Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die SPO bewegt nicht, sie verwaltet
Die Partei ist in hundert Jahren weise geworden. Sie ist aber zuwenig zornig über die herrschenden Verhältnisse.
Die Partei ist in hundert Jahren weise geworden. Sie ist aber zuwenig zornig über die herrschenden Verhältnisse.
Günther Grass meinte kürzlich, die Demokratie werde dann fragwürdig, wenn sie, zum Dogma erstarrt, nur noch ihren Besitzstand repräsentiert, unfähig geworden, sich den Problemen der Zeit, das heißt Fragesätzen zu stellen. Was für die Demokratie gilt, hat auch für die Parteien Gültigkeit. Auch die SPÖ diskutiert gezwungen vom Stakka-to des Paradigmenwechsel „Themen der Zeit” und stellt Fragesätze. Die Debatte soll in einem neuen Parteiprogramm enden.
Die gute Nachricht ist: Die SPÖ ist heute der politische Mittelpunkt in Österreich und das stabile Element in der Regierung. Sife vermittelt Sicherheit, man kann sich auf sie verlassen und sie hat Franz
Vranitzky. Das ausgehende Jahrhundert war das Sozialdemokratische, der Wohlfahrtsstaat die größte Leistung.
Die schlechte Nachricht ist: Die SPÖ hat ihr „Herzstück”, die soziale Kompetenz und vor allem die Kompetenz in der Beschäftigungs- und Wohnbaupolitik in den achtziger Jahren, einem Jahrzehnt der Spekulation und des schnellen Geldes, vernachlässigt. In den letzten Jahren hat der Rechenstift dominiert und soziale Wärme gefehlt. In einer Zeit, wo es auch in Österreich 233.000 Arbeitslose gibt und in manchen Regionen bis zu 15 Prozent der Erwerbstätigen ohne Arbeit sind, hat die SPÖ bei Mitgliedern und Wählern Vertrauen verloren. Und bei weiter steigender Arbeitslosenrate könnte auch in Österreich das Eis leicht brechen, wenn sich die SPÖ nicht wieder mehr auf das Prinzip der Solidarität konzentriert. Das war ihre Identität in den letzten hundert Jahren und muß es auch heute sein.
Nach einer Phase der zunehmenden Beliebigkeit muß die Sozialdemokratie wieder mehr Farbe bekennen und Haltung zeigen, insbesondere in sozialen Fragen.
Farbe bekennen
Die SPÖ muß heute einen Spagat vollbringen zwischen zwei extremen Positionen: Menschen, die auch in Österreich immer mehr an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden, beistehen und der Mehrheit in unserem Land, die in der Lage ist etwas zu unternehmen und auf eigenen Beinen zu stehen, nicht auf die Nerven gehen und Freiräume schaffen. Dieser Spagat erfordert nicht nur körperliche Fitneß, sondern auch Kritikfähigkeit, Nachdenklichkeit und ein hohes Maß an Intelligenz.
Das Programm der SPÖ aus dem Jahr 1978 ist eine gute Basis, es muß aber ergänzt werden durch „Themen der Zeit”, was nicht heißt, dem Zeitgeist nachzulaufen, sondern sich auf Grundsätze besinnen (Ökologie, Rolle der Frauen, Rolle des Staates, Wohlfahrtsstaat II nach I und so weiter). Das Personal der SPÖ ist im Vergleich mit den anderen Parteien herzeigbar. Aber zwischen der Ochsentour und dem Quereinsteiger liegen noch Möglichkeiten der Rekrutierung von Personal, die bisher nicht wahrgenommen wurden. Und was die Praxis der SPÖ betrifft, so muß sie wieder mehr Bodenhaftung bekommen, näher an die Menschen und ihre existentiellen Probleme heranrücken: Arbeit, Wohnung, Bildung und Erziehung, soziale Absicherung.
Die SPÖ bewegt heute nicht, sie verwaltet. Bewegung ist aber notwendig, um die Demokratie stabil zu halten. Visionen und Selbstvertrauen sind unterbelichtet und nur langsam gewinnt die Partei im historischen Sinn wieder Boden unter den Füßen. Die SPÖ ist in hundert Jahren weise geworden, verfügt über eine große Erfahrung, aber sie ist zu wenig zornig über die herrschenden Verhältnisse. Eine Programmdiskussion kann in dieser Situation Bewegung bringen und eine kritische Masse in der SPÖ und in unserer Gesellschaft erzeugen, die zu einer neuen Qualität führt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!