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Die Qualen der Neutralen

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Die USA haben sich aus der UNESCO - auch als Zahler - zurückgezogen. Muß ein neutraler Staat unter allen Umständen und auch für alle Zeiten Mitglied bleiben?

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Die USA haben sich aus der UNESCO - auch als Zahler - zurückgezogen. Muß ein neutraler Staat unter allen Umständen und auch für alle Zeiten Mitglied bleiben?

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Die Mitwirkung der Neutralen — Österreich, Schweiz, Schweden und (mit einiger Einschränkung) Finnland - bei internationalen Organisationen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

Es hat sich — man könnte sagen, erfreulicherweise — herausgestellt, daß neutrale Staaten in steigendem Maße bei den internationalen Organisationen, aber auch im Falle bilateraler Konflikte als Ratgeber und in konkreten Fällen als gute Dienste Leistende, wie z. B. bei der Aufstellung militärischer Sicherheitskontingente durch die Vereinten Nationen, viel Aktives leisten können. Dies entspricht auch den Grundsätzen der österreichischen Neutralitätspolitik, die man eine aktive nennt.

Es ist dies nicht die gleiche Neutralitätspolitik wie die der Schweiz, die man, wenn man so will, als eine Absenzneutralität bezeichnen könnte. Die Schweiz ist im Gegensatz zu Österreich, Schweden und Finnland bis heute nicht Mitglied der Vereinten Nationen; für Beginn des nächsten Jahres wird aber eine diesbezügliche Volksabstimmung in der Eidgenossenschaft vorbereitet.

Eine andere Frage ist die Mitwirkung der Neutralen bei der Gruppe der sogenannten Blockfreien, das sind nichtneutrale Staaten, die aber keinem Staatsblock angehören. Diese Staaten beziehen in Einzelfällen unterschiedliche Stellungnahmen.

Eine weitere Frage ist die, ob die vier europäischen neutralen Staaten in sich einen Block darstellen. Das ist nicht der Fall. Man könnte vielleicht sagen, daß eine Blockbindung der Neutralen eigentlich dem Neutralitätsstatus widerspräche. Die Praxis zeigt aber sehr oft ein gemeinsames Vorgehen der Neutralen in bestimmten Fragen.

Aktuell ist das in letzter Zeit etwa bei der Frage geworden, ob die Neutralen bei der UNESCO (der Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen) verbleiben sollen, die sich bekanntlich gegenwärtig in großen Schwierigkeiten befindet.

Der leitende Generalsekretär ist Afrikaner und bemüht sich, mit Unterstützung der Sowjetunion die UNESCO in ein Propagandainstitut östlicher Ideen umzufunktionieren. Die Vereinigten Staaten sind daher schon ausgetreten, und eine Reihe anderer Staaten hat ihren Austritt angekündigt.

Nach jüngsten Meldungen wurde in einer Konferenz der Neutralen auf höchster Beamtenebene aber entschieden, daß die Neutralen trotz der gegebenen schwierigen Verhältnisse Mitglied der UNESCO bleiben sollen.

Die Krise in der UNESCO zeigt deutlich den west-östlichen Konflikt auf und beweist wieder einmal, daß selbst in einer internationalen Organisation, die rein wissenschaftliche und kulturelle Aufgaben hat, die Politik das Machtwort spricht.

Es wird daher Aufgabe der neutralen Mitglieder der UNESCO sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, um diese Unterorganisation der Vereinten Nationen auf ihre ursprünglichen Aufgaben zurückzuführen. Ob dies gelingen wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden und hängt nicht zuletzt auch von finanziellen Fragen ab. Die USA trugen bekanntlich bisher nicht weniger als 25 Prozent aller Kosten dieser Organisation.

Für Österreich ist dieser Beschluß der vier Neutralen insof er-ne akzeptabel, als sich ein neutrales Mitglied der Vereinten Nationen sehr genau überlegen muß, ob es seine Mitgliedschaft aufrecht erhält; es steht außer Zweifel, daß nur sehr massive Gründe für einen Austritt sprechen würden.

Position beziehen

Dazu kommt, daß der Beitrag Österreichs auf dem Gebiet der Kultur weltweite Bedeutung hat. Andererseits würde es gut sein, wenn Österreich die Bemühungen um eine Rückführung der UNESCO auf ihre ursprünglichen Aufgaben tatkräftigst unterstützte.

Österreich hat anläßlich der Staatsvertragsfeiern in Wien wieder einmal die Bestätigung erhalten, daß seine Existenz und seine Mitwirkung im Konzert der Völker nicht nur sehr begrüßenswert, sondern eine Notwendigkeit sind.

Die unter vielen Schwierigkeiten erfolgte Wiederherstellung unserer Republik hat sich, wenn man so sagen will, nicht nur für Österreich, sondern auch für die ganze Welt in höchstem Maße gelohnt.

Das bedeutet nicht, daß Österreich unter allen Umständen seine Mitgliedschaft bei internationalen Organisationen für alle Zeiten aufrecht erhalten muß. Es kann Grenzen geben, an denen es für Österreich notwendig wird, seine gesellschaftspolitisch eindeutig determinierte Position als Mitglied der westlichen demokratischen Staaten auch einmal durch das Verlassen einer internationalen Organisation deutlich zu machen.

Der Autor ist Vizekanzler a. D. und Vorsitzender des Auf sichtsrates der Creditanstalt-Bankverein.

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