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Die Rätsel von Yukatan

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Unter den rätselhaften, von Geheimnissen umwobeneri Kulturen der amerikanischen Kontinente, zählt die, Kultur der Maya wohl zu den noch am wenigsten erschlossenen. Heute wie einst. Der Hauch romantischer Phantastik, von wilden Riten, bei denen Gefangenen das Herz aus dem Leib gerissen wurde, und Blutopfern liegt noch immer über dieser Kultur, die uns im Urwald Stufen und Pyramiden, für den Europäer bizarr anmutende Palasttorbogen, monumentale Tempelanlagen, steinerne Befestigungen, riesige steinerne Schlangenköpfe, aber auch eine erlesene Keramik hinterlassen hat. Die seltsamen „falschen Gewölbe“ fallen auf, die manchmal grotesk anmutenden Kalksteinreliefs und ungewöhnlich reichen Stuckarbeiten, die üppig wuchernde ornamentale Dekorationsweise .. .Und man staunt immer wieder, wie dieses Volk der Maya bloß diese Monsterbauten schaffen konnte: Denn es kannte weder Eisen noch Maschinen noch Zugtiere, nicht einmal das Rad!

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Unter den rätselhaften, von Geheimnissen umwobeneri Kulturen der amerikanischen Kontinente, zählt die, Kultur der Maya wohl zu den noch am wenigsten erschlossenen. Heute wie einst. Der Hauch romantischer Phantastik, von wilden Riten, bei denen Gefangenen das Herz aus dem Leib gerissen wurde, und Blutopfern liegt noch immer über dieser Kultur, die uns im Urwald Stufen und Pyramiden, für den Europäer bizarr anmutende Palasttorbogen, monumentale Tempelanlagen, steinerne Befestigungen, riesige steinerne Schlangenköpfe, aber auch eine erlesene Keramik hinterlassen hat. Die seltsamen „falschen Gewölbe“ fallen auf, die manchmal grotesk anmutenden Kalksteinreliefs und ungewöhnlich reichen Stuckarbeiten, die üppig wuchernde ornamentale Dekorationsweise .. .Und man staunt immer wieder, wie dieses Volk der Maya bloß diese Monsterbauten schaffen konnte: Denn es kannte weder Eisen noch Maschinen noch Zugtiere, nicht einmal das Rad!

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Zugleich betätigte es — wie etwa die alten Bafoylonier — seine außerordentlichen mathematischen Fähigkeiten: Das Kalendersystem der Maya war dem gregorianischen überlegen; und in der Exaktheit ihrer astronomischen Berechnungen stimmt — wie sich (heute nachweisen läßt — fast alles bis auf Hundertstel und Tausendstel. Ja sie gebrauchten etwa die Null, noch ehe Europa diesen Begriff kannte...

Was weiß man also über diese Mayakultur als Teil der vorkokirn-bisdhen Kulturen im alten Mexiko?

Es gilt als anzunehmendes Faktum, daß Amerikas erste Einwohner über die Beringstraße aus Asien gekommen sind. Obwohl also die Maya in Amerika nicht Eingeborene des Kontinents waren, haben doch die großen präkoluimbischen Kulturen erst dort ihre Entstehung gefunden. Und unter diesen ist die Mayakultur die höchstentwickelte, die j den Maya den Beinamen „die Griechen Amerikas“ eingetragen hat. Angesiedelt hatten sich die Maya im südöstlichen Teil Mexikos und Teilen Zentralamerikas, also in Yukatan, Guatemala, British Honduras, El Salvador... Als Zeitrahmen kann man für ihre Kultuiiblüte 1000 v. Ohr. und 1500 n. Chr. annehmen. Die Entwicklung zur Hochfciultur ist dabei bodenständig, führte sie aus dem Jäger- und Sammlerstadium über die Phase der Kultivierung von Nutzpflanzen (vor allem des Mais), zu einfachen Ackerbauern mit 1 Brandrodungsbau und dörflichen Ansledlungen.

Gesellschaftlich gesehen, finden sich in den späteren Abschnitten der formativen oder sogenannten „vorklassischen“ Periode erste Anzeichen einer Herausbildung sozialer Klassen, und zwar Hand in Hand gehend mit einer Spezialisierung im kultisch-rituellen Bereich, wofür auch die rasche Entfaltung einer dem Zeremoniellen dienenden Architektur spricht.

Was uns heute als imposante Maya-Ruinenstädte erhalten geblieben ist, war da allerdings nicht „Stadt“ im europäischen Sinne: „Städte“ sind als Zeremonialzentren einer Priesterschicht mit weit verstreut liegenden Siedlungen der bäuerlichen Bevölkerung zu verstehen: Diese bereits in der formativen Periode geschaffenen. Grundformen haben sich über die etwa 300 n. Chr. einsetzende klassische Periode hinweg erhalten. Freilich ergeben sich dabei auch Differenzierungen: Die Entwicklung der Hochlandgruppen geriet unter dem Einfluß der Teotihuacan-Kultur des Hochtals von Mexiko keineswegs sehr spektakulär; die Tiefland-Maya dieser Epoche entwickeln hingegen jene „Klassik“, die uns heut« vorschwebt, wenn von Maya-Kultui die Rede ist. „In der Baukunst dej Tempelanlagen, in denen die theo-krätischen Herrscher einen von; Volk kaum verstandenen Kult mi1 betont kalendarischen und astronomischen Zügen ausübten, perfektioniert sich das Prinzip des .falschen Gewölbes'; Fresken, Stuckarbeiten und skulpierter Dekor ir naturalistischem Stil verliehen dei Architektur zur .technischen Solidität noch gekonnte Eleganz.“

