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Die putschwütigen Generäle

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Der versuchte Staatsstreich spanischer Militärs und Angehöriger der Zivilgarde (Guardia Civil) vom Montag vergangener Woche kam nicht gerade überraschend, schon darum nicht, weil militärische Umsturzversuche in Spanien gewissermaßen Tradition haben. Doch die spanischen Militärs jetzt insgesamt als unbelehrbare Störenfriede der Demokratisierung einzustufen, wäre dennoch vermessen.

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Der versuchte Staatsstreich spanischer Militärs und Angehöriger der Zivilgarde (Guardia Civil) vom Montag vergangener Woche kam nicht gerade überraschend, schon darum nicht, weil militärische Umsturzversuche in Spanien gewissermaßen Tradition haben. Doch die spanischen Militärs jetzt insgesamt als unbelehrbare Störenfriede der Demokratisierung einzustufen, wäre dennoch vermessen.

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Spaniens hohen Militärs war es in ihren Kasernen immer schon ein bißchen eng. Ihre Interessen richteten sich nicht allein auf die Landesverteidigung, sondern vor allem auch auf das innenpolitische Geschehen. Und paßte den selbsternannten Ordnungshütern im zivilen. Bereich etwas nicht so ganz, schickten sie zumeist ihre Soldaten auf die Straße:

So prägten denn auch Staatsstreiche, Offiziersverschwörungen und Intrigen hoher Offiziere am königlichen Hof die Geschichte Spaniens im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Generalissimo Francisco Franco machte die Armee neben der Kirche während seiner 40jährigen Diktatur zu einer der Hauptstützen des Regimes. Mit dem Auftrag, „die Einheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes, die Integrität seines Territoriums, die nationale Sicherheit und die Verteidigung der institutioneilen Ordnung zu wahren“, wies er den Streitkräften auch eindeutige innenpolitische Funktionen zu. Tatsächlich war die Armee in der Franco-Ära ja auch ein wesentlicher Bestandteil des Unterdrückungs-Apparates.

In der neuen spanischen Verfassung von 1978 steht nichts mehr von solchen innenpolitischen „Sonderaufgaben“. In Artikel 8 lautet nunmehr der Auftrag an die Militärs: „Den Streitkräften … obliegt es, die Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens zu gewährleisten und seine territoriale Integrität und verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen.“

Eine Aufgabe, die gewissen Kreisen in der spanischen Armee offensichtlich etwas zu „bescheiden“ vorkommt-vor allem der Mehrheit jener 1200 Generäle, die politisch zur extremen Rechten gehören oder noch immer überzeugte Frankisten sind.

Seit in Spanien nach dem Tode Fran- cos im November 1975 die Demokrati

sierung gemächlich einsetzte, polterte es immer wieder aus den Kasernen: Militärs, die ihre Ideale durch die sich bildende neue demokratische Ordnung gefährdet sahen, machten ihrem Unmut auch öffentlich Luft.

Der deutsche Journalist Volker Mauersberger schreibt in einer Studie über die spanische Armee, daß sich der Widerstand der Streitkräfte besonders an drei Erscheinungsformen des demokratischen Spanien entzündet habe:

„Der Widerstand artikulierte sich als hartnäckige Trotzreaktion auf das Unterfangen, das Militär von innen heraus zu reformieren und damit den Strukturen moderner Streitkräfte anzupassen; setzte sich in vehementer Kritik an einzelnen Bestimmungen der neuen spanischen Verfassung fort und entlud sich schließlich in offener Befehlsverweigerung, als die Terrorakte der baskischen Separatistenorganisation ETA Teile der spanischen Polizei und hochgestellten Mitglieder der Streitkräfte provozierten. Stets zeigte sich Spaniens Militär als eine Institution, die ihren überlieferten Status als Garant für Sicherheit lind Ordnung eifersüchtig und mit einem Anflug von Boykott-Mentalität verteidigt hat.“

Die Gerüchte über einen möglichen Putsch der Streitkräfte sind in der spanischen Öffentlichkeit in den letzten Jahren nie verstummt, wobei einige Offiziere ja auch mehr oder weniger offen die Möglichkeit eines Staatsstreiches andeuteten.

• Im November 1978 wurde der Putschplan von mehreren Offizieren bekannt, die Ministerpräsident Adolfo Suarez an seinem Amtssitz als Geisel nehmen und König Juan Carlos zwingen wollten, einen rechtsgerichteten Regierungschef einzusetzten. Kopf dieses „Unternehmens Milchstraße“ war der Guardia-Civil-Offizier Oberstleutnant Antonio Tejero, der vorige Woche

mit 300 bewaffneten Männern seiner paramilitärischen Truppe die Cortes * gestürmt und der Demokratie in Spanien ein Ende bereiten wollte.

• Ein anderer Offizier, Milans del Bosch, General der dritten Militärregion Valencia, hatte in einem Interview die Demokratie für die Arbeitslosigkeit, die wachsende Kriminalität, den Terrorismus im Baskenland und den von den Konservativen beklagten Sittenverfall verantwortlich gemacht. Derselbe General verhängte über seine Militärregion während des versuchten Staatsstreiches Anfang vergangener Woche für einige Stunden den Ausnahmezustand.

• Wieder ein anderer General, Luis Torres Rojas, damals Chef der Fallschirmjägerbrigade, erklärte einer Parlamentarier-Delegation bei einem Besuch beschwörend: „Die Armee ist ein schlafender Löwe, aber merken Sie sich: Sie ist ein Löwe.“ Er wurde ebenso wie General Milans del Bosch, der stellvertretende Stabschef des Landheeres, General Alfonso Armada, und weitere 24 Offiziere vergangene Woche unter Arrest gestellt, weil sie am Putschversuch vom 23. Februar mitbeteiligt waręn.

Doch selbst wenn Hintermänner dieses Putsches aus den höchsten Etagen der Militärhierarchie stammen, kann man sicher nicht die gesamte spanische Armee als „demokratiefeindlich und putschwütig“ verteufeln. Schließlich ist dieser Staatsstreich auch daran gescheitert, daß ein Großteil der Offiziere sich letztlich loyal zur demokratischen Ordnung in Spanien stellte und den Befehl von König Juan Carlos zur Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung befolgte.

Die gesamte spanische Armee jetzt in eine Außenseiterrolle hineinzudrängen und sie dadurch zu demütigen, wäre nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. In diesem Sinne ist die Rede von König Juan Carlos in der Militärakademie von Saragossa zu verstehen, wo er in Zusammenhang mit dem versuchten Staatsstreich nicht von „Verrat“, sondern „Unüberlegtheit“ gesprochen und Politiker wie die Medien gewarnt hatte, die moralische Verurteilung des Staatsstreiches auf die gesamten Streitkräfte auszudehnen.

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