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Die Privatspitäler als Partner

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Im Jahre 1981 haben Privatpatienten für die Sonderklasse öffentlicher und für private Krankenanstalten über 3,7 Milliarden Schilling aufgewendet. Sie sicherten sich damit — soweit es die öffentlichen Spitäler betrifft — eine „bessere Lage und Ausstattung des Zimmers" und eine individuelle Behandlung durch den Arzt ihres Vertrauens. Sie zahlten dafür Sondergebühren für den erhöhten Aufwand an die Häuser und Honorare an die behandelnden Ärzte.

Ein Teil der Zahlungen der Privatpatienten ist an private Krankenanstalten und die dort tätigen Ärzte geflossen, die den Komfortwünschen zumeist besonders entgegenkommen. Der dem österreichischen Krankenanstaltswesen insgesamt zufließende Betrag, fast ausschließlich über die Private Krankenversicherung verrechnet, überstieg die Leistungen des „Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds" (KRAZAF), dessen erklärte Aufgabe es sein soll, die Finanzierung der Krankenanstalten auf eine solide Basis zu stellen.

Die Entwicklung der Leistungen der Privaten Krankenversicherung bzw. der von ihr vertretenen Privatpatienten war in den sechziger und frühen siebziger Jahren vor allem auf einen erfreulichen Zuwachs an Interessenten an der Sonderklasse und an privaten Krankenanstalten zurückzuführen, seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eher auf den sprunghaften Anstieg der Pflege-und Sondergebühren.

In den letzten fünf Jahren mußte die Private Krankenversicherung eine steigende Inanspruchnahme stationärer Behandlung und gegenüber dem Verbraucherpreisindex überproportional gestiegene Kosten pro Fall — trotz Verkürzung der Aufenthaltsdauer — verzeichnen. Sie konnte die Prämiensteigerung durch Rationalisierungsmaßnahmen und knappste Kalkulation unter der Steigerung der Inanspruchnahme ihrer Leistungen halten — einer solchen Vorgangsweise sind aber begreiflicherweise Grenzen gesetzt. /

Die Entwicklung der Fall-Kosten ist ihrerseits vor allem auf die wachsende Differenz zwischen den Pflegegebührensätzen der Sozialversicherungsträger und den Pflegegebühren zurückzuführen, gewissermaßen die „Eintrittsgebühr". Sie muß ja vorweg erlegt werden, ehe man „berechtigt" ist, die Sonderklasse aufzusuchen — selbstverständlich gegen vollen Ersatz der dort anfallenden Kosten und gegen Bezahlung des Honorars der behandelnden Ärzte. Diese „Eintrittsgebühr" ist im Wiener Allgemeinen Krankenhaus auf das Vierfache, in anderen Spitälern unterschiedlich, zum Teil auf das mehr als Doppelte gestiegen.

Demgegenüber nimmt sich die Entwicklung der Sondergebühren, so weit sie die Hauskosten betreffen, geradezu bescheiden aus, sie sind im Vergleich zu den Pflegegebühren zum Teil eher geringfügig angestiegen, im Raum Wien sogar abgesunken. Insgesamt ergibt sich für die Zeit von 1976 bis 1982 eine Erhöhung der Belastung für die Sonderklassebenützer aus den Hauskosten bis zum Zweieinhalbfachen. Diese Entwicklung ist eine direkte Folge der bisherigen Vorgangsweise des Krankenanstalten-Zusammenarbeits-fonds, der die Sozialversicherungsträger und die Gebietskörperschaften aus der Verantwortung für die Finanzierung der Krankenanstalten nahezu vollständig entlassen hat.

Die Sozialversicherungsträger erhöhen ihre Leistungen einfach um jenen Prozentsatz, um den sich ihre Beitragseinnahmen erhöhen. Für die Gebietskörperschaften gilt die Entwicklung bestimmter Steuerleistungen als Meßgröße. Die Feststellung des Hauptverbandes der Sozialversj raquo;-cherungsträger, seine Aufwendungen für die Spitalserhaltung hätten sich seit 1976 deutlich erhöht, kann sich nicht auf die Leistungen für die stationäre Behandlung beziehen. Hier wurden offenbar Aufwendungen mit berücksichtigt, die damit nichts zu tun haben.

Die Arzthonorare haben sich im Beobachtungszeitraum im

Schnitt etwa im Rahmen der Indexentwicklung erhöht, soweit es die Ansätze in den Honorarordnungen und Honorarvereinbarungen betrifft. Dazu kommen allerdings Erhöhungen aus der Entwicklung der Medizin, der Einführung neuer Untersuchungsund Behandlungsmethoden und neuer Operationstechniken.

Aus ihrer täglichen Arbeit wissen die Privaten Krankenversicherer, daß die Belastbarkeit der Privatpatienten ihre Grenzen hat, und diese Grenzen sind zumindst in einzelnen Bereichen offensichtlich schon erreicht. Zuwächse an Versicherten können nur noch in Randgebieten verzeichnet werden, die Prämienzuwächse resultieren überwiegend aus Anpassungen —1981 waren es 60 Prozent der rund 500 Millionen Schilling Mehrprämie.

Dieses „Beinahe-Nullwachs-tum" ist leider zum Teil auch auf den Abfall langjähriger, guter Kunden zurückzuführen. Daraus ist zu erkennen, daß die Entwicklung nicht primär als Problem eines Wirtschaftszweiges anzusehen ist, nicht einmal so sehr als Problem der Krankenanstalten; es geht um menschliche Schicksale, geht um Menschen, die jahrelang, jahrzehntelang Prämien gezahlt haben, um für den Fall des Falles über die nötigen Rücklagen zu verfügen und jetzt nicht mehr weiterkönnen. Ein langjähriger Kunde schrieb uns vor einigen Wochen:

„Die Verschlechterung meiner finanziellen Verhältnisse (enorme Mietzinssteigerung durch das neue Mietengesetz, der übrigen Abgaben und Gebühren, die Kaufkraftverminderung der Pension) zwingen mich, meine Versicherungsverträge, die seit 1.3.1963 (!) bestehen, zu unserem eigenen Nachteil zu kündigen. Ich bin außerstande, die ständig sich erhöhenden Prämien weiter zu zahlen. Am 1.3.1983 werden es volle zwanzig Jahre sein, daß wir, meine Frau und ich, bei Ihnen versichert waren, ohne jemals eine Leistung von' Ihnen beansprucht zu haben."

Der Verfasser des Briefes hat 20 Jahre lang Prämien bezahlt und keine Leistung in Anspruch genommen. Diese Prämien waren nicht der Gewinn der Privatkrankenversicherer, diese Prämien haben sie in diesen 20 Jahren dazu verwendet. Krankenhauskosten für andere Versicherte zu bezahlen, deren Gesundheitszustand nicht so erfreulich gut war. Das bedeutet: Solche Kündigungen führen auch zu einer Verschlechterung der Struktur der Versichertengemeinschaft.

Nach einer Anpassung kündigen nur selten Kunden, die schon Leistungen in Anspruch genommen haben und wissen oder vermuten müssen, daß sie auch in Zukunft Leistungen in Anspruch nehmen werden. Kündigen wird der, der vermeint, schon lange genug „unnötig" bezahlt zu haben und die Versicherung auch in Zukunft nicht zu brauchen.

Will man also einen gewissen Freiraum in Sachen Gesundheit, eine gewisse Gestaltungsfreiheit der Patienten in der Frage des „Wo? Wie? Durch Wen?" einer stationären Krankenbehandlung aufrechterhalten — mehr als zwei Millionen Österreicher beweisen an jedem Monatsersten durch ihre Prämienzahlung, daß sie das wollen — , so muß die Belastung dieses doch sehr erheblichen Teiles unserer Bevölkerung raschest aus dem Grenzbereich herausgeführt werden.

Wodurch könnte das geschehen? Schon zeitgerecht vor Beginn der Budgetüberlegungen in Ländern und Gemeinden haben die Privaten Krankenversicherer an die Gesetzgeber der jeweils zuständigen Ebene die Forderung nach einem Belastungsstopp gerichtet. Ein solcher Belastungsstopp könnte durch „Einfrieren" der Gebühren erreicht werden oder aber dadurch, daß endlich die Patienten der Sonderklasse mit den Patienten der Allgemeinen Gebührenklasse gleichgestellt werden, hinsichtlich der Differenz zwischen Pflegegebührenersätzen und Pflegegebühren, denn diese Differenz muß ja in sieben von neun Bundesländern — die rühmlichen Ausnahmen sind Niederösterreich und die Steiermark — von den Sonderklassenpatienten bezahlt werden, wogegen der Patient der Allgemeinen Gebührenklasse damit nicht direkt belastet wird.

