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Die starke Zunahme der organisierten Kriminalität

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Die Kriminalität nimmt weltweit zu - besonders in den Städten: Überfälle auf Passanten, Fahrraddiebstähle, Einbrüche, Drogenhandel... Vielfach wird das groß aufgezogen, ist die Kriminalität organisiert. In Österreich ist die Situation noch relativ günstig. Stellt sich also die Frage, wie man sich gegen den Import organisierter Kriminalität schützt.

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Die Kriminalität nimmt weltweit zu - besonders in den Städten: Überfälle auf Passanten, Fahrraddiebstähle, Einbrüche, Drogenhandel... Vielfach wird das groß aufgezogen, ist die Kriminalität organisiert. In Österreich ist die Situation noch relativ günstig. Stellt sich also die Frage, wie man sich gegen den Import organisierter Kriminalität schützt.

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Die organisierte Begehung von Straftaten nimmt weltweit zu. Fast ein Zehntel des gesamten Welthandels entfällt wertmäßig auf den Handel mit illegalen Drogen. Die Weltbevölkerung gibt - statistisch gesehen -bereits mehr Geld für Drogen als für Ernährung aus (Josef Siska: „Die Erfahrungen der Kriminalpolizei mit der Drogenbekämpfung, dem organisierten Verbrechen und der Geldwäscherei"). Organisierte Kriminalität kann staatsdrohende Ausmaße erreichen. Dies zeigen etwa der Drogenkrieg in Bolivien mit über 24.000 Toten in zehn Jahren oder die Verhältnisse im südlichen Italien.

Das Wort „organisiert" legt es nahe, an eine festgefügte, klar strukturierte Ordnung zu denken. Ein typisches Beispiel dafür sind etwa Aufbau und Funktion der staatlichen Verwaltung. Bei weitem nicht jede organisierte Verbrechensbegehung spielt sich in solcher Art stabilen und geordneten Formen ab.

Wenn man planmäßig Taschendiebstähle im Menschengewühl zum Erbeuten von Bargeld und Euroschecks durchführen oder illegal ausländische Arbeitssuchende ins Land schmuggeln möchte, muß man in der Regel viel flexibler vorgehen und viel mehr dem günstigen oder ungünstigen Zufall Rechnung tragen. Improvisation ist groß geschrieben. Unter solchen Umständen zumindest zeitweise Überlebens- und funktionsfähige Organisationen sind daher eher mit dem Modell anpassungsfähiger Netzstrukturen, adaptiver Systeme zu verstehen.

Auch die Bezeichnung „Kriminalität", kann - vielleicht überraschend -den Blick auf das Wesentliche erschweren. Organisierte Kriminalität wird prinzipiell vom Gewinnstreben getragen, in dessen Dienst an sich rationale Mittel eingesetzt werden. Daher gelten im Bereich der organisierten Kriminalität keine grundsätzlich anderen Motivationen, und sie entwickelt auch keine prinzipiell anderen Strukturen und Regelhaftig-keiten als die rechtstreue Bevölkerung im Rahmen des legalen Wirtschaftslebens. Die Tätigkeit krimineller Organisationen muß nicht einmal auf den Bereich des Illegalen beschränkt bleiben. Sie können, allerdings nicht ganz selbstlos, auch für das Zusammenleben positive Funktionen erfüllen. So ist etwa in der Sowjetunion das staatliche Versorgungssystemderzeit zusammengebrochen. Die unumgänglich notwendigen Güter gelangen dennoch zumindest teilweise an die Verbraucher. Organisierte Kriminelle bringen die an sich vorhandenen Vorräte illegal in ihren Besitz und setzen sie auf dem Schwarzmarkt zu extrem überhöhten Preisen um.

Die besondere Gefährlichkeit der organisierten Kriminal ität ist zunächst eine Folge der von ihr verursachten materiellen Schäden. Der Jahresumsatz des organisierten Verbrechens in Österreich wurde „vorsichtig" auf über 20 Milliarden Schilling geschätzt. Das entspräche dem doppelten Budget des Innenressorts (Wendelin Ettmayer: „Muß es immer mehr Verbrechen geben?"). In der Bundesrepublik Deutschland wurde der durch organisierte Kriminalität verursachte Gesamtschaden vor wenigen Jahren gar auf ein Zehntel des gesamten Brutto-nationalprodukts geschätzt (Manfred Stümper: „150 Milliarden Mark jährlicher Schaden").

