7036092-1989_49_05.jpg
Digital In Arbeit

Die Partner unter Druck

19451960198020002020

Die Aufgabenstellung der Sozialpartner muß und wird sich ändern. Deregulierung, Innovation, Internationa-lisierung und Umweltschutz sind die neuen Herausforderungen.

19451960198020002020

Die Aufgabenstellung der Sozialpartner muß und wird sich ändern. Deregulierung, Innovation, Internationa-lisierung und Umweltschutz sind die neuen Herausforderungen.

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht nur den etablierten Großparteien, auch den Verbänden und damit der Sozialpartnerschaft bläst seit einiger Zeit der Wind ins Gesicht. Manche Kritik, die schon vor Jahren und Jahrzehnten geäußert wurde, bricht wieder auf. Argumente pro und kontra Sozialpartnerschaft haben Heinz Kienzl

(FURCHE 42/1989) und Herbert Kohlmaier (45/1989) angebracht, wobei die Auffassungen differenziert sind und nicht auf einen einzigen Punkt gebracht werden können. Es soll nicht übersehen werden, daß Kohlmaier trotz aller Kritik die Sozialpartnerschaft nicht abgeschafft haben will, sondern eine Anpassung an gewandelte soziale Verhältnisse vorschlägt.

Immerhin wirft Kohlmaier die Frage auf, mit welchem Recht die Bürger von Staats wegen Gebilden zugeteilt werden, die sie neben ihren Mandataren ein zweites Mal repräsentieren. Eine solche Doppelvertretung sei erst recht absonderlich, wenn die Repräsentation durch die offiziellen Verbände über weite Strecken undemokratisch ablaufe.

Nun zeigt die Geschichte, daß nicht nur in Österreich die ersten bedeutsamen gesetzlichen Interessenvertretungen, nämlichdie Handelskammern, in der Aufbruchs-zeit des Liberalismus gegründet wurden, also in einer Zeit abnehmenden Staatseinflusses. Die Kammern sollten als Selbstverwaltungskörper spezifische Interessen ihrer Mitglieder artikulieren. Diese Aufgabe hat im modernen Staat, der sich in fast alle Lebensbereiche der Bürger einmischt, als Reaktion auf diese Expansion des Staates an Bedeutung stark gewonnen. Die Kammern und die freiwilligen Berufsverbände stellen dem Staat aber auch qualifizierten Sachverstand zur Verfügimg, um sachgerechte Lösungen im allgemeinen Interesse sicherzustellen. In Österreich hatten die Verbände vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg längst ihre Expertenstäbe aufgebaut, bevor etwa die Zentralstellen der Verwaltung ähnliche Wege gingen.

Zuzugeben ist, daß das Ausmaß verbandsinterner Demokratie in den einzelnen Verbänden unterschiedlich ist und jedenfalls verbessert werden könnte. Es wäre aber unrealistisch, alle Kammern und sonstigen Verbände hier über einen Leisten zu schlagen. Häufig liegt es auch an den Mitgliedern, ohnehin gegebene Chancen der Mitwirkung und Mitbestimmung in der betreffenden Organisation besser zu nutzen. Gleichwohl sollten ein Ausbau des direkten Wahlrechtes und überhaupt der unmittelbaren verbandsinternen Demokratie erwogen werden.

Die Meinung, daß die Sozialpartnerschaft Nebenregierung und Nebenparlament bedeute, ist jedenfalls derzeit nicht gerechtfertigt. Nicht selten werden in Regierung und Parlament Entscheidungen getroffen, die an der Sozialpartnerschaft vorbeigehen. Von außen her üben die Oppositionsparteien starken Druck aus. Durch den Ausbau der Parteienfinanzierungen haben die Parteien eigene Apparate aufgebaut und sind nicht mehr in dem Maße wie früher von der Expertise der Verbände abhängig.

Auch Entwicklungen spezifischer Art haben da und dort den Einfluß der Verbände auf die einzelnen Parteien reduziert. Wenn dennoch vor allem die gesetzgebenden Körperschaften nach wie vor des sachverständigen Rates der Verbände bedürfen, hängt dies unter anderem damit zusammen, daß sie - zum Unterschied von anderen Ländern - nur sehr dürftig mit Hilfsapparaten ausgestattet sind. Auch ist dem österreichischen Parlamentarismus

Lobbyismus, ausgeübt durch darauf spezialisierte Personen, fremd. Wenn in unserem Land die Verbände auch diese Funktion ausüben, hat das übrigens nicht zuletzt den Vorteil weit größerer Transparenz.

Ob und wie sich der Einfluß der Verbände und damit der Sozialpartnerschaft in Zukunft ändern wird, kann derzeit kaum gesagt werden. Gewiß ist aber die Klischeevorstellung von einer die parlamentarische Demokratie überwuchernden Sozialpartnerschaft nicht realistisch.

Die Aufgabenstellung der Sozialpartnerschaft muß und wird sich ändern. Traditionelle Aufgabengebiete, wie Preisregelung und Fondssysteme, verlieren stark an Bedeutung. Neue Herausforderungen, wie Deregulierung, Innovation, Inter-nationalisierung und Umweltschutz, müssen bewältigt werden. Zweifellos hat die Sozialpartnerschaft in letzter Zeit nicht überall befriedigend funktioniert, wofür die Pattstellung hinsichtlich der Ladenöffnungszeiten ein Beispiel sein mag.Anderseits beweisen etwa die letzten Gutachten des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen, die sich mit Umweltpolitik, EG-Anpassungsstrategien und insbesondere „Qualifikation 2000“ - einem bildungspolitischen Zentralthema -befassen, daß die Sozialpartner neue Aufgaben erkannt haben und sich ihnen stellen.

Gerade die jüngste Entwicklung in den östlichen Nachbarstaaten läßt den hohen Wert des sozialen Friedens in Österreich deutlich erkennen. Er ist vor allem der Sozialpartnerschaft zu danken. Schon aus diesem Grund soll sie aufrechterhalten werden. Daß die Sozialpartnerschaft wandlungs- und lern-fähig ist, hat sie immer wieder bewiesen. Notwendige Verbesserungen sollten umgehend in Angriff genommen werden.

Vor allem die Handelskammerorganisation kann dabei Motor sein, zumal europaweite Wettbewerbsvorteile der österreichischen Wirtschaft, wie etwa OECD-Berichte zeigen, nicht nur auf stabilen politischen Verhältnissen und einer nach wie vor leistungsfähigen und leistungswilligen Bevölkerung, sondern eben auch auf der Sozialpartnerschaft beruhen.

Der Autor ist Generalsekretär-Stellvertreter der Bundeswirtschaftskammer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung