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Die neue „Zauberflöte“

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Im klassischen Opernrepertoire, speziell unter den sieben Meisterwerken Mozarts, gibt es zwei, die für Regisseur und Bühnenbildner leicht zum „Himmelfahrtskommando“ werden können. — Nach dem spektakulären und kostspieligen Debakel in Salzburg (bei dem man wenigstens Karajan hätte aus dem Spiel lassen sollen) hatte die Neuinszenierung der „Zauberflöte“ am vergangenen Samstagabend im Großen Haus am Ring von vornherein große Chancen, zumindest beim Publikum, das ja Bilder oder, auf dem Bildschirm, Szenenausschnitte von der Salzburger Aufführung gesehen hatte und auch durch die letzte Neuinszenierung an der Staatsoper nicht gerade verwöhnt war. Nicht ohne eine gewisse Resignation mag man sich der „Zauber- sie wird, um so gelungener erscheint.Und an die im Theater an der Wien durfte man gar nicht denken …

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Im klassischen Opernrepertoire, speziell unter den sieben Meisterwerken Mozarts, gibt es zwei, die für Regisseur und Bühnenbildner leicht zum „Himmelfahrtskommando“ werden können. — Nach dem spektakulären und kostspieligen Debakel in Salzburg (bei dem man wenigstens Karajan hätte aus dem Spiel lassen sollen) hatte die Neuinszenierung der „Zauberflöte“ am vergangenen Samstagabend im Großen Haus am Ring von vornherein große Chancen, zumindest beim Publikum, das ja Bilder oder, auf dem Bildschirm, Szenenausschnitte von der Salzburger Aufführung gesehen hatte und auch durch die letzte Neuinszenierung an der Staatsoper nicht gerade verwöhnt war. Nicht ohne eine gewisse Resignation mag man sich der „Zauber- sie wird, um so gelungener erscheint.Und an die im Theater an der Wien durfte man gar nicht denken …

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Die Schwierigkeiten der szenischen Realisierung dieses letzten Bühnenwerkes von Mozart sind schon so oft und ausführlich dargelegt worden, daß wir sie hier nicht zu rekapitulieren brauchen: die verschiedenen Sphären und „Ebenen“, auf denen die im Grunde simple Handlung spielt, die Sprüche und Widersprüche, die auch nicht gerade „einschichtige“ Musik (um nur ein Beispiel zu nennen: wie ein Meteorit, großartig und fremdartig, ragt im 12. Bild des 2. Teiles der auf Bachsche Art figurierte Choral im Duett der Geharnischten da plötzlich herein, und auch in den Priesterchören gibt es Elemente, die sich mit dem übrigen nicht so recht amalgamieren wollen).

Aber lassen wir alle diese Probleme, die Interpreten haben sich mit ihnen gründlich, vielleicht sogar mit deutscher Ubergründlichkeit auseinandergesetzt, und wer dazu Gelegenheit hat, lese das ein rundes Dutzend Seiten umfassende Interview im Programmheft nach, in dem Regisseur Joachim Herz und Bühnenbildner Rudolf Heinrich, einhellig, gewissermaßen im Duett, beteuern, sie hätten keine Silbe des Schikanederschen Textes geändert, sondern nur die beiden Sphären — die weiblich-vegetative des 1. Teiles und die vorwiegend „männliche“ der zweiten Hälfte — deutlich voneinander abzusetzen und als .dritte Kraft“ das Volk mehr ins Spiel zu bringen versucht. —■ Das Wesentlichste aber hat der unübertroffene Kenner der Alt-Wiener Volkskomödie Otto Rommel über dieses keineswegs „zusammengeflickte“ Textbuch gesagt: „Mozart und Schikaneder verfuhren nicht pragmatisch und psychologisch motivierend, sondern — im Geiste des ererbten österreichischen Bild- barock — szenisch gestaltend“. Und weiter: man möge nie außer acht lassen, daß diese Dichtung in erster Linie kein Wort- sonder ein Bild- und Tonkunstwerk ist…

Man kann den beiden Gästen Herz und Heinrich, die das Optische gestaltet und den szenischen Ablauf geregelt haben, bestätigen, daß sie sich im wesentlichen — trotz weitschweifiger Deliberationen theoretischer Natur — an das ursprüngliche und traditionelle Konzept gehalten haben. Besonders die Umsetzung der üppig-vegetativen „matriarchalischen Welt“ in phantasievolle Gebilde und Prospekte in leuchtendem Grün, Gold und Silber boten einen ästhetischen Anblick, wenn auch allzu üppig und luxuriös geraten. (Aber man inszenierte eben für die Wiener Staatsoper). Dekorativ auch die drei schön singenden Damen Lotte Rysa- nek, Gertrude Jahn und Axelle Gail in Grün, Lila und Blau sowie der bedrohliche silberschuppige Drache (statt der traditionellen Schlange). Die Königin der Nacht wurde in einem zwdebelförmigen, von innen erleuchteten, kleinen goldenen Pavillon auf die Bühne gebracht (Aus einer ebenfalls zwiebelförmigen, diesmal aber silbernen Hülle stieg später Papagena.)

Im Ganzen machte sich ein Hang zu übertriebenem Manierismus bemerkbar, der dann im zweiten Teil in Kargheit umschlug: Die Priesterszenen waren wesentlich einfacher, natürlicher, als wir sie bisher zu sehen bekamen, und die Dekoration des Welsbeitstempels fast abstrakt: zwölf etwa drei Meter hohe, mit orientalischen Schriftzeichen bedeckte Tafeln, symbolisierten das Heiligtum, und die Priesterschar war im letzten Bild bei halberleuchtetem Zuschauerraum durch eine heraufstei- gende Volksmenge ersetzt, bzw. ergänzt, wie sie auch im Schlußbild der „Meistersinger“ hätte auftreten können.

Die Besetzung aller Haupt- und Nebenrollen, einschließlich der drei als , „Genien“ auftretenden Sängerknaben, hatte durchaus befriedigendes Niveau. Nennen wir die Aus- führenden nicht in hierarchischer Ordnung, sondern etwa ihrem sängerischen Rang nach: Da wären primo loco Helen Donath als Pamina und Hans Sotin als Sarastro, XJrsula Koszuth bewältigte mit Brillanz, wenn auch nicht ganz ohne Schärfe, die bekannten halsbrecherischen Koloraturen der Königin der Nacht. Durchaus rollendeckend Horst Laubenthal als fürstlicher Prinz Ta- mino, in seinem leuchtend roten Gewand auch ein erfreulicher Farb- fleck im Grün-in-Grün. Volkstümlichen Humor versprühte, ohne zu outrieren, Heinz Holecek als Papa- geno. Ihren Aufgaben durchaus entsprechend Otto Wiener und Kurt Equiluz als „Sprecher“ sowie Karl Terkal als Monostatos. — Bereits die sauber musizierte Ouvertüre ließ Bestes erwarten, und das Zusammenwirken von Solisten, Ensemble und Orchester unter der elastischen Leitung Christoph von Dohnanyis wurde mit lebhaftem, langanhaltendem Beifall quittiert.

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