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Die Spinne im Netzwerk
Illiberale Haltung ist der SPÖ nicht abzusprechen. Ihr neuester Beitrag zur Medienkultur: Die Beschwörung einer „gefährlichen konservativen Medienübermacht”.
Illiberale Haltung ist der SPÖ nicht abzusprechen. Ihr neuester Beitrag zur Medienkultur: Die Beschwörung einer „gefährlichen konservativen Medienübermacht”.
„Die neuen Medien werden unsere Arbeitswelt, unsere Konsumgewohnheiten und unser Freizeitverhalten prägen.” So die SPÖ auf der Umschlagseite ihrer Broschüre „Medien in Österreich”, die sie seit etwas mehr als zwei Monaten unter das erlesene Parteivolk, die Vertrauensleute, bringt.
Wer aber glaubt, daß neue Positionen zur Entwicklung der Medienkultur den Parteimitarbeitern nahegebracht wurden, der wird enttäuscht. Auf dieser Ebene herrscht Funkstille. Während 1986 die ersten Satelliten Fernsehen und Hörfunk direkt an die Konsumenten abstrahlen werden, darüber hinaus schon jetzt Kabelhaushalte mit ausländischen Produktionen versorgt werden und immer mehr Hörfunksender an den Landesgrenzen das ORF-Monopol aushöhlen, versorgt die große Regierungspartei ihre Mitglieder noch immer mit Gemeinplätzen - und manifestiert ihr Defizit an medialen Perspektiven.
Um so mehr Papier wird investiert, um den Vertrauensleuten die „gegnerischen Medien” zu vermiesen: „Denn jede Vertrauensperson sollte sich selbst überlegen, ob es wirklich angebracht ist, eine gegnerische Zeitung durch Abonnement oder regelmäßigen Kauf auch noch finanziell in ihrem Kampf gegen uns zu unterstützen.” So der Bundeskanzler Fred Sinowatz, der das kämpferische Vorwort schrieb, damit nicht länger „unter der gutklingenden Bezeichnung .unabhängig' Politik verkauft werden kann, die in Wirklichkeit eindeutig bestimmten Interessen dient”.
Wo der Gegner steht, will die SPÖ ihren Vertrauensleuten deutlich machen, wo sie selbst steht, ist aber der eigentliche Offenbarungseid dieser Broschüre.
„Medien in Österreich”: Bemerkenswerte Bunkerstimmung
Sie glaubt sich von einer „gefährlichen konservativen Medienübermacht” verfolgt, kultiviert eine bemerkenswerte Bunkerstimmung mit ausgeprägtem Freund-Feind-Schema und ist weit von einer offenen Partei entfernt. Der Parteiausschluß des Journalistenpräsidenten Günter Nenning ist Indiz dafür.
Kaum eine österreichische Zeitung kommt in der SP-Analyse gut weg, der unheilvolle konservative ÖVP-Einfluß ist allgegenwärtig. Die schwarze Spinne sitzt im Netzwerk.
Beispielsweise im „Kurier”, dessen „politischer Einpeitscher Hans Rauscher ist, der mit seinen Kurzkommentaren auf der ersten Seite den politischen Ton angibt”.
Daß dies die Leser offenbar noch nicht gemerkt haben, stört die SPÖ besonders: „Da der .Kurier' immer noch bei vielen Lesern vom früheren Uberalen Image zehrt, sind die ständigen Angriffe gegen die SPÖ und das ständige Heruntermachen von SPÖ-Spitzenpoli-tikern keineswegs wirkungslos.”
Weniger konservatives Geklün-gel als im „Kurier”-Konzern -Kommentar zur „Wochenpresse”: „Das Magazin der Meinungsvielfalt” ist ein „müder Scherz” — ortet die SPÖ in der „Kronenzeitung”: Dort regiere der Opportunismus und in zunehmendem Maß der „Wille der ,Krone'-Ma-cher, auch unmittelbar in die Politik einzugreifen”.
Informationsghetto
Daß die „Kleine Zeitung” innenpolitisch mit kaum zu überbietender Deutlichkeit auf der Seite der ÖVP steht, wird nur noch überboten durch die Feststellung, daß alles, „was in Osterreich rechts ist, sich als .unabhängig' bezeichnet.” Wobei unabhängig im Sinne der SPÖ nur heißt, daß diese Zeitungen wirtschaftlich so stark sind, „daß sie von der ÖVP keine unmittelbare Hilfe brauchen”.
Bei solcher Frontstellung wird verständlich, daß die SPÖ ihre Vertrauensleute auffordert, sich verstärkt an die eigenen Parteizeitungen zu halten und das Informationsghetto der Partei nicht zu verlassen.
Daß die Beschwörung der Lagermentalität Erfolge bringt, darf allerdings bezweifelt werden, denn die Daten der neuen Media-Analyse fallen dem Zweckoptimismus der SPÖ in den Rücken. Die „AZ” beispielsweise ist noch ein bißchen kleiner geworden, während die meisten „Gegner” wieder gewachsen sind.
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