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Die PLO am Zug

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König Husseins Absage an die besetzten Gebiete hat bei der Mehrheit der Bevölkerung Cis-jordaniens große Verwirrung ausgelöst. Der Volksaufstand, die Intifada, geht weiter. Jeder versucht zu retten, was zu retten ist.

Anläßlich des achten Monats der Intifada gab es vergangene Woche wieder einmal einen Generaistreik. Steinbarrikaden auf den Straßen der Städte erschwerten den Verkehr. An einigen Knotenpunkten konnte man brennende Autoreifen sehen.

So war es auch in Ramallah bei Jerusalem. Doch fünf Minuten später erschien eine Militärpatrouille, wandte sich an die drei Erstbesten, die zufällig in der Nähe waren und forderte sie auf, die brennenden Autoreifen zu beseitigen. Keinerlei Diskussion wurde geduldet. Ein alter Mann - zirka 70 Jahre — und zwei junge Männer -17 bis 20—waren diesmal die Opfer, die die Hindernisse wegräumen mußten.

Inzwischen versammelte sich ein Dutzend junger Leute um uns herum: Immer wieder konnte man hören, daß die Intifada „uns endlich den Nationalstolz zurückgegeben“ hat. Wer jahrelang keinen Stolz besaß und immer nur als armer Schlucker betrachtet wurde, kann heute sagen: „Ich kämpfe um meine Freiheit.“

An der Allenby-Brücke - dem Ubergang zwischen den besetzten Gebieten und Jordanien — konnte man die Verlegenheit bemerken, die sich hauptsächlich der älteren Generation bemächtigte. Rund 21.000 Beamte haben einen Großteil ihres Einkommens eingebüßt, und viele Institutionen und Krankenhäuser wissen heute nicht mehr, wie sie morgen weitermachen sollen, wenn Jordanien seine Zahlungen einstellt.

„Ich fahre nach Jordanien wegen der Ungewißheit, was mit unseren Pässen geschieht. Derzeit sind wir — meine Frau und unsere fünf Kinder — Jordanier. Vielleicht sollten wir einen vorübergehenden Wohnsitz in Amman bei meinem Bruder angeben, um unsere Staatsbürgerschaft zu sichern. Ich habe auch Geld auf einem Konto der jordanischen Staatsbank, ob ich es dort belassen soll?“ Der Gesprächspartner ist Besitzer eines Souvenirladens in Ostjerusalem.

An der Allenby-Brücke herrschte Hochbetrieb. Alles eilte nach Jordanien, um noch vor dem 16. August, dem Tag des Inkrafttretens der Loslösung des Westjordanlandes von Jordanien, seine Angelegenheiten zu ordnen.

Jasser Ubeid, Verantwortlicher fürs Gesundheitswesen in den besetzten Gebieten, meinte: „Die Lage wird nun schwieriger werden. Die PLO will zwar einspringen und an die Stelle Jordaniens treten. Aber hat sie wirklich die Mittel dazu?“

Ein Kaufmann aus Nablus: „Ich bin zwar für die PLO und froh, daß die Intifada ausbrach. Aber ich muß auch sagen, daß wir König Hussein gegenüber undankbar sind. Ich an seiner Stelle hätte den Jordan-Ubergang geschlossen. Dann würden wir endlich verstehen, was Hussein eigentlich bedeutet.“

Jetzt hängt alles davon ab, ob die PLO eine Exilregierung bilden kann — und es wird sich zeigen, ob Arafat wirklich Freiheit bringen kann oder nur ein Uberle-benskünstler ist.

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