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Die Neue Welt erobern

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Spricht man vom lateinamerikanischen Kino, so denkt man automatisch an Argentinien, Brasilien und Mexico. Kaum jemand weiß, daß Venezuela bereits an vierter Stelle unter den filmproduzierenden Ländern Lateinamerikas steht. 15 bis 18 Spielfilme werden dort jährlich gedreht und kommen auch beim heimischen Publikum gut an.

Dieser Erfolg resultiert aus einer staatlichen Filmförderung, die die venezolanischen Filmema- cher Anfang der siebziger Jahre durchgesetzt haben. Dennoch bleibt das Filmland Venezuela in mehrerer Hinsicht problematisch.

Obwohl es wirtschaftlich und infrastrukturell im Vergleich zu den Nachbarländern wohlhabend ist und die Kino- und Filmwirtschaft entsprechend subventionieren kann, hat es eine eigenständige, unabhängige Filmproduktion trotzdem schwer.

Dazu kommt eine extrem einseitige Kapitalverteilung auf dem Kinomarkt: zu 90 Prozent wird er von ausländischen Investoren beherrscht. Und die staatliche Filmförderung wurde 1979, als die Christdemokraten an die Macht kamen, fürs erste auf zwei Jahre wieder gestoppt.

Außerdem ist der Geschmack des Publikums wie anderswo auch in Venezuela gnadenlos. Für die Kreditvergabe gilt heute: amortisiert sich ein Film, fließt das eingespielte Geld zurück an den Geldgeber. Folglich gibt es nur Subventionen für Kassenschlager.

Lange Zeit wurde in der Dar stellung der sozialen Wirklichkeit der Gesellschaft der „american way of life“ imitiert. Erst langsam erinnert man sich seiner eigenen Identität. Knallig, spektakulär und spannend muß es zugehen. Dennoch bleiben die auf der Leinwand gezeigten Konflikte zuerst venezolanischer Natur. So zum Beispiel bei der Schilderung des Schicksals von Einwanderern aus Kolumbien, die illegal über die

„grüne Grenze“ ins Nachbarland Venezuela gelangen („Por los ca- minos verdes“ von Marilda Vera Hernandez).

Ganz anderer Art, aber ebenso kritisch ist der neueste Film von Jacobo Penzo („La cas de agua“). Der Regisseur sagt dazu: „Seit ich einen Film drehen will, in dem es ein erkennbares Bild Venezuelas geben sollte, habe ich oft an die Wüste gedacht. Ich sehe es als unwirtliches Lapd, wo die Menschen einem unerbittlichen Schicksal Und grausamer Tyrannei unterworfen sind, sich auflehnen und versuchen, eine Welt nach ihren Idealvorstellungen zu schaffen.“

Auffallend im Kreise der Filmemacher, die vereinzelte künstlerische Ausbrüche, verbunden mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Zuständen im eigenen Land wagen, die recht ansehnliche Zahl von Frauen, denen in der männerbesetzten Filmproduktion Venezuelas der Durchbruch gelang. Eine der be deutendsten heißt Fina Torres. Ihre Werke sind zweifach von der Suche nach Identität geprägt: einerseits nach der nationalen Eigenständigkeit, andererseits nach weiblicher Selbstfindung, wie ihr jüngster Film „Oriana“ beweist.

Doch den europäischen Kinobesucher erreichen diese Filme alle nicht so ohne weiteres. Das Land Venezuela, seine Menschen, seine Probleme bleiben nach wie vor befremdlich.

Ein Conquistador entsteigt in voller Rüstung dem Meer, schreitet am Strand über eine Fülle von tropischen Früchten und schiebt zwischen Palmen einen roten Vorhang beiseite: Die Neue Welt erlebt der Eroberer wie eine Theateraufführung in dieser filmischen Vision von der Geschichte Venezuelas.

Jedenfalls hat der Film in der Alten Welt bisher den größten Eindruck hinterlassen. Ihm wurde als einzigem in der Geschichte der Filmfestspiele in Cannes die Auszeichnung verliehen, zweimal offiziell eingeladen worden zu sein.

Der Regisseur sagt über seinen 1980 gedrehten Film: „Venezuela ist ein Land, das an einer schweren Identitätskrise leidet, hauptsächlich wegen seines Öls. Die Petrodollar-Mentalität hat jeden Aspekt des Lebens infiziert. Heute ist .Geld das am häufigsten benutzte Wort. Das war der Grund, weshalb ich einen Mann porträtieren wollte, dessen Leben vom Ideal der Freiheit geleitet wurde. Der Film versucht, eine Synthese der venezolanischen Gesellschaft zu sein.“

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