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Digital In Arbeit

Die Rundfunk-Damen proben den Aufstand

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Seit dem Sommer gibt es im ORF einen Arbeitskreis von Frauen, die - als Angestellte des ORF - über ihre Situation reflektieren und, falls (wie sehr wahrscheinlich) nötig, dieselbe zu verbessern die Absicht haben. Ein an und für sich harmlos anmutendes Thema, von dessen Tabu-Charakter man erst erfährt, wenn man Näheres zu erfahren sucht. „Man“ weiß zwar, daß in Sachen Frauen im ORF in letzter Zeit einiges passiert, unter anderem auch ein halboffizielles Gespräch mit Generalintendant Oberhammer, doch will „man“ lieber nicht zuviel sagen, das könnte,..

Nun ist die Frage nach möglicher oder tatsächlicher Benachteiligung weiblicher Arbeitnehmer immer vom Flair des Subjektiven begleitet, von Vorurteilen aller Art umschwirrt. Wie diffizil objektivierende Erhebungen durchzuführen sind, hat kürzlich die Arbeit der Österreicherin Melitta Budiner über Erfahrungen im Bereich der UN bewiesen (La Convention No. 100 sur l’ėgalitė de rėmunėration). Der Möglichkeiten, weibliche Arbeit zu diskriminieren, gibt es ungezählte;

welchen davon fühlen sich die Rundfunkdamen ausgesetzt?

Auf der Ebene der Rezeption sind sie im Bewußtsein des Fernsehers recht gut präsentiert; Moderatorinnen, Sprecherinnen, Schauspielerinnen gehören zum prägenden Ornat vieler Sendungen. Wie aber sieht es innerhalb der Hierarchie aus?

„Wir sind ein Arbeitskreis von Frauen, die begonnen haben, darüber zu reden, daß wir eigentlich nicht immer nur reden, sondern auch etwas tun sollten, und zwar an unserem Arbeitsplatz im ORF.“

Dies ist die Einleitung zu einem Fragebogen, mit dem der Arbeitskreis die Kolleginnen zum Ausloten ihrer Arbeitsbedingungen einlädt. Die Auswertung der Befragungs- Aktion erfolgt via Institut für angewandte Soziologie (Prof. Henrik Kreutz); die erste Runde, sehr ausführliche Fragebögen, die an Mitarbeiterinnen von Hörfunk-Intendanz und Technischem Dienst verschickt wurden, ist bereits gelaufenem zweiter, erweiterter Durchgang soll folgen. Dies die einstimmige Absicht des (vorwiegend männlich bestückten) Betriebsrats.

Wie sehen nun die ersten Ergebnisse dieses Versuches aus? Vorweg die Feststellung, in zahlreichen Gesprächen mit weiblichen Angestellten des ORF erhärtet: fast alle fühlen sich in irgendeiner Weise benachteiligt - wofür allerdings nicht nur der ORF zur Verantwortung gezogen werden kann. Daß bei Berufstätigkeit der Frau die Belastung meist zu einem Großteil auf der Frau liegt, ist in allen Branchen gleich. Trotzdem oder gerade deshalb ist der Versuch interessant, möglichst detailliert die Schwierigkeiten im Beruf herauszuarbeiten.

Frage 29: „Gibt es von männlichen Kollegen und Vorgesetzten Bemerkungen wie,Seien Sie nicht so hysterisch, emotional!“, ,Seien Sie doch charmanter!“ oder gibt es väterlich-brüderliche Ratschläge?“

Die große Detailfreudigkeit gefährdet manchmal die Wahrung der Anonymität - würde auf „Ist Ihnen jemals ein Mann vorgezogen worden? Wann und unter welchen Umständen?“ offen geantwortet, so wäre die Eruierung der Befragten keine Detektiv-Arbeit. Dies wohl auch eine Erklärung dafür, warum nur ein Drittel der Gefragten die Fragebögen ausfüllte.

Ein Gutteil der weiblichen Unzufriedenheit - und dies ist aus dem Fragebogen nicht zu erkennen - geht, so hört man, auf die „Arbeits platzbewertung“ unter Gerd Bacher zurück, die eine Umstrukturierung des Gehaltschemas brachte, und die ominösen „Besitzstandsfälle“, eine Art Ausgleichszählung für schlechter Eingestufte, die unter Oberhammer endlich abgeschafft wurde. Diese „Besitzstandfälle“ machten böses Blut; viele Frauen sind der Ansicht, daß von Frauen besetzte Posten eklatant schlechter eingestuft wurden und noch sind. Dem neuen Intendanten Oberhammer wird nicht zugetraut, daß er in diesen Arbeitsplatzbewertungen Änderungen schaffen könnte.

Tatsache ist, daß von den rund 900 weiblichen Angestellten des Rundfunks (bei insgesamt 3000 Beschäftigten) keine Frau in die obersten beiden Gehaltsgruppen eingedrungen ist, geschweige denn in Intendantenregionen mit ihren Sonderverträgen. Die schlechtest bezahlte Gehaltsgruppe (III) dagegen weist nur Frauen aus. Cutterinnen haben so gut wie keine Aufstiegschancen -für ihre männlichen Kollegen ist der Cutterstand nur kurzer Aufenthalt auf dem Weg zum Tonmeister.

Gründe für diese Schlechterstellung sind die landläufigen Vorurteile- von denen aber einige von der Fragebogenaktion als unhaltbar entlarvt werden. So wird Frauen vorgehalten, sie fänden ihren Beruf weniger wichtig - dagegen gab jedoch die Hälfte der Befragten an, sie würden auf ihre Tätigkeit unter keinen Umständen verzichten, ein weiteres Fünftel nannte für einen möglichen Rückzug ins Privatleben Gründe, wie sie auch ein Mann angeben könnte - eine unerwartete Millionenerbschaft etwa.

Es stimmt auch nicht, daß die Frauen an ihrer mangelnden Karriere selbst Schuld seien, auf Grund ihres Desinteresses: nur 14 Prozent haben nie um Besserstellung eingereicht, dagegen halten drei Viertel ihre Aufstiegschancen für schlechter als die der Männer, ebenso viele sind mit ihren eigenen Karriere-Chancen unzufrieden, und mehr als die Hälfte findet, daß ihre beruflichen Ambitionen nicht so ernst genommen werden wie die der männlichen Kollegen.

Ganz schön unzufrieden, die Damen! Man darf gespannt sein, was herauskommt, wenn auch die Fern- sehfrauen (etwa das recht emanzipierte WIR-Team) ihre Meinung sagen. Denn obwohl im Fernsehen die Strukturen weniger starr sind als im Hörfunk: auch dort tragen Frauen in den typisch weiblichen Bereichen Verantwortung, und auch dort meist unter männlicher Oberhoheit - so bei „WIR“, aber auch bei, Jugend und Familie“.

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