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Die Person Christi Basis unserer Arbeit

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Vielleicht darf man es vorweg einmal so formulieren: Wir Christen haben einen großen Vorsprung vor vielen anderen, weil „Jesus Christus“ unser Programm ist. Manche Christen trifft es unerwartet, daß die Gestalt Jesu von Nazareth eine starke Faszination ausstrahlt, die dann allerdings in ganz andere als kirchliche oder „gemeindliche“ Bahnen drängt. Wie mancher Jugendleiter fühlt sich mitgerissen, wenn junge Menschen Jesus als „Superstar“ verstehen, als großen einmaligen Menschen, als Freund, als Wundermann, der aus der Geschichte gleichsam direkt Kontakt aufnimmt und zu allen Sehnsüchten und Hoffnungen spricht.

„Report“- und Unterhaltungsschreiber haben sich des fesselnden Stoffes bemächtigt und bieten in Blättern und Bestsellern keine Chri-stologie, wohl aber eine Art „Jesulo-gie“: eine rationale Jesuserklärung, die Jesus entmythisiert und ihm dabei auch das religiöse Gewand auszieht. Sie schildern ihn gern als jüdischen Rabbi mit leicht utopistischer Moralpredigt, der später griechisch-abendländisch mißverstanden wurde. Und hartnäckig wiederholen sich die Versuche, Jesus als „Revolutionär“ darzustellen, als gesellschaftskritischen oder sozialpolitischen Mahner. Ohne Zweifel reicht die geschichtliche Größe Jesu von Nazareth in eine Dimension, die aus sich mächtig ist und noch in der Verzerrung anziehend wirkt.

Es wäre also schon eine genügende Aufgabe einer Pastoraltagung, Jesus als geschichtliche Gestalt besser und vielleicht ganz „von heute“ verstehen zu helfen. Wir wollen aber Jesus Christus so betrachten, wie er uns zugänglich wird, vom Neuen Testament her. Dieses führt uns- zu seinem Werk der Gemeinschaft der Christen.

Das Neue Testament ist nicht von einem einzigen Autor verfaßt. In diesem Buche finden wir vier verschiedene Evangelien mit einer Apostelgeschichte, 21 Briefe an Gemeinden und eine Apokalypse. Es sind hier also nicht die unübertrefflichen Leitsätze eines „Großen Vorsitzenden“ mit einigen seiner Erfahrungen katalogisiert und authentisch redigiert. Im Neuen Testament hat die junge Kirche ihre Gründungsdokumente gesammelt. Sie zeugen vom Glauben an Jesus Christus und der Erfahrung, in diesem Glauben die Welt neu zu gestalten.

Zwei Grunderkenntnisse schenkt uns die Beschäftigung mit dem Neuen Testament: • In Christus hat nicht irgendein Politführer, Ideologe oder Sozialapostel zur Weltverbesserung aufgerufen. Vielmehr spricht hier die Glaubensüberzeugung, daß Gott selbst in Christus endgültig und entscheidend in die Geschichte eingreift, um auch unser Leben zu verändern. Die Kirche versteht sich in Verbindung mit Christus. Nur in der gelebten, bestätigten Glaubenserfahrung wird er selbst uns zugänglich. Von Anfang an hat Jesus auf die „Gemeinschaft“ hingewirkt, die Gemeinschaft der Kirche ergibt sich zwangsläufig aus seinem Auftreten, aus Anspruch, Absicht und Geschick Jesu: so versteht sich das Neue Testament.

• Deshalb überliefert die Kirche Christi Wort und Werk in Erzählungen und Handlungsmodellen aus ihrem eigenen Leben.

Es ist wahr, gerade in der von unserem Zeitungsstil völlig verschiedenen Erzählweise der Bibel liegt für Menschen von heute eine große Schwierigkeit. Aber diese oft seltsam „wunderhaften“ literarischen Ausdrucksweisen lassen die verschiedenen Situationen in der damaligen Gemeinde, die verschiedenen Anforderungen an die Glaubensunterweisung erkennen: hie „Katechismus“-Unterricht über das Leben Jesu und die Moral, da Gottesdienst, Gebetsunterweisung, Mahnung in konkreten Fällen, Mystik und Hymnus, „Weih-Nacht“ oder tröstender Zuspruch.

Alle Texte zeugen von Christus als dem bestimmenden, strukturierenden Gestaltungsfaktor des Glaubenslebens. Alle weisen hin auf Gott, den Vater Jesu, als den Sinn des Lebens, den Jesus erklärt. Alle bezeugen die erfahrene Kraft Gottes, den Heiligen Geist, welcher konkrete Hoffnung gegen scheinbar unüberwindliche Widerstände siegen läßt. Wort und Tat und Geschick Jesu sind nicht nur als Handlungsbeispiel geboten, sondern auch als „sakramentales“ Zeichen, das mehr ist als blasser Erinnerungshinweis. Das mächtige Wirken des Geistes Gottes wirkt hier als Quell neuen Lebens.

Wie könnte solche „christliche“ Lebensweisung und -erfahrung, die über den Tod hinaus gültig bleiben soll, in platter, kaltrationaler, bloß „historisches Geschehen“ protokollierender Sprache vermittelt werden! Gerade die verschiedenen, besonderen Erzählweisen, die zugleich Verhaltensmodelle bieten, müssen wir fruchtbar machen für unsere Seelsorge.

Die Bibel will den ganzen Menschen in das Werk Christi einführen, Verstand und Gemüt und Willen des einzelnen, zugleich jeden Christen in der Gemeinschaft. Sie tut dies durch Unterweisung und Übung, Gottesdienst, Fest, Feier, Brauch und stille Meditation, durch Mahnung und immer wieder durch Trost und Zuspruch und praktische Hilfe. Das will auch unsere Gemeindearbeit, nach dem Maßstab Jesu Christi und in der Kraft seines Geistes.

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