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Die Rehabilitierung der Schweine

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Der amerikanische Autor William Hedgepeth hat ein Buch über Schweine veröffentlicht, in dem er versucht, die seit Jahrtausenden beschmutzte Ehre dieser borstigen Vierbeiner reinzuwaschen. „Hunde sind kriecherisch”, sagt Hedgepeth, „Katzen herablassend, aber Schweine schauen dir treu ins Auge und behandeln dich wie ihresgleichen.”

Dies Letztgenannte - daß Schweine bereit sind, den Menschen als ihresgleichen zu betrachten - spricht zwar nicht so sehr für ihren Verstand, dafür aber für ihre Bescheidenheit und Großzügigkeit. Die Menschen selbst sind weit davon entfernt, andere Menschen als ihresgleichen zu sehen, um so mehr müßten sie einer fremden Art, also den Schweinen, für diese Anerkennung dankbar sein.

Andererseits ist dies vielleicht der Grund, weshalb der Mensch diese sympathischen Tiere nicht nur vernichtet, sondern auch mit Verachtung verfolgt. Der Mensch mag es nicht, mit anderen Tieren verglichen zu werden, einige große Raubtiere ausgenommen, die wegen ihrer Stärke, Gefräßigkeit und Gefährlichkeit als edel gelten. Er mag es zum Teil aus Anmaßung nicht, zum Teil aus Furcht vor dem Vergleich. Der Vergleich mit dem Schwein kann für den Menschen besonders unangenehm werden. Wie bekannt, ist der Organismus dieser Tiere dem menschlichen sehr ähnlich. Und sie gehören zusammen mit dem Menschen zu den wenigen Tieren, die so intelligent sind, alles zu fressen, was die Natur bietet.

Wie kann sich der Mensch auf einen Vergleich mit Lebewesen einlassen, von denen der Autor Hedgepeth behauptet, daß sie „sauber, ehrenhaft und anständig” sind?

Ungeachtet des biblischen Rats, man solle keine Perlen vor die Säue werfen, will Hedgepeth eine „Schweine-Akademie” gründen, wo die Vierbeiner nicht nur mit gutem Fressen, sondern auch mit Musik und Poesie bedient werden sollten. Ich will nicht mit dem Bibelspruch dieses Unternehmen in Angriff nehmen. Vielleicht war der Spruch anders gemeint, als er ausgelegt wird - daß Perlen nämlich ein ganz nutzloses Klunkerzeug sind, das nur den Menschen blenden und ein intelligentes Tier nicht interessieren kann.

Das Unterfangen ist aber gefährlich. Der Initiator der Schweine-Akademie sagt mit Recht, daß Schweine bisher „intellektuell nie stimuliert worden sind wie andere Tiere”. Das mag gute Gründe haben. Denn - was, wenn es sich zeigt, daß das Borstenvieh mehr Verständnis für Musik und Literatur hat als die Menschen? Was dann? Kann man denn ein feinfühliges, musikalisch und literarisch gebildetes Wesen zu Schnitzeln und Schinken verarbeiten?

Ja, das ist das Problem. Solange wir Schweine essen, können wir sie nicht rehabilitieren. Es ist natürlich ein schrecklicher Gedanke, daß wir möglicherweise die intellektuelle Elite der Tierwelt vertilgen. Aber - soll man deshalb auf Spanferkel und Schnitzel verzichten? Der eigene Magen war dem Menschen schon immer näher als die Gerechtigkeit.

Wenn die Schweine tatsächlich so intelligent sind, wie William Hedgepeth behauptet, müssen sie verstehen, daß sie erst dann rehabilitiert werden, wenn sie die Macht an sich reißen und den Menschen nicht mehr als ihresgleichen, sondern als Fraß betrachten. Sie sind ja auch Allesfresser.

Eins würde mich noch interessieren: Wie steht Herr Hedgepeth zum Schweinebraten?

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