Ungeachtet der hier auf dem Spiel stehenden gigantischen Summen fallen insgesamt die nicht in Geld auszudrückenden immateriellen Schäden noch schwerer ins Gewicht. Wie hoch sind die 1990 in Österreich registrierten 83 Drogentoten zu bewerten? Mit welchen Beträgen schlägt der Verlust an Lebensqualität zu Buch, den der Verzicht auf manche soziale Aktivität aus Angst vor steigendem Straßenraub mit sich bringt? Die wohl tiefgreifendste Folge organisierter Kriminalität ist jedoch, daß letztlich durch Korrumpierung der staatlichen Verwaltung und Beeinflussung der Rechtssprechung das Vertrauen in die Redlichkeit der das soziale Zusammenleben steuernden Kräfte und Regeln verloren gehen kann.

Die besondere Gefährlichkeit organisierter Verbrechensbegehung ergibt sich zusätzlich noch aus einer Tendenz zur nahezu automatischen Ausweitung ihrer Aktivitäten. So besteht fallweise auch für nichtkriminelle Bevölkerungsteile ein faktischer Zwang, bei illegalen Aktivitäten mitzumachen. Werder Schutzgelderpressung Widerstand leistet, setzt vielleicht seine Gesundheit aufs Spiel.

Organisierte Kriminalität dringt aber weiters schon dort in legale gesellschaftliche Strukturen ein, wo sie sich einen breiten Absatzmarkt für an sich legale Waren geschaffen hat. Ein Beispiel sind etwa Raubkopien von Computer-Software, die der Branche in Österreich derzeit einen Verlust von drei Milliarden Schilling oder umgerechnet etwa einem Viertel des Jahresumsatzes verursachen sollen.

Rechtmäßige Strukturen werden auch für die Realisierung der illegal erzielten enormen Gewinne ausgenützt. Sie ermöglichen nach einer „Geldwäsche" einerseits eine Erweiterung und Intensivierung der kriminellen Aktivitäten und verschaffen andererseits massive verdeckte Vorteile im legalen Wettbewerb.

Welche prinzipiellen Möglichkeiten stehen für die Bekämpfung zur Verfügung? Dem staatlichen Eingreifen sind derzeit vergleichsweise enge Grenzen gezogen. Bei planmäßiger und professioneller Tatbegehung sind schon die polizeilichen Aufklärungschancen sehr gering. Besonders erschwerend wirkt sich dabei die grenzüberschreitende Vorgangsweise der organisierten Kriminalität aus. Im eigentlichen Gerichtsverfahren ist der Zugriff auf einen individuellen Täter und eine konkrete Straftat beschränkt. Die Verurteilung eines Täters bedeutet für die kriminelle Organisation als solche regelmäßig keinen wirklichen Rückschlag. Infolge des arbeitsteiligen Vorgehens sind die ausführenden Personen ersetzbar.

Für eine zweckmäßige Ausgestaltung des Strafrechts kommen einerseits spezielle Tatbestände, andererseits erhöhte Strafdrohungen in Frage. Die eigentlichen Probleme liegen aber schon vor dem Tätigwerden des Gerichts. Entscheidend für einen wirkungsvollen Zugriff auf die organisierte Kriminalität ist daher die Erweiterung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten.

Wer die verfahrensrechtlichen Vorschriften für eine wirkungsvolle Bekämpfung der organisierten Kriminalität ausbauen möchte, stößt schnell auf massiven Widerspruch. Jede Tätigkeit der Strafverfolgung zur Verdachtsgewinnung im Vorfeld der eigentlichen Straftat erfaßt zwangsläufig mehr oder weniger intensiv auch rechtstreue Bürger. Das daraus sich ergebende Spannungsverhältnis wird durch die steigende Leistungsfähigkeit der für polizeiliche Informationsbeschaffung und -Verarbeitung geeigneten technischen Mittel noch permanent verschärft. Es wird befürchtet, daß etwa elektronische „Lauschangriffe" und computergestützte „Rasterfahndung" aus jedem Staatsbürger einen „gläsernen Menschen" machen.

Ein ganz anderes Feld möglicher Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität ist der Zugriff auf ihre Erlöse, also die „Gewinnabschöpfung". Den Hebel an der finanziellen Seite anzusetzen, hat sich im Kampf gegen organisierte Kriminalität ganz allgemein gut bewährt. Entsprechende Maßnahmen stoßen jedoch allenfalls bald auf Widerstände. Das zeigt die internationale Diskussion um eine umfassende Überwachung der über Banken fließenden Geldtransaktionen. Ihre computergestützte Kontrolle ist zwar gut geeignet, illegale Gelder aufzuspüren und damit die organisierte Kriminalität am Lebensnerv zu treffen. Das ist aber zwangsläufig mit tiefen Eingriffen in das gesamte Bankgeschäft verbunden.

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