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Die Presse ein Glashaus

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Mit der Realität legt sich kein Politiker gern an. Doch wenn es schon sein muß, dann immer noch lieber mit der Realität von Ozon und Kohlendioxid, als mit der Marktmacht eines Mediensauriers "KroKu-WAZ". Folge: Eine unter den westlichen Industriestaaten einzigartige Pressekonzentration.

Die Enquete des Österreichischen Zeitungsherausgeberverbandes (VÖZ) "Kartellrecht und Medien in Europa" sollte Auswege aus einer Situation zeigen, die Präsident Herbert Binder beschrieb: "So sehr die VÖZ grund-sätzlich staatliche Eingriffe in den Medienbereich ablehnt, weil sie nicht mit dem hohen Wert der Pressefreiheit in Einklang stehen, so ehrlich muß die Interessenvertretung einbekennen,daß die Marktmechanismen allein die eingetretene Konzentration nicht verhindern konnten und auch nicht bewältigen können. Mehrheitlich sind die österreichischen Zeitungsherausgeber und Verleger zur Überzeugung gelangt, daß Gesetzesinitiativen notwendig wären, ohne allerdings genau zu wissen, was man sich vom Gesetzgeber wünschen soll."

Der Gesetzgeber scheint das Problem aber nicht anfassen zu wollen. Ebenso dürftig wie das Interesse an der Enquete, außer VP-Generalsekretär Helmut Kukacka war kein Politiker anwesend, präsentieren sich die Parteiprogramme (FURCHE 35/ 1990).

"Wir müssen auf einen Zug aufspringen, der längst abgefahren ist," So beschrieb Heinz Wittman, Herausgeber der Zeitschrift "Medien und Recht", die Situation im Hinblick auf den vorsichtigen Entwurf einer nachträglichen Kartellregelung nach dem Vorschlag des ÖVP-Justiz-experten Michael Graff.*

Italien erließ ein kartellrechtliches Pressegesetz sogar vor einem allgemeinen Wettbewerbsgesetz. Denn die Presse sei keine Ware wie jede andere. Es ginge um Interessen des Lesers und den Pluralismus, formulierte Sebastiano Sortino, Generaldirektor der "Federazione Ita-liana Editori Giornali", die Überzeugung der Italiener: "Die Presse muß ein Glashaus sein." Keine Beteiligung darf dazu führen, daß mehr als 20 Prozent der nationalen Auflage kontrolliert werden.

Rigoros auch Deutschland: Mit dem Pressef usionskontrollgesetz 1976 wurde eine besondere Verschärfung des allgemeinen Kartellrechts vorgenommen. Eine Fusion im Pressebereich wird nur zugelassen, wenn sich die Wettbewerbsbedingungen verbessern und dadurch Nachteile der Marktbeherrschung aufgewogen werden. "Dieser Nachweis wird einem Presseunternehmen selten gelingen", so Burkhard Schaf feld vom Bundesverband deutscher Zeitungsverleger.

Besonders wachsam werden zur Zeit die Entwicklungen in der ehemaligen DDR verfolgt, schreien die finanzschwachen ostdeutschen Verlage doch geradezu nach Übernahmen. So wurde dem WAZ-Verlag (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) nach seiner Beteiligung an der "Thüringer Allgemeinen" auch eine weitere an den benachbarten "Ostthüringer Nachrichten" untersagt. Ebenfalls nicht zögern würde Kurt Stockmann vom deutschen Bundeskartellamt, den Fall der "KroKuWAZ"-Mediaprint (das Konglomerat Kronenzeitung--Kurier-WAZ, Anm. d. Red.) zu untersuchen.

Auch in Frankreich verstärkt sich laut Laurent Dubois vom Pariser Pressesyndikat der Druck zur Konzentration. Doch 127 Titel gewährleisten noch mehr als genug die Meinungsvielfalt in der Tagespresse. Wie 114 deutsche und 90 Schweizer Tageszeitungen. Meinungsfreiheit und -Vielfalt sind Grundvoraussetzungen einer Demokratie.

Nur mehr 17 österreichische Titel bezeichnete Wittmann als äußerst bedenkliche Situation. Umso mehr, als die Mediaprint-Produkte "Kurier" und "Krone" eine Reichweite von 57,5 Prozent haben. Die "Kleine Zeitung" als größte Tageszeitung in ausschließlich österreichischem Besitz, liegt mit 10,5 Prozent am dritten Platz, die restlichen 14 Tageszeitungen erreichen weniger als ein Zwanzigstel der österreichischen Leserschaft.Wittmann zogden Schluß, daß es längst überfällig sei, das österreichische Kartellrecht zu einem wirksamen Instrument gegen Medienmonopolisierung und Marktverdrängung auszugestalten.

An der Möglichkeit rückwirkender Entflechtungen zweifelte zumindest Stockmann. Ein solcher Versuch stelle auch sein Kartellamt immer wieder vor fast unlösbare Probleme. Daß Kartellpolitik auch aktive Förderungs-politik umfassen müsse, meinte Sortino. Trotzdem nicht übersehen können wird man die Mahnung Dubois', daß es nicht gelingen könne, Pluralismus alleine über das Gesetz zu regeln. "Es ist der Markt, der Leser, der den Pluralismus der Presse trägt. Und wir, die wir interessante und informative Zeitungen machen."

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