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Die Republik als Besitzer

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Am 26. Juli 1946, vor 40 Jahren, beschloß der Nationalrat das 1. Verstaatlichungsgesetz. Zeitzeugen erinnern sich: Die Verstaatlichte wurde als Tugend in der Not geboren.

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Am 26. Juli 1946, vor 40 Jahren, beschloß der Nationalrat das 1. Verstaatlichungsgesetz. Zeitzeugen erinnern sich: Die Verstaatlichte wurde als Tugend in der Not geboren.

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Gemäß Beschluß der Potsdamer Konferenz vom August 1945 wurde alles Eigentum des Deutschen Reiches, seiner Institutionen, der NSDAP und aller Personen, die am 8. Mai 1945 reichsdeut-sche Staatsbürger gewesen sind, außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches beschlagnahmt.

Als Motivation wurde angegeben, daß dies eine erste Maßnahme sein sollte, um die später zu re-

gelnde Frage allfälliger, durch den Krieg verursachter deutscher Reparationsleistungen gewissermaßen vorwegzunehmen.

Vorwegzunehmen ist auch, daß Österreich diese Maßnahme der Alliierten niemals anerkannt hat, weil nach unserer Auffassung sich Österreich nicht im Krieg befunden hat. Die Republik Österreich bestand zwischen 1938 und 1945 nicht, denn das Land war von Deutschland okkupiert und dem Deutschen Reich eingegliedert worden.

Ein Land, das aber nicht existiert, kann nach völkerrechtlichen Grundsätzen weder einen Krieg führen noch sich an einem solchen beteiligen.

Um für diese Rechtsauffassung eine gesetzmäßige Basis zu schaffen, wurde das Verstaatlichungsgesetz am 26. Juli 1946 vom Parlament beschlossen.

Dieser Beschluß war allerdings zunächst eine Lex imperfecta, das heißt, ein Gesetz, das nicht in Rechtskraft treten konnte, weil die Besatzungsmächte .ihre Ansprüche gemäß Potsdamer Ab-' kommen nicht aufgegeben haben.

Wohl erklärten die westlichen Besatzungsmächte, daß eine endgültige Regelung des in ihren Besatzungszonen befindlichen sogenannten Deutschen Eigentums erst mit einem künftigen Friedens- oder Staatsvertrag erfolgen solle, während die sowjetische Besatzungsmacht zu einer solchen Erklärung nicht bereit war.

Das wirkte sich auch beim Abschluß des Staatsvertrages von 1955 dahingehend aus, daß die westlichen Alliierten auf ihren Entschädigungsanspruch für das „Deutsche Eigentum“, das in ihren Besatzungszonen längst unter österreichischer Verwaltung gestanden ist, verzichteten, während das in der sowjetischen Besatzungszone befindliche „Deutsche Eigentum“ durch hohe Geldbeträge und im Erdölsektor durch Naturallieferungen abgelöst werden mußte.

Soweit die juristische Seite.

Es wird nun immer wieder die Frage gestellt, ob die Rückführung des „Deutschen Eigentums“ in den Besitz der Republik Österreich notwendig war, wurden doch damit gesellschaftspolitische Weichen gestellt, deren ganz bedeutende Konsequenzen heute noch bestehen.

Eine andere Frage ging dahin, wieso die ÖVP, die damals die absolute Mehrheit im Nationalrat hatte, einem Gesetz zustimmen konnte, das die Sozialisierung namhafter Industriebetriebe sowie der Creditanstalt und der Länderbank bedeutete.

Nun, die Antwort auf beide Fragen ergibt sich aus den eben geschilderten Umständen. Man wollte und mußte die Nichtanerkennung des Begriffes „Deutsches Eigentum“ legistisch und damit auch sehr spektakulär festhalten.

Das aber konnte nur geschehen, indem man die Republik zum Ei-

gentümer erklärte. Denn eine Rückgabe an die früheren deutschen Eigentümer war unmöglich und ist im übrigen auch im Staatsvertrag verboten.

Das Verstaatlichungsgesetz von 1946 war also im wesentlichen ein Re-Austrifizierungsakt, der aus der gegebenen Situation notwendig gewesen ist. Darüber gab es auch in der ÖVP keinen Zweifel.

Die Verstaatlichung der beiden Banken, das heißt die Übernahme der Aktienpakete in den Besitz der Republik, hatte allerdings andere Konsequenzen.

Während zur Ausübung der Anteilsrechte des Bundes an den verstaatlichten Industrieunternehmungen die österreichische In-dustrieverwaltungs-Gesellschaft m.b.H. (heute: österreichische Industrieverwaltungs-Aktienge-

Seilschaft - öl AG) geschaffen wurde, die der juristische Eigentümer der Aktien ist, blieben die Aktien beider Banken im unmittelbaren Besitz der Republik,. und der Bundesminister für Finanzen ist der Vertreter des Aktionärs Republik Österreich.

Im Jahre 1957 wurden je 40 Prozent der Aktien von Creditanstalt und Länderbank verkauft, sodaß sich der Besitz der Republik auf je 60 Prozent des Grundkapitals vermindert hat.

Bei den Banken ist die Republik nach den einschlägigen Gesetzen auf die Rechte eines (Haupt-) Aktionärs beschränkt, während die ÖIAG auf Grund der gesetzlichen Kompetenzen gewissermaßen als Führungsorgan der verstaatlichten Industrieunternehmungen angesehen werden kann.

Der Vollständigkeit halber muß man beim Kapitel „verstaatlichte Industrie“ auch noch die sogenannten Konzernbetriebe der Creditanstalt und Länderbank erwähnen, wobei die Stellung der Banken auch nur die eines Aktionärs ist.

Staatsbesitz an den Produktionsmitteln ist ein Prinzip kommunistischer Staatsordnungen, was natürlich nicht besagt, daß man sich in Österreich zu solchen Grundsätzen bekennt. Wohl aber ist die Auffassung zwischen den beiden großen Parteien eine merklich unterschiedliche, was bereits bei der Beschlußfassung über das 1. Verstaatlichungsgesetz deutlich zum Ausdruck gekommen ist.

In der Parlamentsdebatte drückte der damalige Sprecher

der SPÖ-Fraktion, der spätere Sozialminister Anton Proksch, den Wunsch aus, daß diesem Gesetz noch andere in vielen Wirtschaftsbereichen folgen mögen, während sich die ÖVP allein auf den notwendigen Re-Austrifizierungsakt berief.

Ob die Voest-Affäre zu einem Umdenken der sozialistischen Seite führen wird, ist eine andere Frage. Im bürgerlich-konservativen Lager vertritt man hingegen schon seit langem den Grundsatz, daß das Staatseigentum an Industrie und Banken aus der historischen Entwicklung bedingt war und man, wo immer dies möglich ist, den Weg zu einer Privatisierung einschlagen sollte.

Der Autor ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Creditanstalt-Bankverein und Vizekanzler a.D.

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