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Die Stadt der Zukunft als Plan und Traum

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Die klassischen Architekturausstellungen, etwa zu Gebäudethemen oder zu Architektenpersönlichkeiten des Landes, wird man vergeblich im Programm des Donaufestivals suchen. Unter dem Begriff „Drei Ausstellungen Raum“ versuchen aber „Das gläserne U-Boot“ in Krems/Stein, „Hinter den Wänden“ in Langeneis und „Geburt einer HauptStadt“ sich mit den neuesten Ansichten zu Architektur, Design und Rauminstallation auseinanderzusetzen. Was allen dreien gemeinsam ist, ist der Blick auf die gesellschaftlichen Mechanismen und unsichtbaren Netze, in denen künstlerische Produkte entstehen, und weniger auf ein fertiges, ausstellungsreifes Ergebnis.

Die Ausstellung in St. Pölten, mit dem verheißungsvollen Untertitel „Eine andere Ausstellung über die andere Stadt“ ist eine gemeinsame Veranstaltung mit der Landeshauptstadt-Planungsgesellschaft, die ihren Abschluß (und daher auch die Vorlage eines zweiten umfangreichen Katalo-ges) erst im Herbst mit einem Symposium finden wird. Konzept und Gestaltung stammen von Dietmar Steiner, Georg Schöllhammer, Christian Knechtl, Gregor Eichinger und Katharina Theodorakis-Pratscher. Schauplatz ist ein von Architekt Adolf Krischanitz errichteter Ausstellungsbau aus Stahl und künstlichem Glas. Er ist Teil des Ausstellungskonzeptes und Symbol für die bauliche Inbesitznahme der Landeshauptstadtidee in St. Pölten, ist Zündstoff für die Diskussion der Bewohner dieser Stadt und ein Meisterwerk eines „High-Tech Gebäudes“ zugleich.

Er besteht aus einem Rundbau oder Tholos, für Vorträge, Symposien, Konzerte, und einer etwa fünfzig Meter langen dreigescho-ßigen „Ausstellungsvitrine“: zwei in ihrer Berührung Spannung erzeugende Bauteile, die ein immer wiederkehrendes kontrapunktisches Motiv der Architektur darstellen.

Während eine Längsseite der Vitrine das Licht für die Schaustellung filtert, präsentiert sich an der gegenüberliegenden Seite eine Abfolge von Bildern über die imaginäre Stadt, die Stadt der Hoffnungen und Träume, die unsichtbare Stadt. Für Dietmar Steiner und sein Team war es klar, daß zu einem Zeitpunkt, an dem die Planer nach wie vor mit dem Gemessenen und Prognosti-f izierten dominieren und, von ihnen weit entfernt, die Architekten den formalen Ansatz für die neue Stadt glauben gefunden zu haben, eine konventionelle Stadtplanungsausstellung den Gesetzmäßigkeiten des „öffentlichen Raumes“ nicht gerecht werden kann.

Recherchen über einzelne Aspekte eines Ganzen, durchgeführt von in- und ausländischen Fachleuten, reihen sich nun entlang eines Weges in drei Etagen aneinander und ermöglichen dem Besucher, sich an die Phänomene der Stadt anzunähern. Im Wechsel von allgemeiner und spezieller (St. Pöltner) Sicht werden zehn Stationen absolviert.

Die erste Station, von F. A. Kittler, steht unter dem Titel „Die Stadt ist ein Medium“. Er vergleicht die Stadt mit einem Mi-krochip, mit einer datenverarbeitenden Einheit, in der nicht die Daten selbst, sondern die „Schematismen“ ihrer Verarbeitung das Wesentliche darstellen. Eine Computer Workstation wird erstmalig in Österreich einen Vergleich verschiedenster Stadtplanungsdaten europäischer Städte ermöglichen. Die nächste Station stammt vom Schriftsteller Bodo Hell, der „die Stadt als das Zeichen ihrer Bilder“ präsentiert. Darauf folgt: „Die Stadt ist das Objekt der Politik“, eine historische Bestandsaufnahme Niederösterreichs und seiner jeweiligen Hauptstadt durch den Architekten und Historiker Wilfried Posch. Wilf ried Wang stellt in seinem Beitrag „Die Stadt ist die gebaute Macht“ jene Abbilder von Bauten in ein Modell von St. Pölten, die für uns geläufige Büder der Architekturgeschichte sind und Ausdruck von Macht oder Öffentlichkeit besitzen. Sein Augenmerk gilt den „gegenseitigen Beziehungen und Auswirkungen von Stadtraum und Bauform“. Der Kunsthistoriker Gottfried Fliedl fragt nach der Identität Niederösterreichs in „Die Stadt ist der Sinn des Lebens“ an Hand einer „museologischen Spurensuche“, und der Architekt Johann Kräftner nähert sich an die „Geschichte der Stadt“, indem er kritisch die „Geschichte des Ortes“ tief nach unten mit Hilfe von Video-Clips untersucht. Die Architekten Kohoutek und Pirhofer stellen Fragen an die St. Pöltner mit dem Hinweis „Die Stadt ist die Bühne des Lebens“, Vittorio Magnago-Lampugnani präsentiert unter dem Titel „Die Stadt ist ein Kunstwerk“ bekannte Beispiele aus der Architekturgeschichte, und der Planungsökonom Ulrich Pfeiffer konfrontiert in Form von Comic-strip mit zwei Szenarien zur Entwicklung von St. Pölten fünfundzwanzig Jahre nach Gründung der Landeshauptstadt.

Ist es nun eine andere Ausstellung geworden? Es ist die erste Ausstellung über die Hauptstadtwerdimg St. Pöltens und eine Aufforderung, sich dessen bewußt zu sein, nicht eine bauhistorische Leistungsschau. Schade nur, daß auf die Präsentation gängiger Architekturbilder zugunsten weiterer Muster unseres städtischen Lebens nicht vollständig verzichtet wurde. Die Botschaft der „neuen Sicht der Stadt“ ist kein fertiges Bild. Trotzdem ist sie sehenswert — ist ja allein der Ausstellungsbau ein Ereignis in St. Pölten. Bleibt zu hoffen, daß Planer und Architekten dieses Landes ebenfalls zu den interessierten Besuchern zu zählen sind, damit das Szenario mit dem Titel „Hauptstadt mit Rük-kenwind“ zur Wirklichkeit wird.

Der Autor ist freischaffender Architekt und Kulturpublizist.

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