Die „klassische Phase“ endet im südlichen Teil des Tieflandes etwj um 900 n. Ohr. mit dem Zusammenbruch der isolierten Priesterherrschaft, der offenbar das Volk di< Gefolgschaft versagte. Die Tempelzentren, die für ein höchst elitäre! Denken in strengen Kasten stehen werden verlassen, die für die Klassik so typischen Kalendersteler nicht mehr errichtet. Die einfachen Lebensform der stärker der alter Volksreligion verhafteten Landbevölkerung überdauert in die nachklassische Ära und letztlich bis in die Gegenwart von etwa zwei Millionen Maya-Erben.

Im Norden bereiten hingegen kriegerische Zuwanderer den isolierten Theokratien ein Ende. Nur im Ost-Tiefland der Halbinsel Yukatan überlebten die Stadtstaaten der Maya in nachklassischer Zeit, gerieten aber schließlich unter den Einfluß des mexikanischen Hochlands: seit etwa 1000 n. Chr. dominieren die Tolteken; nach deren Niedergang, zwischen 1200 und 1400 n. Chr., kam es von Mayapan aus zu einer kurzen Renaissance der klassischen Kultur. Als die spanischen Eroberer eindrangen, stießen sie zwar noch auf Maya-Widerstand, aber die Hoehkultur erlebten auch sie nur noch in verlassenen Tempelbezirken, in der Tradition der Eingeborenen.

Nun stellt das Wiener Museum für Völkerkunde eine beispielhafte Schau „Maya-Keramik und -Skulptur aus Mexiko“ (bis 30. September) aus, 175 Objekte aus der kostbaren Sammlung des Mexikaners Manuel Barbaohano Ponce, die aus Wiener Beständen ergänzt wurden (obwohl Wien eigentlich nur eine sehr kleine Kollektion besitzt). Es ist eine Ausstellung, die fast ausschließlich mit Keramikgefäßen und -plastiken und ein paar Architekturphotos als Anhaltspunkten eine so raffiniert hochentwickelte, ja sogar stilisierte Kultur vorzeigen will. Also in erster Linie eine Ausstellung für Kenner!

Aber sie ist so gestaltet, daß der Laie in wenigen Leitlinien sehr rasch Charakteristika entdecken kann: etwa an den zylindrischen Dreifußgefäßen der frühen Klassik den Einfluß Theotihucans auf das Maya-Gebiet oder an den weit verbreiteten Bleiglanz-Keramiken, die frühe Naehklassik usw. Den Hauptteil der Ausstellung bilden die Werke der spätklassichen Blütezeit: die handgeformten oder gemodelten Tonfiguren und die vielfarbig bemalten Keramiken mit Figurendarstellungen. Und diese Werke sind in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Denn beide Varianten spiegeln sogar materielle und“ soziale Aspekte der Lebensführung.

Die Deutung der meisten Werke wird allerdings durch viele Umstände erschwert: aus der Kolonialzeit auf uns überlieferte Kenntnisse betreffen nur die naehklassi-sche Zeit, melden nichts über die alten, längst versunkenen Theokratien. Und die ikonographische Analyse des Fundmaterials hängt mit der äußerst komplizierten Entzifferung der Hieroglyphen zusammen. Denn nur weniges hat man bisher identifizieren können: ein paar Götter etwa wie den Regengott Chac (rüsselartige Nase), der wegen seiner Bedeutung für die maisbauende Bevölkerung auch den Fall der Priesterherrschaft überlebte... Oder die Mondgöttin Ixchel konnte man identifizieren: und zwar durch ihren Begleiter, den Hasen, der eine Art „Mann im Mond“ darstellte... Ebenfalls eine sehr komplexe Rolle spielt der Jaguar, dessen sozialen und religiösen Symbolismus man jedoch nicht voll deuten konnte.

Erkennbar sind auch Angehörige der Priesterkaste und des Adels, wobei eigentlich eine sehr beschränkte Anzahl von Personentypen dargestellt wurde, die durch Schmuck, Haltung, Kleidung charakterisiert wurden (wattierte Baumwollpanzer etwa für den Krieger; Schürzen, Umhänge, Hemden&#171;, Röcke als Kleidungsstücke höhergestellter Männer). Uberreich ist vor allem die Darstellung des Schmucks, zu dem auch Körperbe-malung und Haartracht zählten. So entstand das typische Maya-Profil durch die künstliche Schädeldefor-matioh und durch die Verlängerung der Nase nach oben durch Prothesen. Große Ohrscheiben waren generell in Verwendung. Tiergestalten als Kopfputz, Helmmasken, Bänder und Federn gehörten teilweise zu den Rangalbzeichen.

Ungeklärt ist allerdings, wofür etwa die prächtigen Tonfigürchen dieser Auststellung einst dienten. Manche sind als Pfeifen,“Flöten oder Rasseln gestaltet; andere könnten als Halsschmuck getragen worden sein, manche scheinen als Grabbeigaben oder kultische Geräte gedient zu haben. Und das sind nur ein paar der Rätsel, die Yukaitans Schätze heute noch den Archäologen aufgeben.

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