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Die Regionalisierung wird kommen!

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Die neuerliche Verschiebung der Entscheidung über die Regionalisierung im Fernsehbereich stellt nun die neun Landesintendanten, des ORF vor neue Probleme. Mit dem niederösterreichischen Intendanten Ernst Wolfram Marboe führte Alfred Grinschgl das folgende Gespräch.

FURCHE: Das Kuratorium des ORF hat vergangene Woche die Entscheidung über die TV-Regionalisierung in Form einer Trennung der Sender hinausgeschoben. Ist damit die Fernseh-Regionalisierung tot oder nur scheintot?

MARBOE: Nein, das habe ich schon bei der Befragung der neun Landesintendanten durch die Hörer- und Sehervertretung vor wenigen Tagen betont: Daß die Regionalisierung - hier gibt es ja Wortver-mantschungen, die einen sprechen von Lokalisierung, die anderen von Regionalisierung als» Aufteilung des Kanals 2, verbunden mit dem Schlagwort der Sendertrennung, kommen wird. Es ist in der Regionalisierung ein Prozeß eingeleitet, der irreversibel ist, den man verzögern kann - aber nicht aufhalten.

FURCHE: Vor wenigen Wochen hat das Studio Niederösterreich die ersten Geräte einer TV-Ausstattung bekommen, die es in die Lage versetzen würde, in mobiler und bürgernaher Form Ereignisse im Lande auch für das Fernsehpublikum aufzubereiten. Ist es nicht schade um diese Investitionen, wenn die Landesstudios die ohnehin vorhandenen Möglichkeiten nicht optimal ausschöpfen können?

MARBOE: Ja, dazu muß ich sagen, daß wir gewillt sind, diese Möglichkeiten voll auszuschöpfen ... allerdings jetzt natürlich für das zentrale Programm wie etwa das tägliche Österreich-Bild, die Serie ö 9 oder im nächsten Jahr der Club Regional am Samstag.

FURCHE: Kommt es aber nicht einer Bevormundung gleich, wenn die Landesstudios ihre Beiträge im zentralen Fernsehstudio abliefern müssen, dort aber erst entschieden wird, was für die Fernseher gut ist und was nicht?

MARBOE: Ja, das ist ja einer der gravierenden Punkte. Wir Landesintendanten sind selbstverständlich der Ansicht, daß uns jenes Vertrauen entgegengebracht werden muß, das wir vom Gesetz her und von der Organisationsform des ORF her im Hörfunk besitzen, nämlich für den Teilbereich der lokalen Berichterstattung des Bundeslandes voll verantwortlich und zuständig zu sein. Im Fernsehen soll all das auf einmal nicht möglich sein. Man spricht von einer „Spielwiese der Landeshauptleute“, einer „ferngesteuerten Produktion“ -Vorwürfe, die polemischen Charakter haben und die man wirklich rigoros zurückweisen muß.

Wenn an die Journalisten im ORF das dauernde Mißtrauen herangetragen wird, daß Sie nicht wie ein Arzt oder ein Verkehrspolizist in redlicher Ausübung der Pflicht ihre Funktion handhaben, dann wird ein ganz wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Demokratie - nämlich die Kommunikation zwischen den Menschen - schwer angeschlagen. Und wohin das führt, das kennen wir aus totalitären Systemen, und je totalitärer ein System war, desto mehr hat es versucht, die Medien zu diskriminieren und gleichzeitig in den Griff zu bekommen.

FURCHE: Sind es also doch machtpolitische Erwägungen, die dazu veranlaßt haben, den Landesstudios Steine in den Weg zu legen? Oder ist die TV-Regionalisierung aus finanziellen Gründen nicht möglich?

MARBOE: Die Sachprobleme sind zu beantworten, sind aufzuklären. Dies ist nicht nur in zwei Dokumentationen des Herrn Generalintendanten und in den demokratischen Gremien unseres Hauses, zum Beispiel der Landesintendanten-Konferenz, geschehen. Das ist die seit Jahren gewachsene Arbeit im Hause. Wenn der Generalintendant vor das Kuratorium getreten ist mit der Uberzeugung, daß diese Sendertrennung sachlich richtig ist, so ist das nicht seine Phobie, sein einsamer Entschluß, sondern ein im ORF über Jahre erarbeitetes Konzept, das nebenbei schon in vollem Gange ist - in seinen Anfängen.

FURCHE: Liegen die Landesintendanten in Sachen Regionalisierang mit dem Generälintendanten auf einer Linie?

MARBOE: Völlig! Das haben die Landesintendanten in einer Resolution und auch in dem Hearing vor der Hörer- und Sehervertretung zum Ausdruck gebracht. Das ist ja irgendwo für den politischen, Beobachterejueseizvolle Situation, .daß. die Minderheitsfraktion im Kuratorium, nämlich die ÖVP, mit dem von ihr seinerzeit striktest abgelehnten Generalintendanten in der Sache einer Meinung ist, daß die querfeldein den verschiedenen Fraktionen angehörigen Landesintendanten und daß vor allem, was noch interessanter ist, die Betriebsratsobmänner des ORF und der Zentralbetriebsrat sowie die Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe in einer Linie stehen.

FURCHE: Wie groß ist die derzeitige Einsatzbereitschaft im Studio Niederösterreich für eine eigenständige TV-Produktion - in Sendeminuten ausgedrückt?

MARBOE: Durch die momentane Situation, daß im Kuratorium keine Einigung über die Fortführung dieser auf die Sendertrennung hinzielenden Entwicklung besteht, ist natürlich unsere Situation auch eine erschwerte. Erstens nimmt es einiges vom Verve und von dem notwendigen Elan, der von den Mitarbeitern bei einem Projekt dieser Größenordnung erwartet werden muß. Der zweite Teil ist, daß natürlich sö eine Grundsatzentscheidung ihre Schatten auch auf die detailorganisatorischen Bereiche wirft. So gesehen sind unsere Zielsetzungen bescheiden. Nur der Genügsame ist reich.

Wir haben nie eine größenwahnsinnige Konzeption in der Regionalisierung vor Augen gehabt. Wir haben nie vor Augen gehabt, daß jetzt sechs Stunden lokales Fernsehprogramm vom Studio Niederösterreich gesendet wird. Dazu werden wir nicht einmal in Jahrzehnten die Voraussetzungen besitzen. Wir wollen die Bürgernähe, die Nähe zum Menschen im Land. Es gibt einfach viel mehr Wesentliches und Wertvolles in den neun Bundesländern, worüber berichtet werden könnte.

Und jetzt zur Frage der Quantität: Uns ist nie ein Gleichziehen mit dem Hörfunk vorgeschwebt, weil das eben nicht geht. Wir denken vielmehr an ein Ausmaß von täglich zehn bis dreißig Minuten.

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