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Die Papiersidierheit

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In Bangkok steht ein sehr modernes Gebäude, das der Sitz der SEATO ist. Das Gebäude ist funktionslos geworden, seitdem zufolge der schwächlichen Haltung der SEATO im indisch-pakistanischen Konflikt Pakistan der SEATO den Rücken gekehrt hat. Die SEATO (Southeast Asia Collective Defense Treaty), gegründet am 8. September 1954 zwischen Thailand, Australien, Frankreich, Neuseeland, Großbritannien, den USA und den Philippinen (mit späterem Beitritt Pakistans) war als eine Art südostasiatischer NATO gedacht, um dem Kommunismus wirksam entgegentreten zu können. Frankreich hat seit seinem Rückzug aus Indochina keine Aufgabe mehr in diesem Militärbündnis, Großbritannien auch nicht mehr, da es sich ja aus Asien zurückgezogen hat.

Es ist bezeichnend, daß im Juni 1972 auf der SEATO-Konferenz festgestellt wurde, die Hauptaufgabe der SEATO bestehe heute in der Bekämpfung der Unterwanderung und dem militärischen Zugriff kommunistischer Staaten gesichert wird. Die USA haben solche bilaterale Verteidigungspakte mit Japan, den Philippinen, der Republik Korea (Südkorea), der Demokratischen Republik China (Taiwan) — dieser Pakt besteht trotz der US-Abmachung mit Rotchina unverändert fort — und Thailand. Großbritannien hat zweiseitige Sicherheitsvereinbarungen mit Malaysia und Singapur, die durch ein ganzes System britischaustralisch-neuseeländischer Sicherheitspakte für den pazifischen Bereich (ANZUS, ANZAM) erweitert und abgestützt sind und auch die dauernde Stationierung australischer und neuseeländischer Truppen (seit November 1971) in Singapur (ANZUK-Truppen) mit sich gebracht haben.

Scheinbar ist Japan militärisch das schwächste Glied im ost- und südostasiatischen Sicherheitssystem. Denn Japan hat zwar zufolge des von den USA ausgearbeiteten Friedensvertrader Volksrepublik China heraufbeschworen worden wäre.

Besondere Probleme stellen sich hinsichtlich der Philippinen seit der Errichtung der Diktatur durch den Präsidenten Marcos am 22. September 1972. Einst galten die Philippinen, nachdem sie von den USA die Unabhängigkeit erhalten hatten, als „Schaufenster der Demokratie“ in Südostasien. Ihre Verfassung galt als die einer präsidialen Republik. Es zeigte sich freilich, daß es dem Präsidenten Fernando E. Marcos nicht gelang, die Umtriebe der 1957 verbotenen Kommunistischen Partei zu stoppen.

Jetzt gibt es aber kein Parlament mehr (zuvor bestand das Zweikammersystem), eine Verfassungsreform soll die „neue Gesellschaft“ zum Siege führen. Es wurde das Standrecht proklamiert und die politischen Gegner sind verhaftet. Für die USA, die sich auf den Philippinen Stützpunkte ausbedungen haben und deren Staatsbürger bis 1974 nach dem Parity Act gleiche Rechte wie die Landesbürger genießen und durch den US-Sugar-Act die Philippinen wirtschaftlich vollkommen beherrschen, ist das Marcos-System eine Gefahr für fortdauernden militärischen und wirtschaftlichen Einfluß. Sie mußten daher das Marcos-Diktatur-Regiime auch nach dem 22. September 1972 stützen und das geht auch aus dem amerikanischen Senatsbericht vom 17. Februar 1973 über das Verhalten der USA zu einem aufgedeckten Komplott gegen die Regierung Marcos hervor. Im Süden der Philippinen hat sich eine mohammedanische separatistische Regierung der „Königlichen Republik Mindanao und Sulu“ unter dem provisorischen Präsidenten Datu Utdog Matalam gebildet. Kurz, die Philippinen sind ein Unruheherd geworden und das amerikanische Bündnissystem könnte dort in Gefahr geraten. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß die USA ihre Stützpunkte aufgeben werden, so wenig sie das bisher etwa bezüglich Guantanamo auf Kuba getan haben.

In diesem Zusammenhang muß man aber auch die neue Lage nach dem Vietnamabkommen über „die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung“ sehen. Es erscheint undenkbar, daß trotz der in diesem Abkommen festgelegten strikten militärischen Neutralität von Nord- und Südvietnam der amerikanische Einfluß gänzlich aufgegeben wird. Wenn man die einzelnen Artikel des Abkommens ansieht, so fällt einem ja sofort die ganze Problematik der „Wiedervereinigung“ auf, die einseitig zugunsten Nordvietnams proklamiert wurde. Nicht werden gleichberechtigte Regime und Landesteile wiedervereinigt, vielmehr nach dem Abkommen nur Südvietnam nach Nordvietnam integriert werden. Das Selbstbestimmungsrecht, welches nach einer der beiden Präambeln zum Abkommen „geheiligt“ (sacre) und unverjährbar (imprescriptible) ist, steht nur der Bevölkerung Südvietoams zu, nicht jener Nordvietnams. Dasselbe gilt von den Grundfreiheiten und Menschenrechten einschließlich der Mei-nungs-, Versammlung-, Glaubensund Pressefreiheit. Das Vietnamabkommen der so merkwürdig unterschiedlichen Partner (USA, Nord-vietraam, Südvietnam, Vietkong) trägt den Keim der künftigen Unsicherheit in sich.

Die südostasiatischen Sicherheitsprobleme werden daher noch für lange Zeit das politische Weltgeschehen überschatten, da niemand ernstlich wird glauben können, daß die USA ihre dortigen Positionen aufgeben. Täten sie dies, wäre es um den Weltfrieden wohl erst recht geschehen.

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