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Die Österreicher und die Außenpolitik

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Das Interesse der österreichischen Öffentlichkeit an der Außenpolitik ist nach wie vor alles andere als überragend. Erste Ergebnisse eines großangelegten Forschungsprojektes-jüngst beim XVI. Außenpolitischen Gespräch in Hernstein/NÖ vorgestellt -bestätigten dies. Hier einige interessante Details aus dieser Untersuchung.

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Das Interesse der österreichischen Öffentlichkeit an der Außenpolitik ist nach wie vor alles andere als überragend. Erste Ergebnisse eines großangelegten Forschungsprojektes-jüngst beim XVI. Außenpolitischen Gespräch in Hernstein/NÖ vorgestellt -bestätigten dies. Hier einige interessante Details aus dieser Untersuchung.

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Die Frage nach den außenpolitischen Entscheidungsträgern in Österreich läßt sich verfassungsrechtlich zunächst damit beantworten, daß dem Außenministerium zumindest die Koordination und die Vertretung nach außen obliegt. In der politischen Praxis wird diese Kompetenzverteilung jedoch offensichtlich nicht so genau eingehalten.

Wichtige Bereiche der Außenpolitik werden weitgehend und wie es scheint ausschließlich vom Bundeskanzleramt vertreten, was dazu führt, daß der außenpolitische Sprecher der Regierungspartei, Zentralsekretär Fritz Marsch, von einer überragenden Rolle des Bundeskanzlers in der Außenpolitik spricht und der Meinung ist, daß die Außenpolitik auch theoretisch beim Bundeskanzler zentriert ist

Außenminister Pahr meinte, daraufhin befragt, daß es keinen Kompetenzkonflikt zwischen Bundeskanzleramt und Außenministerium gebe, da diesbezüglich gegenseitige Kontakte bestehen und der Bundeskanzler ja für die Wahrung der Regierungspolitik zuständig ist und Außenpolitik sicherlich einen Bestandteil der Regierungspolitik darstellt ...

Der Eindruck von der führenden Rolle des Bundeskanzlers herrscht auch in der Öffentlichkeit vor. Bei einer im Herbst 1981 durchgeführten Meinungsumfrage nannten 67 Prozent den Bundeskanzler und 55 Prozent den Außenminister als potentielle außenpolitische Entscheidungsträger. Auffällig bei dieser Frage war, daß auch der Bundespräsident von 21 Prozent als Teilhaber am außenpolitischen Prozeß genannt wurde, was wohl nicht ganz der Realität entspricht.

Der Bundeskanzler wurde aber nicht nur als wichtigstes Entscheidungsorgan, sondern mit 25 Prozent auch an erster Stelle als bedeutendstes Kontrollorgan noch vor dem Parlament (21%) genannt...

Die ohnehin geringe Einschätzung der Mitwirkungs- und Kontrolltätigkeit des Parlamentes im

Bereich der Außenpolitik durch die Öffentlichkeit scheint die tatsächliche Praxis noch zu überschätzen. So charakterisierte auch ein Vertreter der Opposition die Teilnahme des Parlamentes an der Außenpolitik als ein „Hin-tennachkleckern” und als Hilfsmaßnahmen ...

Die Parlamentarier führten diese geringe Einflußnahme auf die Außenpolitik aber nicht auf mangelnde Informationen zurück, sondern zeigten sich insgesamt mit dem Informationsfluß in außenpolitischen Angelegenheiten, insbesondere was das Außenamt betrifft, relativ zufrieden.

Gelobt wurde vor allem der Außenpolitische Bericht als gute Basisinformation; darüber hinaus bestand Ubereinstimmung darin, daß jeder Abgeordnete die Informationen bekomme, die er haben wolle, wobei sich in erster Linie der Rat für Auswärtige Angelegenheiten als Informationsforum bewährt hat. Die Basis für das Informationsniveau bildet daher das Interesse und die zeitlichen Möglichkeiten der einzelnen Abgeordneten. Diese beiden Komponenten bestimmen sich aber wiederum nach dem Stellenwert der Außenpolitik innerhalb der Parteien.

Die Frage, inwieweit nun von den Parteispitzen tatsächlich unterschiedlich Auffassungen zu Fragen der Außenpolitik vertreten werden, wurde übereinstimmend damit beantwortet, daß in den Grundlinien der Außenpolitik eine Gemeinsamkeit, ein Konsens gegeben sei, während sich im operativen Bereich zunehmend Konfliktzonen ergeben.

