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Die Schraube dreht sich

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Noch nie ist so viel von der Notwendigkeit gesprochen worden, Stabilitätspolitik zu betreiben, wie in den letzten zwei Jahren. Vertreter des Bundes, der Länder und Gemeinden, Repräsentanten der Banken und Kreditinstitute und Expo-

nenten der Sozialpartnerorganisationen geben am laufenden Band Erklärungen ab, sprechen aber zumeist von den Aufgaben, die jeweils den anderen zufallen würden.

Übereinstimmend ist aber die große Mehrheit der Venhandlungsund Gesprächspartner der Auffassung, daß ein Partner mehr tun müßte, als er bisher zu den Stabilitätsbemühungen beigetragen hat: Der Bund — oder personifiziert: der Finanzmimister. Vor allem die Vertreter der Wirtschaft sind erbost darüber, daß der Handelsminister gerade in allerletzter Zeit seine gesamte Überredungskunst aufwendet, um einzelne Unternehmer zu Preis-

senkungsaktionen zu bewegen — alles unter der Devise „Stabilisierung“ —, daß aber auf der anderen Seite mittels einer Regierungsvorlage im Parlament der Antrag auf eine kräftige Erhöhung der Telephongebüh-ren eingebracht wird. Als Begrün-

dung wird die „betriebswirtschaftliche Notwendigkeit“ angegeben und schon geht die Sache mit der Mehrheit der SPÖ über die parlamentarische Bühne. ,.,

Die Verschiebung der Telephon-gebühren ist daher auch nur ein zeitlich begrenztes Trostpflaster, weil sie den Preisstau im Herbst nur noch verstärken wird.

Finanzminister Androsch, der in den nächsten Tagen mit den Finanzreferenten der Bundesländer in Heiligenblut zu einer Konferenz in Sachen Stabilisierung zusammentrifft, wird sich da noch einiges anhören

müssen. Schließlich liegt ja nach wie vor auch noch ein neues Gebührengesetz in der Luft, mit dem alle Gebühren für Amtshandlungen von Bundesbehörden und Gerichten (nach oben) neu geregelt werden sollen. Also eine weitere Drehung an der Schraube, die den deklaratorischen Erklärungen über die Notwendigkeit der Stabilisierung diametral zuwiderläuft. Es wird sich nämlich kein Unternehmer davon abhalten lassen, die Gebührenerhöhung mit dem bedauernden Hinweis auf die Gesetzesvorlage sofort auf die Preise überzuwälzen. Zahlen muß das alles dann der Endverbraucher.

Wenn auch die Postgebühren, also zunächst die Telephongebühren nach dem Willen der SPÖ-Mehrheit verschoben werden, so soll auch eine andere Gebühr, die ebenfalls von der Post eingehoben wird, nach dem Wunsch des Bundeskanzlers nicht steigen: die ORF-Gebühr. Natürlich aus Gründen der Stabilität, wie Bundeskanzler Kreisky in einem diesbezüglichen Schreiben an ORF-Generalintendant Bacher ausführte — obwohl die mit Jahresmitte fällige Erhöhung keineswegs aus heiterem Himmel kam, sondern längst abgesprochen war.

Die Volkspartei kann es als ihren Verhandlungserfolg buchen, daß sie durch eine Junktimierung von Telephon- und ORF-Gebühren eine Verschiebung erreicht hat und die Regierung zum Einlenken in einer populären Angelegenheit zwang.

Die Causa der Telephongebühren dürfte indes nur ein erster Schritt in einer drastischen Tarif-erhöhuragswel'le — möglicherweise sogar gekoppelt mit einer weiteren Einschränkung der Dienstleistungen dieses Unternehmens gewesen sein. Wie nämlich (vorerst nur unter vor-

gehaltener Hand) verlautete, ist für das kommende Jahr eine Anhebung der Briefpostgebühren ins Auge gefaßt. Es ist klar, daß die seit mehreren Jahren unverändert gebliebenen Sätze für Briefpost, sowohl das Inlands- wie das Auslandsporto, der Kostensituation in keiner Weise entsprechen.' Dazu kommt, daß im Sinne der Dynamisierung der Beamtengehälter auch die Postbediensteten zur Jahresmitte ihre Bezüge um 10 Prozent erhöht bekommen.

Darüber hinaus soll es im Zusammenhang mit der ab 1. Jänner 1975 geltenden Einführung der 40-Stun-den-Woche in der Post- und Telegraphenverwaltung Pläne geben, die Samstag-Zustellung der Zeitungen ganz einzustellen. Dies würde die Verleger und Herausgeber von Tages- und Woohenzeitungen gleichermaßen vor schier unüberwindliche Vertriebsprobleme stellen, vor allem aber zusätzliche Kosten provozieren.

Wie es der Finanzminister mit der Stabilisierung hält, zeigt übrigens nicht zuletzt das neueste Budget-Überschreitungsgesetz, das dem Parlament zur Beschlußfassung vorliegt: Es müssen nämlich zusätzliche Mittel für Bauten des Bundes angesprochen werden. Mit der groß angekündigten „Baubremse“ ist es also auch nicht allzuweit her. Zwar betonte der Finanzminister dazu nachdrücklich, es handle sich nur um Gelder, die zur Fertigstellung schon begonnener Ballten, unter anderem auf den Sektoren Landesverteidigung und Schulen, unbedingt gebraucht würden, doch müssen diese Beträge trotzdem aus jener dem Grundbudget angegliederten „S'tabilisierungsquote“ ■-ntnommen werden, die erstens gar nicht finanziert ist und zweitens einer anti-zykilschen Budgetpolitik hätte dienen sollen.

Der Bund geht also mit seinen Gebührenerhöhungen wieder einmal allen Stabilisierungswilligen mit sohlechtem Beispiel voran. Ob der Finanzminister dann von Ländern, Gemeinden, von Banken und Kreditinstituten, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wohl mit gutem Gewissen „Maßhalten“ verlangen kann?

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