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Die Sendung des Erlösers

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„Ich halte die Zeit für gekommen, da alle kirchlichen Kräfte für die neue Evangelisierung und für die Mission ad gentes einzusetzen sind." Mit diesem programmatischen Satz leitet der Papst seine achte Enzyklika ein und faßt ihr Programm zusammen. Der Papst möchte zur Jahrtausendwende die

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„Ich halte die Zeit für gekommen, da alle kirchlichen Kräfte für die neue Evangelisierung und für die Mission ad gentes einzusetzen sind." Mit diesem programmatischen Satz leitet der Papst seine achte Enzyklika ein und faßt ihr Programm zusammen. Der Papst möchte zur Jahrtausendwende die

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Kräfte der Kirche mobilisieren. Wiederholt ruft der Papst zu Optimismus auf, doch werden wir einen Satz wie den folgenden eher mit Skepsis lesen: „In der Tat zeigt sich heute hinsichtlich der Werte des Evangeliums ein neues Zusammengehen seitens der Völker: die Absage an Gewalt und Krieg; die Achtung der menschlichen Person und ihrer Rechte; die Überwindung von Rassismen und Nationalismen; die Bejahung der Würde und Aufwertung der Frau."

Dennoch ist es begrüßenswert, daß diese Missionsenzyklika gerade jetzt erscheint. Lenkt sie doch unseren gebannten Blick von den brennenden Krisenherden in ande-

re Bereiche der Welt, die nicht weniger unsere Aufmerksamkeit verdienen. Einige Themen und Anliegen seien hier wenigstens genannt.

Es geht um „die Mission des Erlösers" (Redemptoris Missio). Die Einleitung präzisiert: Trotz der Früchte des Konzils steht die Mission noch in den Anfängen. Darum möchte der Papst „viele Anfragen" voller Zweifel und Unklarheiten bezüglich der Mission ad gentes beantworten. Diese Fragen lauten: Ist die Mission unter den NichtChristen noch aktuell? Wird sie vielleicht durch den Dialog unter den Religionen ersetzt? Genügt nicht die Förderung des Menschlichen, sprich Entwicklungshilfe? Schließt nicht die Achtung vor dem Gewissen und vor der Freiheit jeden Bekehrungsversuch aus? Kann man nicht in jeder Religion gerettet werden? Warum also Mission?

Die Antwort (in acht Kapiteln auf 155 Seiten) erfolgt aus den Dokumenten des Konzils. „Mission ad gentes" greift bewußt den Zentralbegriff des Missionsdekrets auf. Mission ist Sendung: Die Enzyklika geht aus von der Sendung Jesu, die der Verwirklichung des Reiches Gottes galt. Sie verweist auf den untrennbaren Zusammenhang Jesu

mit dem Heiligen Geist, welcher die Kirche erfüllt und lenkt. Die Mission der Kirche heute steht in dieser Sendung.

Der gemeinsame Nenner ist also die Sendung. Je nachdem, in welcher Situation sich Sendung vollzieht, wandelt sich ihre Gestalt. Die Enzyklika unterscheidet drei Situationen:

1. Die „Erstmission" an NichtChristen beziehungsweise an religiöse und kulturelle Räume, in welchen das Evangelium noch nicht verkündet wurde oder christliche Präsenz kaum vorhanden ist. Dies ist die Mission ad gentes beziehungsweise die traditionelle „Heidenmission".

2. Die Situation, in welcher die Kirche gefestigt ist (Seelsorge).

3. Eine dritte Situation ergibt sich aus der Entfremdung von Religion und Kirche durch die Säkularisierung. Hier hat die Sendung als „neue Evangelisierung" zu erfolgen.

Die Enzyklika verweist darauf, daß die Grenzen ineinander verschoben sind, so daß Seelsorge, Bemühung um Fernstehende und sogar „Erstmission" gleichzeitig sein können.

