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Die Schulreform wird hingehudelt

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Mit dem Schuljahr 1989/90 kommen jene Kinder in die Oberstufe der Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), die vor mehr als drei Jahren die Unterstufe nach den neuen Lehrplänen begonnen haben. Obwohl das Faktum — die reformierte Unterstufe erfordert auch eine reformierte Oberstufe -längst bekannt war, dauerte es bis Ende Dezember 1987, bis endlich vom Ministerium die Einigung mit dem Koalitionspartner ÖVP über die Grundgestaltung der neuen AHS-Oberstufe bekanntgegeben werden konnte.

Es sind vier Haupttypen, und zwar Gymnasium (G), Realgymnasium (RG), Wirtschaftskundli-ches Realgymnasium (WkRG) und Oberstufenrealgymnasium (ORG) vorgesehen. Letzteres teilt sich noch in die drei Formen: ORG naturwissenschaftlich, ORG musikalisch und ORG bildnerisch/ werkerziehend. Außerdem gibt es noch Sonderformen.

Die Einigung und die Typenklarheit sind sehr zu begrüßen. Zuletzt gab es eine große Zahl der möglichen Ausformungen der Oberstufe.

Es wird Pflichtgegenstände für alle Oberstufenformen geben, typenbildende Pflichtgegenstände - wie etwa Ernährung (Theorie) im WkRG, Darstellende Geometrie im naturwissenschaftlichen ORG —, Wahlpflichtgegenstände, die unter anderem der Förderung des selbständigen Arbeitens, der Begabungs- und Interessenförderung, der Verbindung mit der Fachbereichsarbeit (Reifeprüfung) dienen sollen, sowie Freigegenstände und unverbindliche Übungen.

Die Schulreformkommission am 13. Jänner wurde mit diesem Vorschlag — verbunden mit einer Stundentafel und einigen allgemeinen Hinweisen - konfrontiert. Der Informationsstand hat sich seither nicht wesentlich geändert.

Es ist klar, daß die Schulbücher nicht vorliegen werden, sodaß die Auswahl der Schulbücher nur in Kenntnis des Autors und des Titels, aber ohne konkret vorliegendes Buch erfolgen wird. Ein erstes Manko.

Am Tag vor der Sitzung der Schulreformkommission hatte der Katholische Familienverband die geplante Reform als „Husch-Pfusch-Verfahren“ bezeichnet. Wie die inzwischen eingetretene Entwicklung zeigt, hat er mit seinen Bedenken nicht so unrecht. In der zur Verfügung stehenden Zeit ist eine abgestimmte Reform, die auch eine Neuordnung der Lehr-pläne durchführt und mit der Neugestaltung der Matura koordiniert ist, nicht (mehr) durchzuführen.

In der Zwischenzeit schlagen die Kunsterzieher, die Werkerzieher, die Biologen, die Chemiker, die Fremdsprachenlehrer — um nur einige zu nennen — Alarm wegen drohender Stundenkürzungen. Die österreichische Professoren-Union spricht von einer möglichen „Demontage“ des Gymnasiums, wenn nicht einige wichtige Veränderungen vorgenommen werden, wie zum Beispiel die Senkung der Klassen-schülerhöchstzahlen als Voraussetzung für die Reform, von der in der Unterlage des Ministeriums nur im Anhang andeutungsweise die Rede ist. Der Verband der Professoren Österreichs will die AHS-Oberstufe „so bitte lieber nicht!“.

Die Lehrplanarbeitsgruppen können erst jetzt ihre Arbeiten in einer sinnvollen Weise fortsetzen, wobei bei einigen Fächern noch die Stundenzahl offen ist, da die Frau Unterrichtsminister für die nächsten Wochen (!) Gespräche mit den Gruppen angekündigt hat.

Von einer sinnvollen Durchführung des Begutachtungsverfahrens kann unter diesen Umständen natürlich auch keine Rede sein. Ebensowenig von einer ausgereiften Gestaltung der neuen Lehrpläne bei notwendiger Abstimmung zwischen den einzelnen Gegenständen.

All diese Mankos sprechen dafür, von zwei möglichen Übeln (überhastete Einführung oder ein Jahrgang zusätzlich mit dem geltenden Lehrplan) für die Verschiebung der Einführung um ein Jahr zu plädieren. Im Interesse der Schule, der Lehrer, der Kinder und der Eltern.

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