7216205-1992_50_10.jpg
Digital In Arbeit

DIE SCHÖNHEIT DES GLAUBENS BEZEUGT

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Adressaten des neuen Weltkatechismus sind eigentlich die Bischöfe. WelchenStellenwert hat das Werk für alle anderen?

BISCHOF CHRISTOPH SCHÖNBORN: Der Katechismus wendet sich sicher zuerst an die Bischöfe als Verantwortliche der Glaubensverkündigung, mit diesen aber auch an alle, die in der Glaubensverkündigung stehen: Priester, Seelsorger, Religionslehrer, Katecheten. Dieser Adressatenkreis ist jedoch sicher nicht exklusiv zu verstehen. In dem päpstlichen Dokument, durch das der Katechismus veröffentlicht worden ist, sagt der Heilige Vater, daß der Adressatenkreis größer ist. So nennt er alle Katholiken, die ihren Glauben vertiefen wollen. Weiters soll der Katechismus einen ökomenischen Dienst leisten: Nichtkatholische Christen können darin den katholischen Glauben umfassend dargestellt finden, um ihn besser kennenzulernen.

Schließlich wendet sich der Katechismus an alle Menschen, die uns nach dem Grund unserer Hoffnung fragen. Daher ist auch die erste, die französische Ausgabe des Katechismus Ergebnis der Zusammenarbeit eines katholischen und eines großen weltlichen Verlags. Er ist daher nicht nur in religiösen Buchhandlungen, sondern auch an Bahnhofskiosken und Großkaufhäusern zu finden.

FURCHE: Welche Aufgaben hat dieser Katechismus? Ist er ein Nachschlagewerk, das die Positionen der Kirche klarstellt? Wird man in den Gemeinden damit arbeiten?

SCHÖNBORN: Ich hoffe, daß man beides tun wird - und vieles andere auch. Der Katechismus kann sicher für Gemeindearbeit verwendet werden: Durch seine Übersichtlichkeit, die starke Gliederung des Textes in deutliche Sinnabschnitte, durch die Zitate ist er dafür gut geeignet. Man kann ihn auch für das Eigenstudium verwenden, die Schriftstellen selbst nachlesen, die zahlreichen Querverweise zusammenschauen. Der Katechismus kann aber auch als Grundbuch des Theologiestudiums dienen. Er enthält ja den ganzen Glauben: von der Fundamentaltheologie über die Dogmatik, die Liturgik, die Sakramentenlehre bis hin zur Moral und zur Lehre vom Gebet.

FURCHE: Wenn dieses Werk so umfassend ist, von wo aus sollte es der Normalverbraucher angehen?

SCHÖNBORN: Da gibt es sicher verschiedene Wege. Ein Schweizer Bischof hat kürzlich empfohlen, mit dem vierten Teil, dem über das Gebet zu beginnen. Dieser Teil ist sehr ansprechend. Aber man kann durchaus auch von vorne zu lesen beginnen. Hier ist davon die Rede, was es eigentlich heißt zu glauben: Ich glaube, wir glauben... Der ganze Katechismus dreht sich ja um diese Frage.

FURCHE: Und wenn jemand nur an Detailfragen interessiert ist, etwa an jenen wie der Todesstrafe, die schon vor Erscheinen des Katechismus debattiert worden sind?

SCHÖNBORN: Sich auf Einzelheiten zu konzentrieren ist eher ein Hindernis beim Einstieg. Denn alle Detailfragen bekommen ihren Sinn erst vom Ganzen her. Nehmen wir das Beispiel der Todesstrafe: Sie ist sehr einseitig und verkürzt wiedergegeben worden. Der Text im Katechismus ist viel vorsichtiger formuliert, als dies in den Medien meist herauskam. Diese Frage kann man nur sinnvoll stellen, wenn man sie im größeren Zusammenhang sieht, in dem die zehn Gebote und das ganze christliche Leben stehen.

FURCHE: Was heißt das konkret?

SCHÖNBORN: Der Katechismus behandelt zuerst, einmal die Frage: Was trägt zur positiven Entfaltung der menschlichlen Persönlichkeit bei? Was sind die Bausteine einer reifen christlichen Persönlichkeit? Bevor er von den Verboten, von dem,\vas man nicht tun soll, spricht, beschreibt der Katechismus sehr ausführlich und eindrucksvoll, was den Menschen aufbaut. Es geht zunächst um die Rolle, die die Gnade im menschlichen Leben spielt, um positive Haltungen.

FURCHE: Also eine Warnung vor Kochrezepten?

SCHÖNBORN: Ja, es geht primär um das Angebot Gottes an den Menschen. Auch dort, wo von den Geboten die Rede ist, wird nicht eine Liste von Geboten und Verboten präsentiert, sondern es wird zunächst gesagt, welche menschliche Haltung dem Gebot entspricht. Etwa: Welche Haltung entspricht dem fünften Gebot? Es ist die Ehrfurcht vor dem Leben, die Dankbarkeit für die Gabe des

Lebens. Erst aus diesen positiven Haltungen heraus folgt, was diesen Haltungen widerspricht und den Menschen in seiner Würde zerstört.

