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Die Seelsorge im „heiligen Land“ Tirol

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Das Land im Gebirge hat sich nicht selbst dieses Attribut erteilt, es ist ihm erteilt worden. Ein Laie, Fenner von Fennberg (1715), ein Mann von christlichem Format, gründete die berühmte, ständige Mission, die in einigen Jahrzehnten das an Aberglauben, Unwissenheit und Sittenverrohung verfallene Volk zum Herrgottsland machte. In der damaligen Zeit wurde auch Bleibendes geschaffen: die Standesbündnisse. In unserem Land gab es eine Demokratie, die seit Jahrhunderten das Religiöse mitbestimmt hat: keine Leibeigenschaft, wenig Obrigkeitsdenken, die Pfarrer nicht feudale Gutsherren, keine großen Stifte, etc.

Bei der Überlegung nach der seelsorglichen Situation in unserer Diözese darf unsere Infrastruktur nicht übersehen werden: es trifft sich nämlich einerseits die Erkenntnis, daß das Heil in der Kleingemeinde liegt, mit der Notwendigkeit andererseits, diese Kleinformen auch zu erhalten. (Zur Illustration: es gibt in der Diözese Innsbruck 27 Pfarren bis 300 Einwohner, weitere 22 Gemeinden werden mitprovidiert, 159 Pfarren in der Größe von 300 bis 2000 Einwohner, 6 solche werden noch mitprovidiert vom Nachbarpfarrer, aber nur 47 Pfarren bis 6000 und nur 14 Pfarren mit über 6000 Katholiken, insgesamt werden bereits 35 Pfarren mitprovidiert, davon nicht weniger als 17 in einem einzigen Dekanat).

Im besonderen unterliegt der gesamte ländliche Raum einem starken Wandel So ist das Dorf schon lange nicht mehr homogen christlichbäuerlich, auf der einen Seite Land, auf der anderen Seite aber ist das Dorf schon längst kein geschlossener Kulturraum mehr mit seinen eigeni Einrichtungen, Gebräuchen und stabiler Sitte etc. Im kulturellen Raum Tirols sind Schützen, Musikkapellen

„In unserem Land gab es eine Demokratie, die seit Jahrhunderten das Religiöse mitbestimmt hat.“ wichtige Kulturfaktoren, werden es aber nur bleiben, wenn sie in der geistigen Auseinandersetzung unserer Zeit zum Engagement bereit sind. Insgesamt gibt es die Festung Dorf nicht mehr. Für den Zugewanderten ist das Dorf nicht mehr unbedingt Gemeinwesen, in das er sich integrieren will, politisch wie kirchlich. Umgekehrt ist das bisherige Gemeinwesen Dorf oft auch gar nicht bereit, diese mithineinzunehmen.

Für die Infrastruktur des ländlichen Gebietes brachten Industrie und Wirtschaft notwendige Arbeitsplätze und Wohlstand, aber natürlich auch Probleme. Gerade die Tatsache der vielen Kleingemeinden in unserem Land und die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben in Ballungszentren bringt die moderne Wanderform als bittere Notwendigkeit: den Pendler. Trotz des ordentlichen Wohnsitzes im Dorf entfremdet er sich oft der Familie, aber auch der Gemeinde und Pfarre. Die seelsorgliche Konsequenz daraus ist, daß die geistige Einheit der Pfarre zerfallen ist und man sich an den Einzelnen wenden muß, wenn er über die Gemeinschaft nicht mehr erreichbar ist.

Nicht unerwähnt bleiben darf in Tirol natürlich der Fremdenverkahr als vielleicht stärkste Kraft, die derzeit das Profil unseres Landes mitformt. Das Kapitel Fremdenverkehr ist sicher nicht nur eine Frage der Wirtschaft, sondern auch eine seelsorgliche: es geht-in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten - um die Schaffung eines gesunden Typs des Fremdendienstes im Erholungsgebiet Tirol, damit wir den Wohlstand nicht mit Ausverkauf der Kultur, Sinnentleerung des Brauchtums und Zerstörung der Familien bezahlen müssen (besonders durch Überlastung der Frau).

Zum Pastoralraum Innsbruck: Innsbruck ist Landeshaupt-, Bischofs- und Universitätsstadt. Der Einfluß von Innsbruck geht im positiven wie im negativen Sinn weit über die angrenzenden Dekanate hinaus. Die starke Vermehrung der Stadtpfarren von 5 auf 25 in den letzten dreißig Jahren hat sich seelsorglich gut ausgewirkt. Diese Stadt ist jedoch eine gesellschaftliche Einheit. Die in diesen Tagen abgeschlossene Glaubensmission 1978/79 hat hier viele gute neue Ansätze gebracht, aber auch die Grenzen der Einzelpfarren aufgezeigt, die Stadt muß in der Erfüllung ihrer seelsorglichen Aufgaben auch als kirchliche Einheit verstanden werden, als ein Miteinander für die ganze Stadt.

Konsequenzen: Zum Unterschied von anderen Konzepten waren die

Katholische Aktion und die Seelsorge in unserer Diözese eng verbunden. Die PGR-Wahlen stehen vor der Türe, es wird darauf ankommen, daß weiterhin im PGR und hinter ihm Basisgruppen der KA stehen.

Die Jugend ist die Zukunft des Landes, was mit ihr und für sie geschieht, ist entscheidend. Unser Bi-

„Der Einfluß von Innsbruck geht im positiven wie im negativen Sinn weit über die angrenzenden Dekanate hinaus.“ schof hat diese Generation als die suchende Jugend bezeichnet. Viel Gutes bricht auf: spirituelle Gruppen, der Geist von Rocca di Papa etc. Auf Pfarrgemeinde und Familie wird es da wesentlich ankommen.

Heute gängige Konzepte der seelsorglichen Arbeit können für unsere Diözese nicht unbesehen übernommen werden.

Not tut die Entwicklung der Fähigkeit zur Kooperation in der Kirche, besonders im Hinblick auf regionale Arbeit, Erstellung von Seelsorgsmo-dellen, die auf Kooperation ohne Zentralisierung beruhen, Vorbereitung der Gemeinden darauf.

Die Kirche von Innsbruck ist -ohne Überheblichkeit - führend in Sachen Entwicklungshilfe, Entwicklungshelfer, Bruder in Not etc. Die Antenne dafür, daß der Dienst am Einzelmenschen in der Gemeinde Aufgabe der kirchlichen Gemeinschaft ist und die Integration aller besonders im ländlichen Raum bringt, muß noch weiter ausgefahren werden.

(Der Autor ist Direktor des Pasto-ralamtes der Diözese Innsbruck)

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