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Die Staatsmacht begrenzen

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Daß die mangelnde Bewahrung der Menschenrechte nicht nur in der internationalen Politik häufig Anlaß zur Kritik gibt, sondern daß auch in Österreich in manchen Bereichen ein nicht unproblematischer Zustand besteht, zeigte kürzlich ein Seminar des Instituts für Föderalismusforschung im Schloß Hofen bei Bregenz.

Trotz häufiger Betonung der Vorbildrolle unseres Landes in Sachen Menschenrechte erreicht

Österreich den internationalen Standard beim Schutz derselben noch nicht. Dieses wenig erfreuliche Ergebnis wurzelt in einem Vorbehalt Österreichs zu den Artikeln 5 und 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK).

Aufgrund dieser Bestimmungen darf die Freiheit des Menschen nur bei Vorliegen ganz bestimmter Voraussetzungen beschränkt werden. Durch den ausgesprochenen Vorbehalt können in Österreich Maßnahmen des Freiheitsentzuges jedoch nicht nur - wie in der MRK vorgesehen - durch Gerichte, sondern auch im Verwaltungsverfahren verhängt werden.

Diese, den Staatsbürger sehr einschneidend treffende Befugnis der Verwaltungsbehörden führt in der Praxis nicht selten zu schwerwiegenden Konflikten. In diesem Zusammenhang sei an die jüngsten, unerfreulichen Geschehnisse im Bereich des Finanzstrafrechts erinnert, wo Steuerzahler ohne richterliche Instanz massiv in ihren persönlichen Rechten beschnitten wurden.

Der Direktor des Instituts für Föderalismusforschung, der Innsbrucker Politikwissenschafter Peter Pernthaler, fordert daher eine Neuordnung der Verwaltungsrechtspflege sowohl im Bereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens als auch des Verwaltungsstrafrechts. Dies umso mehr, als der Europäische Gerichtshof in Straßburg jetzt schon einen gewissen Druck auf die österreichische Verwaltungspraxis ausübt.

Rudolf Machacek, Richter des Verfassungsgerichtshofes, erläuterte in seinem Referat die Zusammenhänge zwischen Menschenrechtskonvention und Verwaltungsrechtspflege und zeigte Möglichkeiten auf, den Rechtsschutz zu intensivieren sowie den Zutritt des einzelnen zum Recht zu verbessern.

Derzeit stehen drei Lösungsmöglichkeiten zur Diskussion. Als nicht zielführend wurde von den Referenten der Ausbau der zentralen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Wien angesehen, da die dadurch wahrscheinlich noch zunehmende Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes keinen wesentlichen Ausbau des Rechtsschutzes bewirken würde.

Rasch und bürgernah

Abgelehnt wurde auch die Schaffung weiterer weisungsfreier Kollegialbehörden nach Muster der Landesgrundverkehrsbe-hörden.

Als beste, der Menschenrechtskonvention wie dem bundesstaatlichen Prinzip einwandfrei gerecht werdende Lösung wurde von den Referenten des Seminars, allen voran von Peter Pernthaler und Klaus Berchtold (Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes), die Schaffung von eigenen Landesverwaltungsgerichtshöfen angesehen.

Pernthaler erinnerte daran, daß es seit 1920 Versuche gäbe, solche Gerichte in den Ländern zu errichten. Diese würden dem Bürger den Zugang zum Recht wesentlich erleichtern, alle Verwaltungsentscheidungen wie Baubescheide, Flächenwidmungen oder Verkehrsstrafen könnten dort aus formellen wie inhaltlichen Gründen angefochten und sachgerecht, rasch und bürgernah entschieden werden.

Außerdem erhielten die Länder, wie dies in anderen Bundesstaaten selbstverständlich ist, endlich auch Anteil an der Gerichtsbarkeit. Die Kosten für Landesverwaltungsgerichte würden durch die Entlastungen der bestehenden Landesbehörden in Grenzen gehalten werden können.

Untermauert wurde diese Ansicht vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts Thurgau, Philip Stähelin, und von Ferdinand Kopp von der Universität Passau, die über die guten Erfahrungen mit den in der Schweiz bzw. in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Kantonal- bzw. Landesverwaltungsgerichten berichteten.

Erinnert sei daran, daß auch in Frankreich unlängst 26 neue föderalistische Verwaltungsgerichte in den Provinzen installiert wurden.

Mehr Länderrechte

Als ein Ergebnis des Seminars konnte festgehalten werden, daß Rechtsschutz und Föderalismus keine Gegensätze sind. Beide dienen der Machtbegrenzung, beide setzen der staatlichen Gewalt Grenzen und sichern so die Freiheit des Bürgers.

In diesem Sinne legte der Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Keßler anläßlich des Seminars ein überzeugendes Bekenntnis zum Föderalismus und zum Subsidiaritätsprinzip ab und forderte eine entscheidende Stärkung der Rechte von Ländern und Gemeinden.

Der Autor ist Mitarbeiter am Institut für Föderalismusforschung, Innsbruck.

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