FURCHE: Der Katechismus ist also in keinem Teil ein Strafgesetzbuch?

SCHÖNBORN: Er ist ein Wegweiser - wie man im frühen Christentum gesagt hat - zu einem glückseligen Leben.

FURCHE: Ist eine solche Wegweisung für die vielfältige Welt unserer Zeit überhaupt möglich?

SCHÖNBORN: Die Kirche hat immer Glaubensbücher gekannt. Die sogenannte Zwölf-Apostel-Lehre aus dem ersten Jahrhundert ist das erste in der Reihe. Jedes Jahrhundert hat seine Katechismen gehabt. Daß die Katholische Kirche des 20. Jahrhunderts ihren Katechismus zu formulieren versucht, macht klar, daß auch in einer vielfältigen Welt der Glaube nur einer ist und daß er in einer Sprache ausgedrückt werden kann.

FURCHE: Dieselbe Botschaft für den Indianer in Peru und den Russen in Kasachstan?

SCHÖNBORN: Ja. Diese Frage hat der Heilige Geist schon zu Pfingsten in Jerusalem beantwortet: Jeder hörte die Apostel in seiner Sprache. Es war dieselbe Botschaft für jeden in seiner Sprache. Es ist der eine Glaube, der in jeder Kultur zu verkündigen ist, dasselbe Wort Gottes. Und noch ein Gedanke: Sicher finden wir in unserer Welt große kulturelle Unterschiede. Genaugenommen war unser Planet aber noch nie so vereint wie heute. Wir haben weltweit dieselben Computer mit denselben Sprachen, dieselben technischen Mittel, dieselben blue jeans, dieselbe Rockmusik... Warum sollte es in dieser Welt nicht auch überall denselben Glauben geben?

FURCHE: Wie verbindlich ist dieser Katechismus?

SCHÖNBORN: Der deutsche Erwachsenenkatechismus zum Beispiel ist von der deutschen Bischofskonferenz gutgeheißen, vom Heiligen Stuhl genehmigt. Er ist ein beglaubigter Ausdruck des Glaubens in der Situation der Kirche in Deutschland. Der Weltkatechismus ist ein vom Papst und den Bischöfen der Weltkirche beglaubigter Ausdruck der katholischen Glaubens im 20. Jahrhundert. „Der Text soll als sicherer und authentischer Bezugspunkt für den Unterricht der katholischen Lehre dienen."

FURCHE: Sie haben jahrelang an diesem Werk mitgearbeitet. Welchen Gewinn haben Sie persönlich aus dieser Tätigkeit gezogen?

SCHÖNBORN: Das wichtigste war wohl die Einsicht, die Erfahrung, daß der Katholische Glaube eine innere Harmonie hat, daß alles wirklich mit allem zusammenhängt. Unser Glaube ist kohärent - und unglaublich schön. Da ist keine Rede von einem Nebeneinander mühsamer Lasten, sondern eine begeisternde Lebensgestaltung. Es hat mich beglückt zu sehen, daß der Glaube ein Leben, ein Lebensangebot ist. Und dieses Angebot wird den Menschen unserer Tage im Katechismus in einer ganz klaren, zuversichtlichen und unpolemischen Art gemacht.

FURCHE: War die Entstehung ein spannungsgeladener Vorgang?

SCHÖNBORN: Nicht im internen Bereich. Sicher hat es konkrete menschliche Schwierigkeiten gegeben. Die Zusammenarbeit war nicht immer einfach. Es waren oft Opfer notwendig. Man mußte oft auf Liebgewordenes verzichten und ganze Teile wiederneu schreiben. Spannungen gab es vor allem von jenen her, die das Projekt von vorneherein abgelehnt haben.

Sie haben befürchtet, der Katechismus würde ein Instrument der Maßregelung, der Einschränkung sein. Die Mitarbeiter aber waren, je länger sie am Katechismus arbeiteten, umso mehr von der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit überzeugt.

FURCHE: Wer hat aus heutiger Sicht recht behalten?

SCHÖNBORN: Die ungeheure Nachfrage nach diesem Buch - in den ersten drei Tagen sind 170.000 Exemplare verkauft worden - scheint die Sinnhaftigkeit dieses Projekts zu bestätigen. Noch ein paar Zahlen: Am ersten Verkaufstag wurden in einer großen katholischen Buchhandlung in Paris 1.600 Exemplare verkauft und an den Kiosken im Flughafen Roissy bei Paris in der ersten Woche pro Tag 600 Exemplare. Da haben sich viele interessiert, die nicht in die Kirche gehen. Ist es nicht gut, den Katholischen Glauben einfach auszusprechen, ihn unter den vielen Wegen, die heute angepriesen werden, auch anzubieten? Mir scheint, die Leser haben da eine vielverheißende Antwort gegeben.

Mit dem Wiener Weihbischof, Univ.-Prof. Dr. Christoph Schönborn, sprach Christof Gaspari.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung