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Die Schöpfung erhalten

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Die Umweltzerstörungen im Golfkrieg machen drastisch auf den katastrophalen Umgang mit der Natur aufmerksam. Wieder ein Anlaß, Forderungen der Umweltethik hervorzuheben.

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Die Umweltzerstörungen im Golfkrieg machen drastisch auf den katastrophalen Umgang mit der Natur aufmerksam. Wieder ein Anlaß, Forderungen der Umweltethik hervorzuheben.

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In unserer Gesellschaft herrschen zwei grundsätzlich verschiedene Einstellungen vor, an ökologische Probleme heranzugehen. Die Pragmatiker setzen auf die Technik. Ihr Dogma lautet, daß auf dem Höhepunkt die Technik von selbst auch das, was für den Menschen, für die Gesellschaft und für die Natur am besten ist, erreichen kann. In weiten Kreisen herrscht ein grundsätz-

licher Optimismus vor, der ähnlich wie in der Wirtschaft auch in ökologischen Fragen auf die sinnvolle Steuerung durch eine unsichtbare Hand setzt.

Dieser Gruppe steht die andere gegenüber, die zunächst eher pessimistisch die Gefahren für die Natur und auch für den Menschen sieht, wo sich Bio- und Gentechnologie, die auf industriellen Großeinsatz angelegt sind, auswirken. Sie kön-

nen auf die geschichtliche Erfahrung verweisen, daß neue Technologien in der Geschichte immer zunächst zu Lasten vieler Menschen gegangen sind und die arbeitenden, einfachen Leute die Opfer waren. Das Dogma dieser Gruppe lautet: die Erhaltung der Natur um jeden Preis.

Beide Tendenzen tragen die Gefahr der Absolutsetzung ihrer Dogmen in sich und können ihre Voraussetzungen auch nicht begründen, ja nicht einmal reflektieren. Denn nicht nur die Technik ist ambivalent, sondern auch die Natur. Von dem,, was technisch möglich ist, auf das zu schließen, was der Mensch tun soll oder tun darf, ist genauso falsch, wie von dem, was in den Naturgesetzen angelegt ist, ethische Normen abzuleiten (es handelt sich um den sogenannten naturalistischen oder empiristischen Fehlschluß).

Auch der theologische Ethiker kann seine Voraussetzungen nicht mathematisch beweisen, aber er kann die Relevanz seines Ausgangs-punktes für die ökologischen Fragen aus der Geschichte aufzeigen.

Der biblische Schöpfungsbericht führt alles, was ist, auf Gottes schöpferische Tat zurück. Dieser Glaube überwindet nach und nach

alle mythischen Erklärungen der Welt und beginnt immer deutlicher wahrzunehmen, daß Gott in seiner Freiheit in den Geschicken dieser Welt handelt.

Dieser Glaube, der die Welt zunächst einmal entzaubert, ist zweifellos eine geistesgeschichtliche Voraussetzung für Naturwissenschaft und Technik. In säkularisierter, von seinem Glaubensursprung gelöster Form, ist diese Einstellung tatsächlich zu einer der Wurzeln der lebensbedrohlichen Umweltzerstörung unserer Generation geworden. Die Quellen des Glaubens hingegen bezeichnen die Schöpfung als „Garten" (Gen 3,8), das heißt als Raum der Anwesenheit Gottes und Ort der Lebensbefriedigung und sinnvollen Arbeit des Menschen. Von allen Geschöpfen wird gesagt, daß sie gut sind.

Die ganze Schöpfung ist Bild und Gleichnis der Güte und Freiheit Gottes, gleichsam seine nach außen gewendete Herrlichkeit. Bei der Erschaffung des Menschen aber sagt die Bibel, daß dieses Geschöpf sehr gut ist und der besonderen unmittelbaren Zuwendung Gottes gewürdigt wird. Der Mensch wird zum Statthalter Gottes eingesetzt, zum Pfleger dieses Gartens.

Die Welt hat in dieser Sicht ihre

eigene Bedeutung als Schöpfung und jedes Geschöpf darin seine relative Eigenwertigkeit. Die Erde ist aber zugleich in die verantwortliche Gestaltung durch den Menschen übergeben.

Diese beiden Aussagen sind sehr schwer in ihrer inneren Beziehung und Balance zu halten. Die Bibel sagt, daß der Mensch von Anfang an diese Balance nicht ausgehalten hat und der Bestimmung schöpfungsgemäßer Pflege der Erde ausgewichen ist. Er hat das Vertrauen und die Verantwortung gegenüber seinem Schöpfer verweigert und damit nicht nur sein eigenes Dasein, sondern das der ganzen Erde durch die Sünde verdorben. Ermutigung zur Weltgestaltung und Warnung vor dem Versagen in dieser ungeheueren Verantwortung gehen gleichermaßen aus dem Schöpfungsbericht der Bibel hervor.

Für eine theologische Ethik bedeutet dies ein Ernstnehmen des Menschen, sowohl was seine technische als auch was seine sittliche Vernunft betrifft. Nicht aus den Naturgegebenheiten, sondern mit seiner Vernunft hat der Mensch die Regeln seines Handelns zur Weltgestaltung zu finden. Die Natur des Menschen ist seine Vernunft, mit einem modernen Stichwort seine

„Autonomie", mit der er selbst die Regeln seines Handelns formuliert und verantwortet. Die Autonomie des Menschen aber ist keineswegs eine absolute, sondern eine relative, das heißt eine auf den Schöpfer und auf die Verheißung der Vollendung dieser Schöpfung bezogene. Sie hat Maß zu nehmen an dem vorgegebenen Sinn der Schöpfung.

Dies bedeutet: Die autonome Selbstgestaltung des Menschen hat zunächst Maß zu nehmen am Wohl aller Menschen. Auch derer, die jetzt auf unserer Erde leben und durch die ungerechten Strukturen zu kurz kommen, aber auch der künftigen Generationen; der Mensch hat die Erde so zu pflegen, daß sie in ihrer potentiellen Vielfalt erhalten bleibt und als Gottes gute Schöpfung gepflegt wird; er hat dafür zu sorgen, daß möglichst viele Menschen sich an der verantwortlichen Gestaltung der Welt mitbeteiligen und alle Menschen die Früchte dieses Gartens nützen können.

Der gläubige Mensch versteht sich als ein Mitwirkender mit dem Schöpfer, indem er die Möglichkeiten der Schöpfung in einer sinnvollen Weise ausnützt, die er jederzeit vor dem Schöpfer verantworten kann.

Auszug aus „Agrarische Rundschau" 6/90.

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