Die Enzyklika besteht (im zweiten Schwerpunkt) darauf, daß die eigentliche Sendung zur Verkündigung der Frohbotschaft nicht identisch ist mit anderen Bemühungen wie Dialog, Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung oder um menschliche Entwicklung. Alle diese Dienste sind mit der Verkündigung des

Evangeliums aufs engste verbunden, sind jedoch nicht damit identisch oder gar ein Ersatz für diese grundlegende Sendung.

Mit dieser Klärung zieht die Enzyklika einen Schlußstrich unter die Debatte, die im Anschluß an das Rundschreiben von Paul VI. „Evangelii Nuntiandi" (1975: Über die Evangelisierung) entstand. Es schien, als würde der Begriff „Evangelisierung" den der „Mission" ablösen. Allerdings bestanden Missionswissenschaftler, wie der Papst, auf eine Trennung dieser Begriffe. Die Missionswissenschaft hält den Begriff „Mission" weiterhin für notwendig, damit sich die Kirche auch in Zukunft mit der Hypothek der Mission auseinandersetzt, anstatt durch einen neuen Begriff die Geschichte zu beschönigen oder sich aus der Verantwortung zu schleichen. Der Papst besteht auf dem Begriff „Mission", damit der Auftrag der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums nicht verwischt wird.

Die Enzyklika bekräftigt die Missionsauffassung des Konzils, greift aber auch Entwicklungen der letzten 25 Jahre auf. Schon im Wortschatz fallen Begriffe auf wie „junge Kirche", „ganzheitliche Befreiung", „ganzheitliche Entwicklung", „Dialog", „Inkulturation", „Basisgemeinden", „Leiter von Bibelgruppen", „Verantwortliche für Gemeinden", „Laienmissionare", „Freiwillige Helfer", „Kirche auf der Seite der Armen" und so weiter.

Auch inhaltlich stimmt die Enzyklika in bezug auf Dialog, Entwicklung, Inkulturation, religiöse Freiheit, Proselytismus, Bekehrung, Verkündigung, Taufe, Gründung von Kirchen und so weiter voll mit dem Konzil überein. (Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist ein weiterer Schwerpunkt des Rundschreibens.) Neu ist die Erwähnung der lateinamerikanischen Bischofsversammlung von Puebla. Der Ton ist konziliant, einfühlsam und argumentativ. Es fehlt auch nicht an Lob und Ermutigung für die Missionare.

Dennoch vermisse ich in der Enzyklika eine Bilanz der missionarischen Entwicklung. Nennen möchte ich die Feststellung, daß die Mission noch am Anfang steht. Als Beweis führt der Papst das Wachsen der Weltbevölkerung an, mit welcher die katholische Kirche nicht Schritt halten könne. Ein näheres Hinschauen zeigt allerdings, daß etwa in Afrika die Katholikenzahl innerhalb von 25 Jahren von 30 auf 75 Millionen angewachsen ist. Gerade die demographischen Unterschiede weisen auch auf Fehler in der Missionspraxis der Vergangenheit hin.

Oder: Aus Lateinamerika werden die Basisgemeinden lobend hervorgehoben, doch die Aufbrüche dieser Kirche, wie überhaupt aller Kirchen in der südlichen Hemisphäre, im Bereich der Theologie, dem kirchlichen Leben und der Gesellschaft werden übergangen.

Nicht erwähnt werden die Bemühungen in Indien um einen „indischen Weg" in Ritus und Spiritualität, oder der Kirchen in Afrika um Liturgie und Gemeindeleben. Die lateinamerikanische Bischofsversammlung wird genannt, warum wird dann der afrikanischen Kirche eine ähnliche Versammlung so schwer gemacht? Diese Beispiele zeigen, daß ekklesiologische Fragen ausgeklammert wurden oder unausgesprochen eben doch im Hintergrund stehen.

Dennoch bringt die Enzyklika eine wichtige Klärung, nämlich der Sendung der Kirche zur Verkündigung der Frohbotschaft. Erfreulich ist, daß die Enzyklika zum Gespräch einlädt, ein hoffnungsvolles Zeichen, wo gerade anderswo statt Dialog die Waffen das Sagen haben.

Der Autor ist Generalsekretär der Päpstlichen Missionswerke in Österreich.

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