Es seien lauter kleine Mißstim-migkeiten in der Neutralitätspolitik, der Anerkennungspraxis, der PLO-Praxis, der Asylpraxis, die in ihrer Summe zu einer großen Mißstimmigkeit führen, aber nach außen versuche man, das immer wieder zu verdecken...

Das Bewußtsein der Öffentlichkeit über etwa bestehende Differenzen in außenpolitischen Haltungen der Parteien war wiederum erschütternd gering. Bei einer „Weiß-nicht”-Antwort von 39 Prozent der Befragten, nahmen zwar 46% an, daß es unterschiedliche

Auffassungen zwischen den Parteien auch in der Außenpolitikgebe — 34 % davon konnten aber kein konkretes Beispiel dafür nennen und 7 % antworteten global mit „Differenzen in den meisten oder allen Fragen”. Dazu beurteilte die Bevölkerung das außenpolitische Engagement der Parteien überwiegend als „angemessen”...

Der Partizipationswunsch der Öffentlichkeit in Fragen der österreichischen Außenpolitik ist nach den Umfrageergebnissen stark polarisiert. Ein Viertel der Befragten (28%) stimmte für mehr Einfluß- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Außenpolitik und ein Drittel (32 %) stimmte dagegen, 40 % enthielten sich dabei der Stimme.

Der Anteil der Befürworter war vor allem bei den Jungen, der Altersgruppe der 16- bis 24jährigen, mit 42% überproportional stark vertreten, was wohl auf das Phänomen, daß in dieser Gruppe unabhängig von den Sachfragen Partizipation „in” ist, zurückgeführt werden muß. Der Beweis dafür ergibt sich aus der Umfrage selbst, da gerade bei dieser Altersgruppe das Interesse an außenpolitischen Fragen eher unter dem Durchschnitt liegt.

Das Gesamtergebnis des außenpolitischen Interesses /der Öffentlichkeit muß im Kontext mit dem allgemeinen politischen Interesse gesehen werden. Nach einer diesbezüglichen Untersuchung aus dem Jahre 1980 interessieren sich 56,9 Prozent der Österreicher wenig oder gar nicht für Politik. Es verwundert daher nicht, daß das außenpolitische Interesse im Durchschnittswert nicht allzu groß ist.

Die Werte dieser Umfrage liegen allerdings mit 10 Prozent sehr interessiert, 15 % eher interessiert, 27 % mäßig interessiert, 24 % eher wenig interessiert und 24 % völlig uninteressiert unter den bisherigen diesbezüglichen Umfrageergebnissen.

Dieses Ergebnis, trotz zunehmender Konfliktslagen auch in der unmittelbaren Umwelt Österreichs, mag in engem Zusammenhang damit stehen, daß sich die Österreicher persönlich in ihrem unmittelbaren Lebensbereich von außenpolitischen Entscheidungen kaum betroffen fühlen...

Diese wie frühere Umfragen ergaben also ein geringes Interesse des Durchschnittsösterreichers an Fragen der Außenpolitik, ein noch geringeres Bewußtsein über die persönliche Betroffenheit und einen nicht allzu großen Partizipationswunsch im Bereich der Außenpolitik. Darüber hinaus ein klares Bekenntnis, daß die außenpolitische Haltung der einzelnen Parteien die Entscheidung der Befragten bei Nationalratswahlen kaum beeinflußt.

Mit der Informationstätigkeit der Medien über Außenpolitik ist man relativ zufrieden und daß die Außenpolitik derzeit weitgehend vom Bundeskanzler im Alleingang entgegen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und, ohne echte Mitwirkung und Kontrolle durch das Parlament vollzogen wird, wird nicht kritisiert.

Abweichungen von diesem Durchschnittsergebnis zeigen sich vor allem bei Befragten mit hohem Bildungsniveau, aus höheren sozialen Schichten, die mehr und „bessere” Medien konsumieren. Abweichungen ergeben sich auch bei der Jugend, die in größerem Maße aktivierbar ist...

Daraus wurde von den Mitarbeitern an diesem Projekt der Schluß gezogen, daß in erster Linie politische Bildung im allgemeinen und außenpolitische Bildung im besonderen der Hauptmangel und damit der wesentlichste Ansatzpunkt für eine verstärkte Partizipation der Öffentlichkeit an der Außenpolitik ist...

Auszüge aus dem Referat „Möglichkeiten und Grenzen verstärkter Partizipation an der österreichischen Außenpolitik”, das Renate Kicker, Universität Graz, jüngst beim XVI. Außenpolitischen Gespräch der Osterreichischen Gesellschaft für Außenpolitik im niederösterreichischen Hernstein hielt.

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