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Die Not macht nun erfinderisch

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Unsere Budgetkassen sind noch nicht erschöpft", meinte Bundeskanzler Bruno Kreisky zu Jahresbeginn und verkündete ein „Beschäftigungsprogramm" zur Errichtung eines neuen Konferenzzentrums in Wien-Kagran.

Doch Finanzminister Herbert Salcher winkte ab: Kein Geld in der Kasse, keine Chance auf billiges Geld im In- wie Ausland, wenig Lust, noch höhere Steuern einzufordern.

Nationalbank-Präsident Stephan Koren wehrt sich desgleichen gegen die Absicht der Regie-

rung, das Tempo der Notenpresse zu beschleunigen. Rien ne va plus - es geht nichts mehr.

Da kam der Kanzler mit der Botschaft vom angeblich billigen Kapital aus Nahost. Trotz eines Besuches aus Saudiarabien, blieb bis heute unbekannt, für welches Projekt die Saudis wieviel Geld zu' welchem Zinssatz zur Verfügung stellen wollen. Der Bundeskanzler aber schwieg mit vornehmer Zurückhaltung, so als sei es in seinen Kreisen nicht üblich, über derlei profane Dinge zu reden.

Als durchgesickert war, daß den Reichen aus dem Morgenland weder das Projekt gefiel noch das

Ansinnen paßte, unter den internationalen Marktkonditionen Geld an Österreich zu verleihen, begann Kreisky wieder nachzudenken und erfand die „Schatz-schein"-Finanzierung: Not macht erfinderisch.

„Wenn die Bevölkerung Vertrauen hat", so Kreisky, „wird sie sich auch beteiligen." Solche Bundesschatzscheine sollen zum üblichen Kapitalmarktsatz angeboten und können nach einigen Jahren auf die Steuerschuld angerechnet werden.

Schon Mitte der siebziger Jahre hatte der Bundeskanzler eine ähnliche Idee, die ihm damals der frühere Finanzminister Hannes Androsch und der Kreditapparat rasch austrieben. Nun beruft sich Kreisky auf US-Erfahrungen mit Schatzscheinen, die derzeit tatsächlich einen Boom erleben.

Die Amerikaner spekulierten wenigstens bis vor der Bekanntgabe eines 91-Milliarden-Dollar-

Budgetdefizits mit Schatzscheinen als Deflationsschutz und im guten Glauben darauf, daß sie nie wieder die Chance haben, eine so hohe Verzinsung ihres Geldes über so viele Jahre zu sichern.

Hinter der Schatzschein-Hausse in den USA steht freilich der Glaube an den Erfolg der „Reago-nomics", an sinkende Inflationsraten, an sinkende Zinssätze und einen steigenden Dollarkurs.

In Österreich sind solche Hoffnungen leider unbegründet. Weder gibt es Anzeichen für einen dauerhaften Aufschwung noch für ein sinkendes Inflations- und Zinsniveau und einen steigenden Außenwert des Schilling.

Hingegen sind in Österreich Staat und Wirtschaft an den Grenzen der Verschuldung und der Besteuerung angelangt. Kreiskys Schatzschein-Idee ist nur ein Symptom für diese Misere.

In Relation zu seiner wirtschaftlichen Potenz zählte Österreich 1981 zu den stärksten Nachfragern auf dem Euro-Kreditmarkt, wobei erste Anzeichen einer geänderten Einschätzung des österreichischen Kreditrisikos nicht zu übersehen sind: ,.Für internationale Banken gilt Österreich in puncto Bonität nicht mehr als erste Adresse", schrieb die deutsche „Wirtschaftswoche" schon Ende Oktober 1981.

Geld, das der Staat im In- und Ausland weder billig noch anstandslos erhält, sollen nun die Bürger dem Staat im blinden Vertrauen auf dessen weisen Umgang damit (Konferenzzentrum!) direkt zur Verfügung stellen. Die Alternative dazu, Kreisky sagt das dankenswert offen, noch höhere Steuern, also der Abgabenzwang.

Angesichts der stagnierenden Entwicklung der Einkommen und einer sehr mäßigen Sparneigung müßte das Geld für Schatzscheinkäufe dem Kapitalmarkt entzogen werden. Kreiskys neuer Schuldenplan ist demnach keine Finanzierungsalternative, im allerbesten Fall noch führte dieser Plan zu einer Umschichtung innerhalb des Kapitalmarktvolumens. Im schlimmeren Fall macht dieser Plan die Anleger noch hellhöriger und schließlich anlageasketisch.

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