wahlurnen gerufen. Der Wahlkampf für diese Bundestagswahl wird durch härtere Konfrontation gekennzeichnet sein. Und diese Wahlschlacht wird ganze 500 Tage dauern. Sie hat nämlich schon begonnen.

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