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Die Sozialisten sind die besseren Josephiner

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„Im Wesentlichen sehe ich einen kardinalen, unverlierbaren Unterschied zwischen ÖVP und SPÖ: Im Gegensatz zu den Sozialisten, deren perfektes System nie vollziehbar sein wird, ist für meine Partei der Ansatzpunkt für die Veränderung der .Gesellschaft nicht der Staat sondern der Mensch.“ Erhard Bu- sek, redegewandter ÖVP-Mann, vor noch nicht ganz einem Jahr von Parteichef Josef Taus als schwarzer Rettungsmann ins rote Wien entsandt, ließ sich im Kummer-Institut über „Grundsätzliches“ befragen.

Zur Katholischen Soziallehre legte Busek ein von der Blickrichtung seiner Partei geprägtes klares Bekenntnis ab: Ein Verschleiern der historischen Bezüge sei eine unlogische, sinnlose Sache: „Es ist besser, wenn die Leute einen Standpunkt haben, auch auf die Gefahr hin, daß es nicht ganz der ihre ist.“ Freilich - und damit deutete Busek das viele Vertreter der Katholischen Soziallehre voneinander trennende Sprachenbabel an - müsse man die Frage stellen, welche Katholische Soziallehre für die Volkspartei die relevante sei.

In Sachen Katholische Soziallehre verweist Busek mit aller Deutlichkeit auf ein Theoriedefizit der Partei, offenbar für ihn ein noch aus Hochschulzeiten geläufiges Ideengut: Die Enzyklika „Pacem in ter- ris“ hätten in der ÖVP noch keinen entsprechenden Nieder schlag gefunden. Themen wie Dritte Welt und Entwicklungshilfe scheinen ihm nun mehr als reif zu sein, auch von der ÖVP wachgeküßt zu werden.

Den Diskussionsvorgang zwischen seiner Partei und der Kirche betrachtet Erhard BiLsek als noch nicht abgeschlossen. Für die Sozialisten unter Kreisky und ihr Verhältnis zur Kirche hat der Wiener Stadtrat eine vernünftig klingende Formel parat. Als Ursache für so manche die kirchlichen Kreise verunsichernden Maßnahmen und Aussagen sieht er weniger die rote Kirchenfeindlichkeit an: „Ich sehe einen stark josephinischen Zug in der SPÖ Kreiskys. Die Sozialisten sind heute die besseren Josephiner … Kreisky wäre es sicherlich lieber, wenn er den Papst gleich Am Hof hätte ..

Busek steuert auch noch ein paar

„philosophische“ Überlegungen über die Entwicklung unseres parlamentarischen Systems bei: „Die Ohnmacht des Gesetzgebers ist eine quadratisch zunehmende … Das Parlament hat lächerliche Mitwir kungsrechte an der Vollziehung.“ Aus seiner Analyse leitet Busek nicht den Ruf nach einer Konzentrationsregierung sondern nach Stärkung des Parlaments ab. Die Ohnmacht, vielleicht auch Doppel- bödigkeit, der einzelnen Parlamentarier zeigt Busek mit folgenden ätzenden Worten auf: „Dort, wo sich die Politiker nicht auskennen, wird das Volk gefragt, wo die Politiker aber selbst in der Lage sind, zu entscheiden, dort dürfen die Wähler nicht mitreden.“

Unprogrammiert, deswegen aber nicht weniger überzeugt vorgetragen, kommt der Wiener ÖVP-Boß auf das vielzitierte West-Ost-Gefälle innerhalb Österreichs zu sprechen: Er sehe eine große Gefahr im’drohenden Auseinanderklaffen von Ostösterreich und Westösterreich. In der politischen Diskussion mögen die Atomdiskussion und die Spitalsdiskussion, im kulturellen Bereich einiges mehr, für diese Bu- sek-These sprechen: „Die Auseinanderentwicklung der Mentalitäten überhaupt scheint mir eine kardinale Frage für die Zukunft Österreichs zu sein.“

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