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Die Stabilität bestätigt

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Der traditionelle Hang der Schweizer zur politischen Stabilität hat sich bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesparlamentes Ende Oktober bestätigt. Im Wähleranteil und in der Sitzverteilung der großen Parteien ergaben sich einige kleine Verschiebungen - und Randgruppen, wie die Uberfrem- dungsparteien und die Grünen, gewannen Wähler.

Aber keine Spur von einem „Erdrutsch“ oder einer Gefährdung der jetzigen Regierungskoalition oder „Zauberformel“ aus den vier großen Parteien, die insgesamt drei Sitze und 4,1 Prozent Wähleranteil verloren, aber immer noch 166 der 200 Mandate im Nationalrat einnehmen.

Umso mehr Diskussionsstoff geben bei derlei Stabilität kleine Abbröcklungsprozesse oder unerwartete Sympathiekundgebungen für gewisse Parteien.

Signifikantestes Ergebnis ist die Tatsache, daß die Freisinnig- Demokratische Partei (FDP) bei den Nationalratswahlen die Sozialdemokratische Partei (SP) als wählerstärkste Partei ablöste. Aber auch die FDP mußte — und das war aufgrund des prognostizierten und in Wahlen auf unteren Ebenen immer wieder aufscheinenden Aufwärtstrends überraschend — einen leichten Wählerrückgang in Kauf nehmen.

Der SP dagegen hatte man größere Verluste vorausgesagt (sie verliert je drei Sitze im National- und im Ständerat als Vertretung der Kantone). Die Sozialdemokraten hatten nämlich in den vergangenen Monaten schwere interne Flügelkämpfe zwischen intellektuellen Dogmatikern und (meist) gewerkschaftlichen Pragmatikern durchgemacht, die teilweise zu offener Spaltung führten.

Kaum ganz zufrieden dürfte auch die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) sein, die zwei Nationalratssitze verlor. Obwohl sie unter dem Slogan „Für Werte, die wieder im Kommen sind“ kämpfte, wird ihre Position in der Mitte wohl eher noch schwieriger. Denn man erwartet zwischen dem Wahlsieger FDP und der (stabilen) -vierten Bundesratspartei, der Schweizerischen Volkspartei (SVP) auf der einen und der SP, einigen linken Splittergruppen und den einen (eigentlich überraschend kleinen) Wähleranteil von 2,9 Prozent und drei Sitze erobernden Grünen andererseits eine verstärkte Polarisierung.

Beachtung gefunden hat auch die Tatsache, daß die beiden Uberfremdungsparteien zu den Wahlsiegern gehören und nun mit fünf Mandaten wieder in Fraktionsstärke vertreten sind.

Wie in der letzten Legislaturperiode sitzen nur 25 Frauen im insgesamt 246 Köpfe zählenden Parlament. Auffallend war aber, daß viele Frauen absolute Spitzenresultate auf ihren Listen erzielten.

13 bisherige Parlamentarier wurden abgewählt — eine Zahl, die sich ebenfalls im üblichen Rahmen hält. Allerdings war darunter einige Prominenz, wie der Genfer Soziologie-Professor Jean Ziegler, der mit seiner Kritik an gewissen schweizerischen Institutionen und Eigenheiten (wie etwa dem Bankgeheimnis) auch schon internationales Aufsehen erregt hat.

Die Kommunisten verloren ebenfalls zwei ihrer drei Man- datsträger, die seit Jahrzehnten im Parlament saßen.

Wenig erfreut war man in breiten Kreisen über die Wahlbeteiligung, die — wie schon vier Jahre zuvor — unter fünfzig Prozent lag. Das Schweizer Parlament wird also von einer Minderheit der Stimmbürger gewählt, was mit einiger staatspolitischer Besorgnis registriert, wenn auch teilweise auf die direkte Demokratie zurückgeführt wird, die dem Volk Einflußmöglichkeit auch neben der Parlamentsvertretung beläßt.

Im Dezember wird das neugewählte Parlament zwei neue Bundesräte wählen. Wenige Tage nach der Bekanntgabe seines Rücktrittes und eine Woche vor den Wahlen ist der äußerst populäre Vorsteher des Finanzdepartements Willi Ritschard (SP) Völlig überraschend gestorben. Tagelang würdigten die Medien sein Wirken, und die Bevölkerung war betroffen wie selten beim Tod eines Magistraten.

Zurückgetreten ist auch der Vorsteher des Militärdepartements Georges-Andre Chevallaz (FDP).

Das Kandidatenkarussell dreht sich bereits. Es ist aber nach den Parlamentswahlergebnissen kaum zu erwarten, daß eine parteipolitische Änderung eintritt. Dagegen wächst die Wahrscheinlichkeit, daß erstmals eine Frau in die siebenköpfige oberste Landesbehörde gewählt wird.

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