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Die Panzer bleiben

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Der Hiniweis des tschechischen Fern-sehidirelttors im Rahmen einer Anfragebeantwortung, daß sich bezüglich der Besatziungstruppen nichts geändert habe und nichts ändern werde, ist zwar keine Sensation, imterstreicht aber, welchen dauernden politischen und militärischen Wandel der August 1968 Mitteleuropa gebracht hat. Völlig unabhängig von der politischen Entwicklung der Tschechoslowakei unter Dubček, hat die sowjetische militärische Führung damals klar erkannt, daß sie die schwerwiegendste Lücke in Ihrem mUitärdschen System — und das auf Dauer — schließen müsse. Hatten sowjetische Gruppen, getarnt als Nachschubeinheiten für Ostdeutschland, nie Polen verlassen und galten die in Ungarn stehenden sowjetischen Einheiten vorwiegend als Sicherungseinheiten für die in Österreich stehenden Besatzungstruppen, so hatten sowjetische Truppen bereits 1946 — was nachher öfters bedauert wurde — die Tschechoslowakei verlassen. Sie haben 22 Jahre später übrigens audi noch ein Gebiet besetzt, das bei Kriegsende keineswegs sie, sondern amerikanische Truppen erobert hatten, das südwestliche Böhmen zwischen Eger und dem Böhmerwald. Nachrichten der letzten Zeit, die beruhigend wirken sollten, zeigten dabei nichts anderes an, als daß aius den Besatzungstruppen eine Dauer-einrichtung geworden ist und daß man sich längst häuslich und auf Dauer eingerichtet hat, so etwa die Tatsache, daß nach der Ablösung von General Rytif Ende des vergangenen Jahres der Posten eines Regierungs-

beauftragten für Angelegenheiten der stationierten sowjetischen Truppen aufgelöst und seine Funktion auf den tschechischen Generalstab übertragen wurde. Aber auch die Tatsache, daß sowjetische militärische Einheiten als Brigadearbeiter im Wohnungsbau oder in Autofabriken eingesetzt werden und ihre Löhne gegen Lieferungen für die Besatzungstruppen verrechnet werden. Natürlich wurde neuerüch auf die Stationierung von NATO-Truppen in der Bundesrepublik verwiesen, doch galt diies ja in einem eher stärkeren Maße für die Zeit zwischen 1946 und 1968. Es muß also das sowjetische Mißtrauen gegenüber der tschechoslowakischen Armee in die sowjetischen Erwägungen mit einbezogen werden. Hier war es 1968 vor allem die Haltung des maßgeblichen Generals Prchlik, der die Sowjets beunruhigte und der bald zu den von Moskau bestgehaßten Männern zählte. Dann begab sich im Frühjahr 1969 Staatspräsident Svo-boda als Armeebefehlshaber in die wichtigsten Garnisonen, um die hier unübersehbare Unruhe zu applanieren. Die nachfolgende Säuberung wu’»de auch in der Armee hart durchigetührt, vor allem bei jenen Spitzenfunktionären, die während des Prager FrühUnigs an einem neuen militärischen Konzept für die Tschechoslowakei gearbeitet hatten. Heute herrscht zwar auch bed der Armee Ruhe, allerdinigs eine, die das sowjetische Mißtrauen für den Ernstfall waciihält. Dabei ist dieses Mißtrauen keineswegs auf die Sowjets beschränkt. Es w£tr gegenüber Generälen, Offizieren und Armee inagesamt von Anbeginn an in der KPTsch lebendig, obwohl 1948 das Nichteingreifen der von Ludwig Svoboda befehligten Armee eigentlich erst den Sieg der Kommunisten ermöglichte. So waren die bewaffneten „Volksmilizen", die 1948 in aller Eile von Josef Pavel, dem

Innenminister des Jahres 1968, su-sammengestellt worden waren, faktisch so etwas wie eine Parteimiliz, weil sie dem Parteichef unterstanden, auch wenn sie später Volksnüiliz-Generalstabschef Rudolf Horcic als „Teü der bewaffneten Streitkräfte" bezeichnete. Mitglieder dieser „Volksmil’iz" sind ausschließ-Hch Parteimitglieder, deren Waffen in den Betrieben laufbewahrt wenden. Darunter auch schwere Waffen, wie Maschinengewehre, Minenwerfer neben automatischen Handfeuerwaffen usw. Daneben gibt es eine weitere paramilitärische Ongani-sation, den „Svazarm", desseft voller Name „Organisation für die Zusammenarbeit mit der Armee" lautet. Diese 1951, also nach der kommunistischen Machtübernahme geschaffene „freiwillige Wehrorganisation der Werktätigen" widmet sich vor allem der vormilitärischen Erziehung, ihr gehörten ursprünglich alle einschlägigen Organisationen, Jugendverband, Sokol, Rotes Kreuz, Volkssportler, Radioamateure, Brieftaubenzüchter usw. als Kollektivmitglieder an. Seit 1953 gibt es nur ncxh Einizetoitgliedscbaften, die für jeden Staatshüriger ab dęijĮ. 14. Lebensjahr möglich sind. GemeinsaÄ’ mit den politischen Partędėn, d)6r Gewerkschaft und anderen Orgarid-sationen gehört „Svazarm" als Massenorganisatiom der Nationalen Front an.

Ihr Chef wurde übrigens kürzlich der eingangs erwähnte General Rytii?, der bis vor kurzem aus Verbindungs-ofliz:ier zu den sowjetischen Truppen f unigierte, was für den General kaium eine Beförderung bedeuten dürfte. Schließlich beschäftigen die Grenz-schutzeinheiten auch noch jugendliche und ehrenamtlich wirkende Helfer. Erst kürzlich haben bayrische Stellen festgestellt, daß ein Viertel aller Verletzungen der bayrisch-tschechoslowakischen Grenze auf solche „Grenzschutzhelfer" entfallen.

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