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Die Opfer hatten keine Wahl

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Während der vergangenen Wochen galt dem Schicksal der Kurden das Interesse der Weltöffentlichkeit. Einem Volk drohte die plötzliche Vernichtung. Völlig übersehen wurde in der Hektik der Berichterstattung, daß auch Araber, die im Irak leben, nach dem Golfkrieg vor einer gewaltigen Katastrophe stehen.

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Während der vergangenen Wochen galt dem Schicksal der Kurden das Interesse der Weltöffentlichkeit. Einem Volk drohte die plötzliche Vernichtung. Völlig übersehen wurde in der Hektik der Berichterstattung, daß auch Araber, die im Irak leben, nach dem Golfkrieg vor einer gewaltigen Katastrophe stehen.

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In der Provinz Kerbala allein sterben täglich 20 bis 30 Kinder unter zwölf Jahren. Sie gehen an Diarrhoe, Cholera, Typhus und anderen Infektionskrankheiten zugrunde.

70 bis 80 Prozent der arabischen Kinder gelten als krank, melden das Gulf Peace Team und das Middle East Action Network (die schon vor dem Golfkrieg in Bagdad für den Frieden arbeiteten, siehe FURCHE 1/ 1991, „Christliche .Spinner' am Golf). Zahlreiche Erwachsene haben größte gesundheitliche Probleme. Ursachen sind die Bombardements, die Wasseraufbereitungsanlagen zerstört haben, Wasserwerke funktionsuntüchtig werden ließen, Chemikalien vernichtet haben, die für die Aufbereitung des Wassers notwendig sind.

Die Zerstörung der Elektrizitätswerke während des Golfkriegs hat den Spitälern schwersten Schaden zugefügt. Die Generatoren, die nur im Notfall für ein paar Stunden den Betrieb aufrecht erhalten können, sind längst kaputt. Was die Bombardements überlebt hat, wurde im Bürgerkrieg zerstört. Häufig ist nach Angaben der im Irak tätigen Unterstützungsgruppen gar nicht feststellbar, welche Gruppe für die Zerstörung verantwortlich gemacht werden kann. Angeblich sollen das Spital von Basra aus dem Iran eingedrungende Kämpfer zerstört haben.

Es genügt, sich vorzustellen, daß in

Basra 114 Fälle von Cholera gemeldet und bestätigt worden, sieben Kinder an Cholera gestorben sind, Fälle in Kerbala und Bagdad bekannt geworden sind.um zu wissen, daß die Infektionsquote zwangsläufig um ein vielfaches höher sein muß.

300 Tennen Medikamente

Um ein wenig die Not zu lindem, hat das Gulf Peace Team bisher mehr als 300 Tonnen Medikamente, zehn Generatoren und Treibstoff in den Irak gebracht. Auch der Transport von Kriegsopfern nach Tunesien wurde organisiert, da in irakischen Spitälern nur unzureichend behandelt werden kann.

Bisher wurden 300 Betten bereitgestellt. Aktivitäten in Österreich und Deutschland sind geplant, um noch mehr Betroffene versorgen zu können. Die Kosten pro Transport belaufen sich auf rund 6.500 Schilling. Der Betrag inkludiert Transport mit Ambulanzen nach Amman, Flugtransport, ärztliche Betreuung und Nachbehandlung.

Als weitere humanitäre Hilfe ist an den Wiederaufbau des Spitals von

Kerbala gedacht. Dieses Spital war eines der modernsten im Irak. Die gesamte Einrichtung wurde während des Bürgerkriegs zerstört. Nun sind in Kerbala und Umgebung eine Million Menschen ohne ausreichende medizinische Versorgung. Menschen, die eine Operation benötigen, müssen Hunderte Kilometer transportiert werden. Der Wiederaufbau mit allen nötigen Geräten - wie EKG, EEG, Ultraschall, chirurgische Sets - und Operationssaal wird auf zwei Millionen Dollar geschätzt.

Als Hilfe für die Ärmsten der Armen ist gedacht, Familien zu finden, die Kinder finanziell unterstützen. Mit 40 Dollar je Kind pro Monat kann einem Waisenkind ausreichend geholfen werden. (Das Gulf Peace Team hat sein Konto, Nummer 300331-03342, bei der Ersten Österreichischen Sparkasse.)

Die Diskussion um die politische Lage im Irak läßt leicht vergessen, daß die betroffene Zivilbevölkerung keine Wahl hatte, sich für oder gegen den Krieg zu entscheiden. Sie ist Opfer geworden und wird noch lange nicht aus dieser Rolle entlassen werden.

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