Die „neue Ordnung"

Österreich. Dieses Land wird solange zwischen Sein und Nichtsein schweben, bis eine „neue Ordnung" des Abendlandes geschaffen worden ist. In letzter Unsicherheit eigener „Existenz" muß dieses Land die Schmerzen der Geburt, die Wehen des Gebärens leidend ausstehen.

Denn dieses Österreich gleicht einem farbbunten Falter, auf dessen Gefieder der Schmelz aller Träume, Sehnsüchte und Wirklichkeiten des alten Europa liegt: Blut, Leben, Pulsschlag des schmächtigen und doch starken, weil starkfühlenden und tief erregbaren Körpers wird bestimmt durch Wärme und Kälte, Macht und Ohnmacht, Ordnungskraft und chaotisches Gären seiner Umwelt.

Dies will kein billigpoetisches Bild, sondern Versuch einer Deutung tausendjähriger Wirklichkeit und Wirk-

samkeit sein. Österreich findet sein Eigengewicht und -bewußtsein nur dann, wenn es sich in der Harmonie eines größeren Sinnzusammenhanges begreifen kann. Sein spezifisches Gewicht ist abhängig vom Gesamtgewicht einer größeren geschichtlichen Einheit, eben der Europas.

Es kommt nicht auf Größe an

Um dies möglichst klar herauszustellen: alle anderen Ländern und Völker Europas besitzen ein „spezifisches Gewicht", das sich ausgeprägt in einem ihnen eigentümlichen Volksund Staatsbewußtsein, welches merkwürdig konstant, trotzend allen Wandlungen, in sich ruht; dieses spezifische Gewicht ist dort am stärksten, dichtesten, wo die Konstanz des „Landes", die Einheit des Volkes und des Staatsbodens sich verbindet mit der Variablen der Geschichte. Dort also, wo Einheit des Landes und Eigenständigkeit seiner politischen Verfassung, seiner „Herrschaft", sich aufs engste verbinden. Dies gilt, wenn auch unter schwersten geschichtlichen Überflutungen geworden, für England, Frankreich und zumal Rußland.

Völlig falsch aber wäre die Annahme, daß Größe des „Landes" und politische „Eigenständigkeit" unbedingt erforderlich sind zur Erstellung dieses spezifischen Gewichtes als der unerläßlichen Grundlage des eigenen Volks- und Staatsbewußtsein.