In den — in den letzten Monaten diskutierten - Vorschlägen zur Reorganisation des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds, wie sie vor allem das Bundesmini-, sterium für Finanzen mit seiner Forderung nach einem Normkostensystem zur Diskussion gestellt hat, könnten Ansätze zu erkennen sein.

An die Rechtsträger der Krankenanstalten, an die Verwaltungsleiter und die leitenden Ärzte richten die Privaten Krankenversicherer vor allem den Appell nach mehr Kostenbewußtsein und Hintanstellen von Prestige und überhitzten Komfortwünschen. Dieser Appell ist allerdings auch an die Adresse der Patienten gerichtet. Sicher ist es sehr angenehm, ein für alle Eventualitäten eingerichtetes Krankenhaus in nächster Nähe zu haben. Andererseits aber verlangen die Einrichtungen einen ungeheuren Kostenaufwand, der sich nur durch eine entsprechende Auslastung rechtfertigen läßt.

Von den Ärzten erwarten die Privaten Krankenversicherer eine weise Zurückhaltung bei Anpassungen und Erweiterungen der Honorarregelungen. Angesichts der besonderen Schwierigkeiten älterer Menschen sollte überlegt werden, ob im Wege einer speziellen Honorarregelung für Senioren eine Erleichterung geschaffen werden könnte. Sie müßte durch eine spezielle Gebührenregelung der Hauskosten ergänzt werden.

Die Private Krankenversicherung unterstützt weiters die Bestrebungen des Hauptverbandes in Richtung Aufwertung der ambulanten Behandlung. Selbstverständlich meint sie hier nicht Ambulanz, sondern die Praxen der niedergelassenen Ärzte. Entsprechende Vereinbarungen mit den Ärzten und neue Versicherungsformen könnten Erleichterungen im Krankenanstaltenwesen bringen. Von vornherein muß allerdings außer Streit stehen, daß damit Alternativen geschaffen werden sollen und nicht etwa neue, zusätzliche Einnahmequellen für einzelne Ärzte.

Um ein breiteres Angebot und damit da und dort echte Konkurrenzverhältnisse zu schaffen, denken die Privaten Krankenversicherer auch an eine verstärkte Zusammenarbeit mit privaten Krankenanstalten. Sie könnten sich sogar vorstellen, solche Krankenanstalten durch Finanzierung einzelner Abteilungen oder ganzer Häuser zu fördern. Betont sei, daß nicht an die Führung von Privatkrankenanstalten gedacht wird, sondern eben an Finanzierung und Förderung. Der Grund liegt darin, daß derartige Krankenanstalten noch echte Sonderklassen bieten.

Die beiden letztgenannten Überlegungen berücksichtigen auch den Umstand, daß in Sachen Gesundheit des öfteren nicht so sehr die Nachfrage das Angebot, sondern das Angebot die Nachfrage bestimmt. Deshalb erscheint es richtig und zweckmäßig, wenn die Private Krankenversicherung bemüht ist, gemeinsam mit der Ärzteschaft und anderen am Gesundheitswesen beteiligten Gruppen praktische Vorschläge für Alternativen zu erarbeiten, für die Aufwertung der ambulanten Behandlung, für die Einrichtung und Ausgestaltung privater Krankenanstalten, für Ausbau und Einsatz sozialer Dienste und so weiter. Dennoch dürfte auch die Nachfrage-Seite nicht außer acht gelassen werden.

Es ist doch wohl so, daß nicht nur die Kosten des Gesundheitswesens den Sozialstaat und die Privatpatienten zu überfordern drohen, auch das System selbst wird überfordert. Wir werden die Kraft haben müssen, dieser Entwicklung entgegenzutreten und den Menschen zu helfen, wieder die echten Dimensionen zu erkennen. Dies nicht zuletzt aus der, aus der täglichen Konfrontation mit schweren und schwersten menschlichen Schicksalen gewonnenen Uberzeugung, daß letztlich nicht gesetzlich-organisatorische Regelungen, sondern die innere Einstellung aller Beteiligten das Schicksal aller Bereiche des menschlichen Lebens bestimmen.

Der Autor ist Direktor der Ersten Allgemeinen Versicherungs AG

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